Portrait-Bild Claudia Müller

Eine Gehaltsverhandlung durchziehen? Wie unangenehm! Viele Frauen tun sich schwer damit, offensiv mehr Geld im Job zu fordern. Dabei ist es gar nicht so schwer, sich ein bisschen Verhandlungsgeschick anzutrainieren. Die Ökonomin Claudia Müller von der Weiterbildungsplattform Female Finance Forum erklärt, wie man das Unbehagen vor der Verhandlung verliert und mit welchen Tipps man das Gespräch selbstbewusst und erfolgreich durchzieht.

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Ist es nur ein Klischee oder tun sich Frauen mit Gehaltsverhandlungen wirklich schwerer als Männer?

Claudia Müller: Das ist leider kein Klischee, sondern Realität und liegt an unserer Sozialisierung. Frauen wird beigebracht, rücksichtsvoll zu sein und sich zurückzunehmen. Frauen verhandeln ihr Gehalt deshalb seltener als Männer. Überspitzt gesagt: Frauen dürfen in unserer Gesellschaft zwar gern viel Geld ausgeben, zum Beispiel für schöne Kleider, es aber nicht selbst einfordern. Wenn sie von diesem Rollenbild abweichen, wird das als Irritation wahrgenommen. Deshalb werden Frauen schnell als unsympathisch und zu forsch abgestempelt, wenn sie mehr Gehalt fordern. Das heißt: Wenn Frauen genauso häufig und gut verhandeln wie Männer, bekommen sie deutlich seltener die geforderte und verdiente Gehaltserhöhung.

Wenn du nichts forderst, bekommst du genau das: nichts!

Welcher Tipp kann dabei helfen, das Unbehagen vor der Gehaltsverhandlung zu verlieren?

Wenn du nichts forderst, bekommst du genau das: nichts! Wie bei vielen unbehaglichen Situationen haben wir meistens mehr Angst vor der Angst als vor der Situation selbst. Verhandlungsgeschick kann man aber üben. Auf das Gespräch selbst kannst du dich mit gutem Training vorbereiten: Spiele das Verhandlungsgespräch mit Freunden und Freundinnen, in der Familie oder mit einer Coachin durch. Dadurch lernst du, selbstbewusst in der Gesprächssituation aufzutreten und trainierst, spontan auf die Reaktion deines Gegenübers zu reagieren. Es hilft auch, sich Sätze zurechtzulegen, die als „Anker“ dienen können – zum Beispiel so etwas wie „darüber muss ich nachdenken“, wenn du nicht sofort zusagen möchtest.

Wie bereitet man sich auf eine Gehaltsverhandlung am besten vor?

Die gute Vorbereitung ist vielleicht noch wichtiger als das Gespräch selbst. Es ist immer wieder hilfreich, das Gehalt in deiner Branche zu recherchieren oder in einigen Fällen auch mit Kolleg*innen darüber sprechen. Diese Infos findest du auf gängigen Plattformen (hier geht es zum aktuellen Stepstone Gehaltsreport 2024, Anmerkung der Redaktion). Außerdem solltest du ein Erfolgstagebuch führen: Welche Projekte hast du geleitet, an welchen Erfolgen hast du mitgearbeitet? Konkrete Zahlen sprechen eine klare und überzeugende Sprache. Und setz dir klare Ziele und Zahlen, die du forderst und leg auch für dich fest, wo deine „rote Linie“ liegt, was für dich also die absolute Untergrenze bei einem Angebot darstellt.

Überlege dir auch, wie dein Gegenüber tickt: Ist dein Chef oder deine Chefin eher ein Beziehungsmensch und mag Smalltalk oder sitzt dir ein „Daten-Zahlen-Fakten-Mensch“ gegenüber? Je nachdem solltest du deine Strategie anpassen. Außerdem solltest du auf deine Sprache achten. Verzichte auf den Konjunktiv, kein hätte, könnte, würde und auch bitte kein „vielleicht“ benutzen.

Ein sicheres, selbstbewusstes Auftreten und die Überzeugung „ich habe es verdient!“ sollten die Begleiter im Gespräch sein.

Zu guter Letzt: Einen Plan B zu haben für den Fall, dass das Gegenüber abblockt, kann die Gelassenheit und das Selbstbewusstsein im Verhandlungsgespräch enorm stärken. Wenn du zwischendurch Bewerbungen an andere Arbeitgeber schickst, kannst du deinen Marktwert besser einschätzen und hast im Ernstfall Auswahlmöglichkeiten.

Welche Strategie beim Gehaltsgespräch ist sinnvoller – direkt Forderungen stellen oder abwarten, bis das Gegenüber ein Angebot macht?

Auch hier gilt, sich einmal zu fragen: Wer sitzt dir gegenüber? Chef*innen sind individuell unterschiedlich, bei einigen ist es sinnvoll, direkt über das Eingemachte zu reden – andere benötigen zuerst etwas „Beziehungsarbeit“. Du solltest deine Strategie dementsprechend anpassen.

Natürlich hast du dir bei deiner Vorbereitung genau überlegt, wie eine akzeptable Gehaltsspanne für dich aussieht. Wichtig dabei ist: Nenne die Spanne nicht, sonst wird das Gegenüber vermutlich die niedrigste Anfangssumme als Verhandlungsbasis nutzen. Bringe stattdessen eine konkrete Summe ins Spiel, die idealerweise in der Mitte oder im oberen Drittel deiner Gehaltsspanne angesiedelt ist. Wenn du erstmal eine Zahl sagst, ist die „gesetzt“ und darauf basierend wird verhandelt.

Tipp:

Nenn keine Gehaltsspanne, sondern bring eine konkrete Summe ins Spiel, die idealerweise in der Mitte oder im oberen Dritte deiner Gehaltsspanne angesiedelt ist.

Welche Argumente sollte man in einer Gehaltsverhandlung unbedingt parat haben?

Um gute Argumente zu nennen, ist es sinnvoll, deine Leistungen im Job ganz klar benennen zu können. So kannst du leicht begründen, warum du einen tollen Job machst und eine Gehaltserhöhung verdient hast. Falls deine ganze Vorbereitung und überlegten Argumente trotzdem nicht erfolgreich sind, kannst du überlegen, welche Anreize statt mehr Geld für dich interessant sein könnten. Gibt es Weiterbildungsangebote, die dich interessieren, hättest du gern zusätzliche Urlaubstage? Ist vielleicht ein Dienstfahrrad- oder Auto drin?

Welche häufigen (Frauen-)Fehler sollte man in einer Gehaltsverhandlung vermeiden?

Grundsätzlich gilt, unabhängig vom Geschlecht: Tritt selbstbewusst auf und sei dir deines Wertes bewusst. Noch ein kleiner Tipp: lerne, Schweigen auszuhalten. Erst nach elf Sekunden Schweigen wird es in einem Gespräch richtig unangenehm. Ein paar Sprech- und Denkpausen gehören bei solchen Gesprächen einfach dazu. Du solltest diese Pausen aushalten können und nicht gleich nachgeben oder einlenken, damit du an dein avisiertes Ziel kommst.

Geld ist emotional. Wie viel Gefühl gehört in eine Gehaltsverhandlung – darf man private Umstände erwähnen, die eine Gehaltserhöhung erfordern, zum Beispiel ein geplanter Immobilienkauf für die Familie oder die schwierige berufliche Situation des oder der Partner*in?

Ganz entscheidend ist, welche Beziehung man zum Gegenüber pflegt. Das ist sehr individuell. Als Führungskraft ist es die Aufgabe, ein Ohr für die Belange deiner Mitarbeitenden zu haben und dafür Verständnis zu zeigen. Als Mitarbeiter oder Mitarbeiterin sollte man das allerdings nicht ausnutzen und instrumentalisieren. Wenn du ein wichtiges oder existentielles Anliegen hast, besprich das besser in einem anderen Kontext mit dem oder der Vorgesetzten, als es in der Gehaltsverhandlung zum ersten Mal zu erwähnen.

Bei dieser Frage zeigt sich meiner Meinung nach auch die unterschiedliche Messlatte in unserer Gesellschaft: Männer, die nach mehr Geld fragen, weil sie zum Beispiel eine Familie gründen wollen, werden positiv als Familienmenschen wahrgenommen und dafür wertgeschätzt. Wenn eine Frau eine Familie gründet, dann steht eher die Frage im Raum, ob das jetzt „das Ende der Karriere“ bedeutet. In jedem Fall wird sie nicht im gleichen Maß gefeiert, schon gar nicht mit einer Gehaltserhöhung. Die Frage, wie viel Emotionalität in einer Verhandlung angemessen ist, hängt also von deinem Gegenüber ab – und von deinem Geschlecht.

Welchen Anteil hat die weibliche Unlust auf Verhandlungen am Gender-Pay-Gap?

Wenn wir von „Unlust auf Gehaltsverhandlungen bei Frauen“ sprechen, dann klingt das so, als wären wir Frauen selbst dran schuld. Das ist natürlich nicht so! Den größeren Anteil am Gender-Pay-Gap hat die Tatsache, dass Arbeitgeber ihren weiblichen Mitarbeiterinnen weniger Gehalt zahlen als ihren männlichen Kollegen, und dass das Gehalt in Branchen, in denen viele Frauen arbeiten, tendenziell niedriger ist. Der Fokus sollte also eigentlich nicht darauf liegen, Frauen Verhandlungstrainings zu geben; der Fokus sollte auf einer Anpassung der Gehälter liegen.

Claudia Müller

Die Ökonomin und Buchautorin Claudia Müller gründete und leitet seit 2017 das Female Finance Forum, das Frauen im Umgang mit Geld und nachhaltigen Investitionen weiterbildet. Die Angebote des Female Finance Forums richten sich insbesondere an Arbeitgeber oder Bildungseinrichtungen, die damit Gleichstellung in ganz neuen Bereichen leben und dem Fachkräftemangel entgegenwirken können. Claudia wurde vom Focus Magazin unter die 100 Frauen des Jahres 2020 gewählt. Zudem hat das Female Finance Forum 2023 den 3. Platz des Finanzblog Awards der comdirect gewonnen.

FAQs - Häufig gestellte Fragen

Welche Rolle spielen Selbstbewusstsein und Selbstpräsentation in Gehaltsverhandlungen für Frauen?

Unabhängig vom Geschlecht ist es sehr wichtig, in einem Gehaltsgespräch selbstsicher aufzutreten. Natürlich ist die Situation ein wenig aufregend, aber man kann sich sehr gut auf so ein Gespräch vorbereiten – zum Beispiel, indem man sämtliche Job-Erfolge verinnerlicht oder das Gespräch mit Freunden vorher übt.

Welche spezifischen Herausforderungen gibt es für Frauen in Gehaltsverhandlungen und wie kann man ihnen begegnen?

Frauen, die hart verhandeln, gelten schnell als zu forsch oder unsympathisch. Es passt nicht ins gesellschaftliche Rollenbild einer Frau, Geld proaktiv einzufordern. Von solchen Klischees darf man sich jedoch nicht verunsichern lassen: Wer nichts fordert, kann nicht gewinnen.

Welche Fehler sollten vermieden werden, um eine erfolgreiche Gehaltsverhandlung als Frau zu führen?

Niemals eine Gehaltsspanne nennen, sondern höher „pokern“. Wer mit einer Minimalforderung einsteigt, wird sich schwertun, nachzuverhandeln. Und: Lernen, das Schweigen auszuhalten – man muss in einer Verhandlung nicht immer sofort antworten.

Gibt es bestimmte Studien oder Statistiken, die Einblicke in geschlechtsspezifische Gehaltsunterschiede bieten und wie kann man sie nutzen?

Der Gender-Pay-Gap in Deutschland ist immer noch eklatant – das heißt, dass Männer und Frauen sehr unterschiedlich verdienen. Für die Vorbereitung auf eine Gehaltsverhandlung ist es wichtig, den Marktwert einer Job-Position zu kennen sowie ein Angebot daraufhin prüfen zu können, ob das Angebot fair ist. In welchen Branchen wie bezahlt wird, zeigt zum Beispiel der Stepstone Gehaltsreport 2024.

 

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