Frau kurz vorm Niesen am Schreibtisch vor einem Laptop
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Definition: Was ist Präsentismus?Präsentismus vs. AbsentismusPräsentismus in ZahlenFolgen von PräsentismusGründe für Präsentismus: Warum arbeiten wir, obwohl es uns nicht gut geht?Du neigst zu Präsentismus? Das kannst du tunLösungsansätze: Wie können wir Präsentismus entgegenwirken?FAQs – Häufig gestellte Fragen

In der modernen Arbeitswelt ist ein Phänomen weit verbreitet, das auf den ersten Blick positiv erscheinen mag: Präsentismus. Das Wort stammt vom lateinischen "praesentia", was so viel wie "Anwesenheit" bedeutet. Präsentismus beschreibt das Verhalten von Mitarbeitenden, die trotz Krankheit oder gesundheitlicher Einschränkungen zur Arbeit erscheinen. Während Abwesenheit durch Krankheit (Absenteeismus) häufig als Produktivitätsverlust angesehen wird, wird das ständige Anwesendsein selten hinterfragt. Doch der Schein trügt. In Wahrheit birgt Präsentismus immense Risiken – sowohl für den Einzelnen als auch für Unternehmen.

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Definition: Was ist Präsentismus?Präsentismus vs. AbsentismusPräsentismus in ZahlenFolgen von PräsentismusGründe für Präsentismus: Warum arbeiten wir, obwohl es uns nicht gut geht?Du neigst zu Präsentismus? Das kannst du tunLösungsansätze: Wie können wir Präsentismus entgegenwirken?FAQs – Häufig gestellte Fragen

Das Wichtigste in Kürze

Definition: Was ist Präsentismus?

Unter Präsentismus versteht man das Phänomen, wenn Menschen trotz Krankheit oder gesundheitlicher Beeinträchtigung arbeiten. Dabei wird die eigene Gesundheit vernachlässigt und es besteht die Gefahr, dass sich der gesundheitliche Zustand verschlechtert oder die Genesung länger andauert. Präsentismus kann sich außerdem negativ auf die Produktivität und das Wohlbefinden am Arbeitsplatz auswirken. Du kennst es sicherlich aus eigener Erfahrung: Mit einer heftigen Erkältung, Kopfschmerzen oder Fieber ist es sehr schwer bis unmöglich, sich auf die Arbeit zu konzentrieren. Du bist erschöpft und es geht dir schlecht – eigentlich gehörst du ins Bett statt auf den Bürostuhl. Viele Menschen ignorieren in diesen Situationen ihre Krankheitssymptome und arbeiten weiter: Sie legen Präsentismus an den Tag.

Präsentismus vs. Absentismus

Vielleicht hast du schon mal von Absentismus gehört? Der Begriff bezeichnet das Gegenteil von Präsentismus (absent = abwesend, präsent = anwesend). Aber was genau hat es damit auf sich und wie unterscheiden sich die beiden Konzepte?
Während Präsentismus bedeutet, dass Mitarbeitende trotz gesundheitlicher Beeinträchtigungen weiterarbeiten, bezieht sich Absentismus allgemein auf das Fehlen am Arbeitsplatz. Man spricht also von Absentismus, wenn Mitarbeitende (unentschuldigt) nicht zur Arbeit erscheinen. Das kann verschiedene Gründe haben, wie Krankheit, persönliche Angelegenheiten oder mangelnde Motivation.
Sowohl Präsentismus als auch Absentismus können also negative Konsequenzen für Unternehmen und Arbeitnehmende haben, jedoch auf unterschiedlichen Ebenen.

Kriterium

Präsentismus

Absentismus

Definition

Mitarbeiter*innen sind trotz Krankheit oder Unwohlsein bei der Arbeit.

Mitarbeiter*innen fehlen krankheitsbedingt oder aus anderen Gründen bei der Arbeit.

Hauptursache

Krankheit, Erschöpfung oder andere gesundheitliche Probleme, aber der Arbeitnehmer geht trotzdem zur Arbeit.

Krankheit, familiäre Verpflichtungen, persönliche Gründe oder unentschuldigtes Fernbleiben.

Auswirkungen auf die Gesundheit

Kann zu längeren oder schwereren Krankheitsverläufen führen, da die Genesung verzögert wird.

Verhindert die Heilung nicht direkt, kann jedoch bei häufigem Fehlen zu chronischen Problemen führen.

Produktivität

Oft verringerte Produktivität, da die volle Leistungsfähigkeit durch die Krankheit eingeschränkt ist.

Keine Produktivität während der Abwesenheit, aber möglicherweise höher, wenn der Mitarbeiter vollständig genesen zurückkehrt.

Auswirkungen auf das Unternehmen

Möglicherweise höhere Fehlerquote, schlechtere Arbeitsqualität und potenzielles Risiko für Kollegen (z. B. Ansteckung bei Krankheit).

Direkte Kosten durch Ausfall, erhöhte Belastung für Kollegen und potenziell höhere Lohnfortzahlungskosten.

Langfristige Folgen

Langfristig höhere Belastung und Gesundheitsrisiken für den Mitarbeiter, was zu längeren Ausfällen führen kann.

Kann zu häufigeren und längeren Abwesenheiten führen, wenn keine präventiven Maßnahmen ergriffen werden.

Mögliche Lösungen

Gesundheitsförderung am Arbeitsplatz, flexiblere Arbeitszeiten, Möglichkeit von Homeoffice, frühzeitige Interventionen.

Präventionsprogramme, gesundheitsfördernde Maßnahmen, Work-Life-Balance verbessern, bessere Planung von Vertretungen.

Präsentismus in Zahlen

Im Mai 2022 befragte die Techniker Krankenkasse 1.233 Arbeitnehmende zum Thema Präsentismus. Die Studie ergab, dass mehr als die Hälfte (58,1 %) der Befragten Präsentismusverhalten an den Tag legt. Etwa ein Viertel (23,5 %) der Teilnehmenden übernimmt trotz Krankheit oft oder sehr oft die volle Schicht bzw. den gesamten Arbeitstag.

Diagramm: 58,1 % der Befragten
Quelle: TK-Studie –Präsentismus in einer zunehmend mobilen Arbeitswelt, 2022

Das klappt unter anderem mit der Hilfe von Medikamenten: Etwa 28,4 % der Befragten nehmen häufig oder sehr oft Medikamente ein, um trotz akuter Beschwerden arbeiten zu können. Allerdings tun das nur noch knapp 15 % häufig oder sehr oft, wenn sie unter schweren Krankheitssymptomen leiden oder Ärzt*innen ihnen vom Arbeiten abraten. Am seltensten kommt es zu Präsentismus, wenn eine offizielle Krankschreibung vorliegt. In diesem Fall arbeiten nur noch 11,5 % häufig oder sehr oft.

Diagramm: 28,4 % der Befragten nehmen häufig oder sehr häufig Medikamente ein, um trotz akuter Beschwerden arbeiten zu können.
Quelle: TK-Studie – Präsentismus in einer zunehmend mobilen Arbeitswelt, 2022

Interessant: Menschen, die mit ihrer Arbeit zufrieden sind, arbeiten öfter trotz Krankheit. Der Grund dafür ist, dass sie intrinsisch, also aus einem eigenen Antrieb heraus, motiviert sind und sich mit dem Arbeitgeber verbunden fühlen.

Die Studie gibt unter anderem auch Aufschluss darüber, wie sich Unterschiede in Alter, Geschlecht und Art der Arbeit auf Präsentismus auswirken.

Die Wahrscheinlichkeit, dass du krank zur Arbeit gehst, ist größer, wenn

Die Daten beziehen sich auf den Anteil der Studienteilnehmer*innen, die angaben, manchmal oder häufig trotz Krankheit zu arbeiten.

Mann mit Medikamenten und einem Glas Wasser in den Händen
Präsentismus: Nicht selten werden die Beschwerden mithilfe von Medikamenten ignoriert. © @YuriArcurs/EyEm

Folgen von Präsentismus

Wer krank arbeitet, riskiert nicht nur, langsamer gesund zu werden. Mögliche negative Auswirkungen von Präsentismus sind:

Ähnlich wie exzessives Arbeiten kann sich Präsentismus also negativ auf die körperliche und psychische Gesundheit auswirken. Und nicht selten leiden auf lange Sicht auch die Arbeit und der Arbeitgeber.

Es ist wichtig zu beachten, dass die genauen Auswirkungen von Präsentismus von verschiedenen Faktoren abhängen, wie der Art der Erkrankung, der Arbeitsumgebung und den individuellen Umständen.

Gründe für Präsentismus: Warum arbeiten wir, obwohl es uns nicht gut geht?

Trotz Krankheit zu arbeiten kann langfristig schaden – warum entscheiden sich viele Menschen trotzdem dazu? Antworten darauf liefert die Psychologie.
Arbeitspsychologe Sebastian Jakobi nennt die häufigsten Gründe für Präsentismus:

Fehlende Vertretung und Schuldgefühle: Wenn wir krank sind, muss jemand anders unsere Arbeit erledigen. Gibt es niemanden, bleibt sie liegen – ein Gedanke, der für viele Menschen anscheinend schwer erträglich ist. In der oben erwähnten Studie der Techniker Krankenkasse wurde als häufigster Grund für Präsentismus genannt: „Es gab keine Vertretung für mich“. Damit einher gehen Verpflichtungs- bzw. Schuldgefühle gegenüber Kolleg*innen: „Wenn ich es nicht mache, bleibt es an XY hängen – und er/sie hat sowieso schon so viel auf dem Zettel …“

Sebastian Jakobi vermutet, dass sich die Verteilung der Gründe für Präsentismus je nach Arbeitsmarktlage verschiebt:

Opening quote for citation

Es ist beispielsweise nur logisch, dass Arbeitsunsicherheit verstärkt in wirtschaftlich unsicheren Zeiten auftritt und Präsentismusverhalten hervorruft. Auf der anderen Seite gibt es den Fachkräftemangel, der zwar für sichere Arbeitsplätze sorgt, aber auch dazu führt, dass im Krankheitsfall die Vertretungen fehlen. Dadurch trauen sich Arbeitende weniger, krank zu Hause zu bleiben – aus Angst, Arbeitgebende und Kolleg*innen im Stich zu lassen.

- Dipl.-Psych. Sebastian Jakobi, Experte für Arbeits- und OrganisationspsychologieClosing quote for citation

Du neigst zu Präsentismus? Das kannst du tun

Findest du dich in den Beschreibungen wieder und merkst, dass Präsentismus eine Gefahr für deine körperliche und/oder mentale Gesundheit darstellt? Wir haben unseren Experten gefragt, was er seinen Klient*innen rät.

Lösungsansätze: Wie können wir Präsentismus entgegenwirken?

Eins ist bis hierhin sicherlich klar geworden: Präsentismus ist in unserer Arbeitswelt eine ernst zu nehmende Gefahr. Die wichtigste Frage lautet jetzt also: Wer ist in der Verantwortung, gegenzusteuern, und was genau muss getan werden?

Die Gründe für Präsentismus zeigen, dass es sich nicht um ein Problem handelt, das ausschließlich vom Arbeitenden selbst gelöst werden kann. Psychologe Sebastian Jakobi verweist hier auf die Konzepte der Verhaltensprävention (Veränderung des Verhaltens des Einzelnen) und der Verhältnisprävention (Veränderung des Arbeitsumfelds). Neben dem Individuum sieht er auch Arbeitgebende und die Gesellschaft als Ganzes in der Verantwortung.

Verhaltensprävention

Verhältnisprävention

Lösungsansätze für Arbeitnehmende

Arbeitnehmende können einiges dafür tun, sich vor Präsentismus zu schützen. In diesem Abschnitt haben wir mögliche Strategien vorgestellt. Diese können zusammengefasst werden unter:

Lösungsansätze für Arbeitgebende

Die Unternehmenskultur hat großen Einfluss darauf, ob sich Arbeitnehmende trotz Krankheit zum Arbeiten verpflichtet fühlen. „Einerseits ist wichtig, wie Arbeitgebende damit umgehen, wenn sich jemand krankmeldet, und zum anderen, wie im Unternehmen darüber gesprochen wird“, sagt Sebastian Jakobi. „Misstrauen und Lästereien sind ein Nährboden für Präsentismusverhalten. Außerdem ist es meiner Einschätzung nach schädlich für den Genesungsprozess, wenn man krank zu Hause liegt und sich andauernd fragt, was wohl gerade auf der Arbeit geredet wird.“ Da die Unternehmenskultur vor allem von den Führungskräften geprägt wird, sieht Jakobi in erster Linie diese in der Verantwortung.

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Zur Unternehmenskultur gehört auch, wie damit umgegangen wird, wenn sich jemand krankmeldet.

- Dipl.-Psych. Sebastian Jakobi, Experte für Arbeits- und OrganisationspsychologieClosing quote for citation

Laut Arbeitsschutzgesetz sind Arbeitgebende übrigens dazu verpflichtet, „die Arbeit so zu gestalten, dass eine Gefährdung für das Leben sowie die physische und die psychische Gesundheit möglichst vermieden (…) wird.“ Dazu gehört, dass Aufgaben und Verantwortungen angemessen an Mitarbeitende übertragen werden und Krankheitsausfälle kompensiert werden können – auch, wenn das so nicht explizit im Gesetz formuliert wird. „Arbeitgebende müssen zunächst einmal feststellen, ob Mitarbeitende auf der Arbeit in negativer Weise gestresst sind und, wenn dem so ist, welche Ursachen es hat. Im Gesetz wird das als Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastung bezeichnet. Und natürlich muss geregelt sein, was passiert, wenn jemand krank wird“, sagt der Arbeitspsychologe. Auch der Aufbau eines betrieblichen Gesundheitsmanagements zählt zu den erfolgversprechenden Maßnahmen gegen Präsentismus. „Über diese wesentliche Verantwortung hinaus sollten sich Unternehmen um eine ausgewogene Work-Life-Balance, Flexibilität und eine wertschätzende Atmosphäre bemühen.“

Lösungsansätze für die Gesellschaft

Verhaltens- und Denkweisen, die mit Präsentismus im Zusammenhang stehen, werden sowohl von Arbeitnehmenden als auch Arbeitgebenden an den Tag gelegt. Das kann als Symptom eines Problems verstanden werden, das tief in unserer modernen Gesellschaft verwurzelt ist. Kranksein und Leistungsabfall werden seit jeher stigmatisiert.

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In vielen Bereichen wird von Menschen vor allem Leistung erwartet und der Wert einer Person wird oft an ihrer Produktivität gemessen. Es ist wichtig, kritisch zu hinterfragen, wie wir über Leistung und Krankheit sprechen, um hier gesundheitsförderliche Veränderungen anzustoßen.

- Dipl.-Psych. Sebastian Jakobi, Experte für Arbeits- und OrganisationspsychologieClosing quote for citation

Um das Problem anzugehen, ist weiterhin Aufklärung gefragt. Neben dem gesellschaftlichen Diskurs sieht der Arbeitspsychologe außerdem die Gesetzgebung als wichtigen Hebel, um gegen Präsentismus vorzugehen. Gute Arbeitsschutzgesetze müssen auch umgesetzt werden.

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Viele Betriebe sind um guten Arbeits- und Gesundheitsschutz bemüht und verstehen diese Bemühungen auch als Investition im Wettbewerb um Fachkräfte. Und die Betriebe, die Arbeits- und Gesundheitsschutz bisher nicht als betriebliches Ziel verstanden haben, müssen eben durch behördliche Prüfschleifen zur Verbesserung der Arbeitsverhältnisse kommen.

- Dipl.-Psych. Sebastian Jakobi, Experte für Arbeits- und OrganisationspsychologieClosing quote for citation

FAQs – Häufig gestellte Fragen

Wann bin ich zu krank zum Arbeiten?

Das ist eine sehr individuelle Entscheidung, die von der Schwere der Krankheit und dem eigenen Empfinden abhängt. Im Zweifelsfall solltest du das von einer Ärztin oder einem Arzt beurteilen lassen. Grundsätzlich gilt aber: Wenn du dich nicht mehr auf die Arbeit konzentrieren kannst oder das Fieberthermometer 38 Grad und mehr anzeigt, solltest du dich lieber ausruhen. Und bei ansteckenden Krankheiten ist eh klar, dass du zumindest zu Hause bleiben solltest.

Kann ich 3 Tage ohne Krankmeldung zu Hause bleiben?

Beim Arbeitgeber krankmelden solltest du dich in jedem Fall sofort. Wann du ein ärztliches Attest brauchst, entscheidet der Arbeitgeber. Manche Unternehmen fordern es ab dem ersten Krankheitstag, andere erst ab dem dritten. Informier dich also unbedingt rechtzeitig über die betrieblichen Regelungen.

Bin ich verpflichtet ans Telefon zu gehen, wenn ich krank bin?

Nein – wenn dein Arbeitgeber deine Krankmeldung vorliegen hat, musst du keine Anrufe von ihm entgegennehmen. Schließlich nimmst du dir eine Auszeit von der Arbeit, um dich zu erholen. Fühlst du dich in der Lage, bei dringenden Fragen ans Telefon zu gehen, kannst du das natürlich tun und zeigst damit Entgegenkommen.

Unser Experte


Dipl.-Psych. Sebastian Jakobi
www.arbeitspsychologie-jakobi.de
Diplom-Psychologe Sebastian Jakobi ist auf Arbeits- und Organisationspsychologie spezialisiert. Zu seinen Schwerpunkten zählen die Analyse von psychischen Belastungen auf der Arbeit und die Entwicklung von Lösungsmöglichkeiten, um diesen vorzubeugen oder sie zu reduzieren.

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