Nick Marten
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Sich mit einer Idee selbstständig machen, ein eigenes Unternehmen gründen oder doch lieber als Angestellte*r für eine Firma arbeiten? Der 21-jährige Charles Bahr kennt beide Seiten. Im Alter von 14 Jahren gründete Charles sein erstes Unternehmen. Die Rolle als Gründer verließ er zwischenzeitlich für einen Perspektivwechsel. Für anderthalb Jahre war der Hamburger ein Mitarbeiter der Social Media Plattform TikTok. Wir haben mit Charles gesprochen. Über die Vor- und Nachteile beider Modelle sowie über Selbstbestimmung und den vermeintlichen Irrtum der ‚Work-Life-Balance‘.
Charles Bahr (*26. Februar 2002) ist Gründer, Vortragsredner und sieht sich als Botschafter der Generation Z. In seiner Rolle als selbstständiger Berater möchte er Unternehmen der eigenen Generation näherbringen, insbesondere im Kontext von Social Media Marketing. Bereits im Alter von 14 Jahren gründete der Hamburger seine erste eigene Agentur. Seitdem setzt er sich als Übersetzer zwischen den Generationen ein.
Charles, wie bist du auf die Idee gekommen, bereits mit 14 Jahren dein eigenes Unternehmen zu gründen?
„Zu der Zeit, zu der ich gegründet habe, hat sich Social Media zu einer ernstzunehmenden Disziplin im Marketing entwickelt. Gemeinsam mit zwei Schulfreunden habe ich beobachtet, dass immer mehr Unternehmen Werbung für die junge Generation in Social Media machen. Kaum jemand von denen fragte aber junge Menschen, was sie bewegt und interessiert. Wir haben dann die Generation Z im professionellen Umfeld vertreten und Unternehmen beraten.“
Und die frühe Selbstständigkeit war der einzige Weg, das zu tun?
„Die Selbstständigkeit war das einzige Tool, was mir und uns den Weg ins Berufsleben ebnen konnte. Die Alternative wären Schülerpraktika gewesen. In diesem Rahmen hätte ich aber nie eine langfristigere Perspektive für mich aufbauen können. Mit der Unterstützung von meinen Eltern konnte ich dann meine eigene Firma gründen. Ich habe mit einem Startkapital von 300 Euro losgelegt. Das war das Geld, das ich zu meiner Konfirmation bekommen habe.“
Was würdest du als größte Herausforderungen der Selbstständigkeit beschreiben?
„Allgemein und speziell für Menschen unter 18 Jahren ist es in Deutschland unglaublich schwierig zu gründen. Während wir uns einerseits Ideen und Innovationen von jungen Menschen wünschen, wird uns andererseits die Gründung eines Unternehmens sehr schwer gemacht. Meine größten persönlichen Herausforderungen sind die Selbstorganisation und Disziplin. Speziell, weil jeder Arbeitstag anders aussieht.“
Welche Vorteile siehst du in der Selbstständigkeit?
„Die Flexibilität und Selbstbestimmung sind ein großer Vorteil der Selbstständigkeit. Mein Wochenende ist meistens nicht Samstag und Sonntag, sondern in dieser Woche etwa Montag und Donnerstag. Diese Freiheit zu haben ist ein wichtiges Merkmal der Selbstständigkeit und auch ein mentaler Ausgleich für mich.“
Im Sommer 2020 hast du dich trotzdem erstmals einem Unternehmen angeschlossen und dich als Brand Partnership Manager bei TikTok anstellen lassen.
„Ich kann mich noch an den Abend vor meinem ersten Arbeitstag als Angestellter erinnern. Das war für mich sehr emotional. Das war der Beginn einer neuen Etappe. Und ich habe mich gefragt, ob es der richtige Weg ist, mich einem großen Unternehmen wie TikTok anzuschließen. Zum Glück habe ich schnell gemerkt, dass auch innerhalb einer so großen Organisation (Anm. d. Red: TikTok hat weltweit über 10.000 Mitarbeitende) meine Stimme gehört wird und ich Dinge bewegen kann. Solange das gegeben ist, ist es fast zweitrangig, ob ich angestellt oder selbstständig bin. Für mich persönlich ist es wichtig, dass ich die Generation Z vertreten und ihr Gehör verschaffen kann – ob selbstständig oder angestellt spielt dabei eine untergeordnete Rolle.“
Welche Unterschiede hast du zwischen Anstellung und Selbstständigkeit festgestellt?
„Das lässt sich gut mit der Metapher eines Schiffs beschreiben. In größeren Unternehmen gibt es viele Kapitäne, auf vielen unterschiedlichen Decks. Ich wage zu behaupten, dass viele gar nicht so richtig wissen, wer das große Schiff steuert. Ein Vorteil ist aber, dass das Schiff seefest ist und das ein oder andere Hindernis überwinden kann. Als Selbstständiger sitze ich zwar in einem Speedboat und steuere selbst, dafür kommt aber auch mal schneller Wasser ins Boot und der Respekt vor einem Sturm ist umso größer.“
Welche Vorteile siehst du in der Rolle als Angestellter?
„Meine Zeit als Angestellter war super aufregend. Ich hatte sehr viele Freiräume und konnte mich ausleben. Ich habe außerdem komplett genossen, dass ich auf einmal ein Wochenende hatte. Meine grundsätzliche Motivation war aber gar nicht so anders. Wenn ich bei einer Firma angestellt bin, deren Werte ich vertrete, dann fällt es mir leicht mich zu motivieren. In der Selbständigkeit ist der Übergang zwischen Arbeits- und Auszeit relativ fließend. Die Abgrenzung ist in der Rolle als Angestellter tendenziell etwas einfacher.“
Das hört sich nach einer besseren Work-Life-Balance für Angestellte an?
„Work-Life-Balance ist für mich das größte Unwort der Millennial-Generation. Es gibt keinen Begriff, der so überdiskutiert wurde. Ich würde behaupten, dass es gar keine Work-Life-Balance gibt. Für mich stellt sich eher die Frage, wie viel ‚Life‘ in meinem Arbeitsleben steckt. Wenn ich weiß, dass ich mich im Rahmen meiner Arbeit nicht verstellen oder verstecken muss, ist eine innere Ausgeglichenheit einfach zu erreichen. Die eigenen, persönlichen Werte auch im Job ausleben zu können – das führt für mich zu einer guten Balance.“
Heute bist du wieder als selbstständiger Berater tätig. Ist der Charles Bahr der Zukunft selbstständig oder angestellt?
„Nicht untätig – das ist mal klar! Ich möchte definitiv nicht ausschließen, dass ich noch mal für ein Unternehmen arbeite. Ich schaue was auf mich zukommt. Das forcierte Suchen nach einem Arbeitgeber ist für mich gleichbedeutend mit einem ‚Gründen, nur um zu gründen‘. Ich möchte, dass künftig nicht mehr Menschen über die Zukunft der jungen Generation entscheiden, die diese Zukunft womöglich gar nicht mehr selbst miterleben werden.“ Ich möchte die Stimme einer jüngeren Generation in Wirtschaft und Gesellschaft stärken. Die Frage ist für mich deswegen eher ‚Wie kann ich meine Mission erreichen?‘ – ich wähle einfach das Arbeitsmodell, das mich zum Ziel bringt.“
Schritt 1: Die eigene Idee validieren. Im Freundes- und Bekanntenkreis hilft es etwa, eine ehrliche Einschätzung zur Idee einzuholen. Ist meine Idee wirklich so genial, wie ich es mir erträume? Gibt es überhaupt ein Bedürfnis am Markt dafür? Diese Fragen sollte man sich sicherlich vor einer Gründung oder Selbstständigkeit stellen. Vor dem Sprung ins kalte Wasser ist es ratsam, eine Idee zu verproben und zu vertesten. Nicht nur mit den Menschen da draußen, sondern auch für einen selbst. Kann ich mir wirklich vorstellen, dass ich mit voller Überzeugung an meiner Idee arbeite?
Schritt 2: Sicherheiten schaffen. Habe ich mir vor dem Schritt in die Selbstständigkeit schon finanzielle Rücklagen aufgebaut oder kann ich das tun? Finanzielle Sicherheit schafft zusätzliches Selbstbewusstsein. Welche Maßnahmen kann ich ergreifen, wenn ich mit meiner Selbstständigkeit nicht direkt durchstarte und trotzdem meine Miete bezahlen muss?
Schritt 3: Den eigenen Antrieb finden. Mach die Augen zu und stell dir den für dich coolsten Job vor. Siehst du dich als Angestellte*r im Unternehmen oder als Gründer*in? Was treibt dich an? Natürlich sollte man sich auch bewusst machen, dass es als Gründer*in dann Tage geben wird, an denen man eben nicht wissen wird, wie es weitergeht und dass man mit dieser Form der Ungewissheit und einem tendenziell höheren Stresslevel lernen muss, umzugehen.
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