Jan Rudnicki
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Trotz anhaltender Debatte um Equal Pay: Der Gender-Pay-Gap in Deutschland ist nach wie vor groß. Doch in welchen Branchen ist der Lohnunterschied zwischen Männern und Frauen besonders deutlich? Und gibt es Berufsgruppen, in denen Frauen mehr verdienen als ihre männlichen Kollegen?
Frauen verdienen häufig weniger als Männer. In Deutschland bekommen sie über alle Branchen hinweg im Median einen um 13,1 % geringeren Bruttostundenlohn als ihre männlichen Kollegen. Selbst für vergleichbare Tätigkeiten erhalten Frauen ein um 6,8 % geringeres Bruttogehalt.
Wir haben uns gefragt, in welchen Branchen der Gehaltsunterschied besonders hoch ausfällt: Welche Berufsgruppen sind am weitesten entfernt von Equal Pay? Und gibt es Branchen, in denen weibliche Berufstätige sogar ein höheres Gehalt bekommen als ihre Kollegen? Mithilfe unserer Datenbank haben wir ausgewertet, wie viel Frauen und Männer in verschiedenen Branchen und Berufsgruppen verdienen.
Unsere Angaben zum Gender-Pay-Gap unterscheiden sich etwas von anderen offiziellen Quellen. So betrug der unbereinigte Gap laut dem Statistischen Bundesamt (Destatis) für das Jahr 2022 rund 18 %, während wir auf einen Wert von 13 % kommen. Unsere Datengrundlage ist repräsentativ, allerdings nicht in Bezug auf die Verteilung aller Berufe in Deutschland, weshalb unsere Werte leicht abweichen.
Unsere Auswertung erlaubt es uns jedoch, einzelne Berufsgruppen, Branchen, Regionen etc. gezielter zu analysieren und so einen tieferen Einblick zu erhalten.
Ein Ergebnis sticht besonders ins Auge: Der unbereinigte Gender-Pay-Gap ist im Bankwesen am größten. Der Bruttostundenlohn der Frauen in dieser Branche fällt im Vergleich zu dem der Männer um 23,4 % geringer aus.
Einer der branchenübergreifenden Gründe für die klaffende Lücke in der Bezahlung ist der Umstand, dass Frauen seltener Führungspositionen innehaben als Männer. Zudem arbeiten Frauen öfter in Teilzeit.
Doch auch ein Blick auf den bereinigten Gender-Pay-Gap, der diese Faktoren berücksichtigt, zeigt: Die geschlechtsspezifischen Gehaltsunterschiede sind in vielen Branchen enorm. Besonders in den Bereichen Medizintechnik und Telekommunikation verdienen Frauen bei vergleichbarer Tätigkeit allein aufgrund ihres Geschlechts deutlich weniger als ihre männlichen Kollegen.
In diesen fünf Branchen klafft im Median die größte Lohnlücke zwischen den Geschlechtern:
Bruttomediangehalt: | Bruttomediangehalt der Frauen: | Bruttomediangehalt der Männer: | Unbereinigter Gender-Pay-Gap: | Bereinigter Gender-Pay-Gap: |
---|---|---|---|---|
57.600 € | 49.100 € | 64.100 € | -23,4 % | -8,7 % |
Frauenanteil in der Datenauswertung: 38 %
Bruttomediangehalt: | Bruttomediangehalt der Frauen: | Bruttomediangehalt der Männer: | Unbereinigter Gender-Pay-Gap: | Bereinigter Gender-Pay-Gap: |
---|---|---|---|---|
45.300 € | 40.600 € | 52.500 € | -22,8 % | -8,7 % |
Frauenanteil in der Datenauswertung: 50 %
Bruttomediangehalt: | Bruttomediangehalt der Frauen: | Bruttomediangehalt der Männer: | Unbereinigter Gender-Pay-Gap: | Bereinigter Gender-Pay-Gap: |
---|---|---|---|---|
53.900 € | 46.400 € | 59.700 € | -22,3 % | -8,3 % |
Frauenanteil in der Datenauswertung: 40 %
Bruttomediangehalt: | Bruttomediangehalt der Frauen: | Bruttomediangehalt der Männer: | Unbereinigter Gender-Pay-Gap: | Bereinigter Gender-Pay-Gap: |
---|---|---|---|---|
46.300 € | 38.900 € | 49.200 € | -20,8 % | -9.8 % |
Frauenanteil in der Datenauswertung: 28 %
Bruttomediangehalt: | Bruttomediangehalt der Frauen: | Bruttomediangehalt der Männer: | Unbereinigter Gender-Pay-Gap: | Bereinigter Gender-Pay-Gap: |
---|---|---|---|---|
47.000 € | 40.900 € | 51.400 € | -20,4 % | -9,8 % |
Frauenanteil in der Datenauswertung: 41 %
Der bereinigte Gender-Pay-Gap wiederum setzt alle wichtigen Faktoren gleich, mit Ausnahme des Geschlechts, sodass nur gleichqualifizierte Frauen und Männer miteinander verglichen werden. So sagt der bereinigte Gender-Pay-Gap aus, wie viel Frauen bei gleicher Arbeit nur aufgrund ihres Geschlechts weniger verdienen.
Ein Blick auf unsere Datensätze zeigt: Frauen verdienen in keiner Branche mehr als Männer. Vereinzelte Branchen weisen lediglich eine vergleichsweise geringe Lohnlücke auf. So fällt der unbereinigte Gender-Pay-Gap im Bereich Transport und Logistik mit -3,2 % deutlich kleiner aus als in anderen Branchen.
Auffällige Ergebnisse liefert der Blick auf einzelnen Unterdisziplinen der Berufsgruppen: Im Bereich Rezeption ist das Bruttomediangehalt der Frauen höher als das der Männer. Zudem liegt der Frauenanteil hier bei 77 %. Daten zum Gender-Pay-Gap in konkreten Berufen bestätigen zudem: Empfangsmitarbeiterinnen verdienen im Median mit einem Bruttojahresgehalt von 30.000 € rund 8 % mehr als ihre männlichen Kollegen mit 27.900 €. Ein ähnliches Bild zeigt sich bei Raumausstatter*innen (13 % mehr) und Assistent*innen (6 % mehr). Auffällig ist jedoch, dass diese Berufe und Branchen oft niedrigere Bruttomediangehälter aufweisen.
Dabei spielen kulturelle Einflüsse auf den Gender-Pay-Gap eine zentrale Rolle: Klassische Rollenklischees prägen auch heute noch den Arbeitsmarkt. Während der Frauenanteil in Bereichen wie Pflege und Assistenz mit 72 % und 94 % besonders hoch ist, gilt beispielsweise der IT-Bereich mit einem Frauenanteil von 11 % noch immer als Männerdomäne. Die Bezahlung in typischen Frauenberufen fällt in der Regel schlechter aus.
Damit Frauen die Lohnlücke auch in Branchen schließen können, in denen der Gender-Pay-Gap größer ausfällt, rät Juristin Prof. Dr. Alexandra Wuttig im Gespräch mit dem MDR: „Hausaufgaben machen: Rausfinden, wie viel man im anvisierten Job verdient. Ist man einmal unten eingruppiert, ist der Aufstieg schwer.“
Zu diesem Zweck können sich Jobanwärterinnen bei männlichen Kollegen umhören – oder sie nutzen einfach den Stepstone Gehaltsplaner. Damit verschaffen sie sich vor Vorstellungsgesprächen oder Gehaltsverhandlungen schnell einen Überblick darüber, wo ihr aktueller Marktwert und wo der Branchendurchschnitt liegt.
Inzwischen sind auch Arbeitgeber und Politik unter Zugzwang: Eine geplante EU-Richtlinie sieht beispielsweise vor, dass Unternehmen künftig Informationen zur bereinigten Gehaltslücke offenlegen. Arbeitgeber müssten dann nachweisen, dass keine gehaltsbezogene Diskriminierung vorliegt, so Ökonomin Henrike von Platen im Gespräch mit dem Handelsblatt. Das Europäische Parlament hat im April 2022 beschlossen, Verhandlungen mit den Regierungen der Europäischen Union über verbindliche Maßnahmen zur Lohntransparenz aufzunehmen.
Der Gender-Pay-Gap entsteht durch eine Vielzahl von Faktoren, darunter geschlechtsspezifische Diskriminierung am Arbeitsplatz, ungleiche Beförderungschancen, ungleicher Zugang zu Ausbildung und Fortbildung sowie traditionelle Geschlechterrollen und -erwartungen.
Der Gender-Pay-Gap hat weitreichende Auswirkungen auf individueller, wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Ebene. Individuell führt er zu finanzieller Ungerechtigkeit, da Frauen weniger verdienen und dadurch ein niedrigeres Einkommen und eine geringere Altersvorsorge haben. Auf wirtschaftlicher Ebene wirkt sich der Gender-Pay-Gap negativ auf das Bruttoinlandsprodukt aus, da er das volle Potenzial des Arbeitskräftepotenzials nicht ausschöpft. Auf gesellschaftlicher Ebene verstärkt er bestehende Ungleichheiten und trägt zur Aufrechterhaltung von Geschlechterstereotypen bei.
Um den Gender-Pay-Gap zu verringern, werden verschiedene Maßnahmen ergriffen, darunter Gesetze und Vorschriften zur Förderung der Lohngleichheit, wie beispielsweise das Verbot der geschlechtsspezifischen Diskriminierung am Arbeitsplatz.
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