Jasmin Dahler
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Ob freiwillig oder unvermeidlich: Überstunden gehören für viele Arbeitnehmer*innen zum Alltag. Doch was passiert, wenn du dir deine Überstunden auszahlen lassen möchtest? Ist dein Arbeitgeber überhaupt dazu verpflichtet? In diesem Artikel erläutern wir, welche Rechte du hast, wie viel du für deine geleistete Mehrarbeit erwarten kannst und welche Fristen und Besonderheiten zu beachten sind.
Überstunden sind Arbeitszeiten, die über die im Arbeitsvertrag vereinbarte Regelarbeitszeit hinausgehen. In vielen Fällen sind diese im Rahmen eines Tarifvertrags, einer Betriebsvereinbarung oder im Arbeitsvertrag geregelt. Wichtig ist: Nicht jede Mehrarbeit ist automatisch eine Überstunde. Entscheidend ist, dass die Überstunden entweder angeordnet, geduldet oder zur Erledigung der Arbeit notwendig waren.
Zusätzlich dazu gilt: Wenn du beispielsweise freiwillig länger bleibst, ohne dass dein*e Vorgesetzte*r das verlangt, könnte es schwierig sein, diese Stunden als Überstunden geltend zu machen. Daher ist es wichtig, dass Überstunden klar abgesprochen sind. Zudem ist es entscheidend, welche Regelungen im Betrieb und explizit für dich vorgesehen sind. Es gilt in diesem Punkt also dasselbe wie für alle anderen Aspekte deines Arbeitsvertrags: Du solltest genau Bescheid wissen.
Grundsätzlich können Überstunden entweder durch Freizeit ausgeglichen oder ausbezahlt werden. Ob und wie eine Auszahlung möglich ist, hängt von den folgenden Faktoren ab:
Ein weiterer Punkt: Selbst wenn dein Arbeitsvertrag keine klare Regelung enthält, hast du gemäß § 612 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) Anspruch auf eine Vergütung, wenn über die normale Arbeitszeit hinaus gearbeitet wurde und dies vom Arbeitgeber gewünscht oder geduldet war.
§ 612 BGB Vergütung:
(1) Eine Vergütung gilt als stillschweigend vereinbart, wenn die Dienstleistung den Umständen nach nur gegen eine Vergütung zu erwarten ist.
(2) Ist die Höhe der Vergütung nicht bestimmt, so ist bei dem Bestehen einer Taxe die taxmäßige Vergütung, in Ermangelung einer Taxe die übliche Vergütung als vereinbart anzusehen.
Es gibt allerdings auch Ausnahmen. Denn nicht alle Arbeitnehmer*innen haben per se einen Anspruch auf Überstundenvergütung:
Gleichzeitig solltest du wissen, wie viele Überstunden du überhaupt machen darfst.
Der Auszahlungsbetrag richtet sich in der Regel nach deinem Stundenlohn. Dazu wird dein Bruttogehalt auf die Anzahl der monatlichen Arbeitsstunden umgerechnet.
Der Rechenweg sieht folgendermaßen aus:
Zusätzlich zu diesen Faktoren solltest du bedenken, dass Zuschläge für Überstunden in vielen Branchen gängig sind. Besonders bei Schichtarbeit oder in Berufen mit unregelmäßigen Arbeitszeiten können solche Zuschläge einen erheblichen Unterschied machen.
Basierend auf den oben genannten Beispielwerten berechnen wir jetzt zehn geleistete Überstunden, die mit einem 25-Prozent-Zuschlag vergütet werden:
Wichtig: Es kann sein, dass auf den Zuschlag keine Sozialversicherungsbeiträge anfallen, wenn die Zuschläge in einem bestimmten Rahmen bleiben. Das bedeutet mehr Netto vom Brutto und deswegen ist es ratsam, dieser Möglichkeit genau nachzugehen.
Ob du dir deine Überstunden auszahlen lassen solltest, hängt von deiner individuellen Situation ab:
Ein weiterer Aspekt, den viele übersehen: Der Zeitpunkt der Auszahlung kann entscheidend sein. Hast du zum Beispiel in einem Jahr nur wenig gearbeitet oder aus anderen Gründen relativ wenig verdient, könntest du von einer geringeren Steuerbelastung profitieren, wenn du dir die Überstunden auszahlen lässt. Umgekehrt gilt: Je höher dein Einkommen, umso höher die Steuerlast durch ausbezahlte Überstunden (Stichwort Progression).
Ob du beim Auszahlungszeitpunkt überhaupt so viel Spielraum hast, ist jedoch eine andere Frage. Mehr dazu im nächsten Absatz.
Um deine Überstunden geltend zu machen, solltest du die folgenden Punkte beachten:
Damit du in Sachen Überstunden auf der sicheren Seite bist, helfen dir diese Tipps:
Außerdem kannst du dich an den Betriebsrat wenden, wenn du unsicher bist, welche Rechte du hast. Der Betriebsrat hat Einblick in betriebliche Vereinbarungen und kann dich beraten.
Du arbeitest in einem mittelständischen Unternehmen und hast in einem besonders stressigen Monat 20 Überstunden geleistet. Im Arbeitsvertrag steht, dass du die Wahl zwischen Auszahlung und Freizeitausgleich hast. Da du bald in den Urlaub fahren möchtest und das Geld dafür gut gebrauchen kannst, entscheidet sie sich für die Auszahlung. Mit einem Stundenlohn von 18 Euro und einem Zuschlag von 25 Prozent erhältst du insgesamt 450 Euro brutto zusätzlich.
Ein weiteres Beispiel: Du bist Saisonarbeiter und hast in einer intensiven Phase 20 Überstunden geleistet, allerdings enthält dein Vertrag keine Regelung zur Auszahlung. Nach einem Gespräch mit deinem Arbeitgeber einigt ihr euch auf einen Freizeitausgleich, da in dieser Phase des Jahres ohnehin nicht allzu viel Arbeit anfällt. Dein Arbeitgeber spart sich die Kosten und du bekommst Zeit, um einen Gang zurückzuschalten.
Überstunden auszahlen lassen oder lieber Freizeit nehmen? Diese Entscheidung ist häufig individuell. Wichtig ist, dass du deine Rechte kennst, deine Arbeitszeiten dokumentierst und die Fristen im Blick behältst. Ob Führungskraft, Vielverdiener*in oder Tarifbeschäftigte*r – ein Blick in den Arbeitsvertrag und eine klare Kommunikation mit dem Unternehmen schaffen Klarheit.
Disclaimer: Dies ist keine rechtsverbindliche Auskunft. Die in diesem Artikel veröffentlichten Rechtsgrundlagen wurden sorgfältig zusammengestellt, erheben aber keinen Anspruch auf Aktualität, sachliche Richtigkeit oder Vollständigkeit; eine entsprechende Gewähr wird nicht übernommen. Insbesondere übernimmt The Stepstone Group Deutschland GmbH keinerlei Haftung für eventuelle Schäden oder Konsequenzen, die durch die direkte oder indirekte Nutzung der bereitgestellten Inhalte entstehen.
Auch Teilzeitbeschäftigte dürfen nur über die gesetzlich zulässige Höchstarbeitszeit hinaus arbeiten. Das bedeutet maximal 48 Stunden pro Woche (inklusive Überstunden), es sei denn, der Arbeitsvertrag oder Tarifvertrag sieht eine andere Regelung vor.
In der Regel nicht. Der Zeitpunkt des Freizeitausgleichs muss mit dem Arbeitgeber abgestimmt werden, da betriebliche Belange Vorrang haben. Es ist ratsam, einen schriftlichen Antrag zu stellen und eine Einigung zu erzielen, die im Interesse aller Beteiligten ist.
Ja, um Ansprüche geltend zu machen, musst du die geleisteten Überstunden nachweisen können. Eine genaue Dokumentation deiner Arbeitszeiten, etwa per einer Tabelle oder Zeiterfassungs-App, ist daher unverzichtbar.
Überstunden können verfallen, wenn sie nicht innerhalb der im Arbeitsvertrag oder Tarifvertrag festgelegten Ausschlussfristen geltend gemacht werden. Häufig liegt diese Frist bei drei Monaten. Nach Ablauf der gesetzlichen Verjährungsfrist von drei Jahren können keine Ansprüche mehr gestellt werden.
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