Verena Feldmann
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Design Thinking ist eine populäre Methode, um in verschiedenen Lebens- und Arbeitsbereichen innovative Lösungen für ein Problem zu entwickeln. Dabei steht die Kundenperspektive von Anfang an im Fokus. Warum das so besonders ist, wie Design Thinking genau funktioniert und welche Probleme sich damit (nicht) lösen lassen, verraten wir dir in diesem Artikel.
Grundsätzlich wird Design Thinking als Methode bezeichnet, um komplexe Probleme zu lösen und innovative Ideen zu generieren. Doch diese knappe Beschreibung greift viel zu kurz. Bei Design Thinking geht es vielmehr um eine Denk- und Betrachtungsweise, welche den Menschen bzw. Nutzer*innen oder Kund*innen jederzeit ins Zentrum aller Arbeitsschritte stellt – anders als bei anderen Herangehensweisen, bei denen es oft vor allem um Wirtschaftlichkeit oder Technologie geht. Design Thinking geht davon aus, dass die besten Lösungen nämlich genau an der Schnittstelle zwischen Mensch, Wirtschaft und Technologie entstehen – dann nämlich sind diese machbar, erwünscht und wirtschaftlich.
Klingt abstrakt, wird aber vielleicht etwas klarer, wenn man sich das Ziel von Design Thinking anschaut: nämlich, die richtige Lösung bzw. die richtige Idee für das richtige Problem zu finden. Vor allem Letzteres ist wichtig, da bei der Arbeit an Ideen und Lösungen oftmals völlig falsche Annahmen direkt zu Beginn getroffen werden. Diese basieren auf eigenen Erfahrungen und Erwartungen und nicht auf denen der eigentlichen Zielgruppe. Beim Design Thinking wird darum zuerst viel Zeit darauf verwendet, die Zielgruppe und deren Sicht auf das Problem zu verstehen und klar zu benennen, bevor an Lösungen gearbeitet wird und diese anschließend getestet werden.
Seinen Ursprung hat Design Thinking in der namensgebenden Design-Branche. Der im Anfang des 19. Jahrhunderts vom Weimarer Bauhaus etablierte Ansatz „form follow function“ wurde von verschiedenen Professor*innen der Standford University aufgegriffen und weiterentwickelt, um innovative Dienstleistungen und Produkte zu entwickeln, die das tatsächliche Bedürfnis von Kund*innen erfüllen sollten. Heute kann nahezu jedes Problem mit Design Thinking bearbeitet werden. In der Arbeitswelt werden damit bspw. neue (Online-)Services für Kund*innen entwickelt, neue Geschäftsfelder erschlossen oder Teams und sogar ganze Unternehmen umstrukturiert.
Design Thinking ist ein agiler Prozess, der mehrere Wochen dauert und bei dem sich die einzelnen Arbeitsschritte auch wiederholen (können). Ob und welches Ergebnis dabei am Ende herauskommt, ist nicht immer klar und schon gar nicht, ob dieses Ergebnis den ursprünglichen Wünschen des Auftraggebers entspricht. Damit Design Thinking funktioniert, ist es darum wichtig, dass sich einerseits alle Beteiligten über diese Ergebnisoffenheit im Klaren sind, und andererseits, dass gewisse Voraussetzungen erfüllt sind. Dabei sind vor allem drei Faktoren wichtig: das Team, der Raum und der Prozess.
Wie weiter oben bereits erwähnt, können sich eine oder mehrere Phasen bzw. Arbeitsschritte bei Design Thinking mehrmals wiederholen, bis das gewünschte Ergebnis erreicht ist – die Rede ist dann von einem iterativen Prozess. Manchmal ergibt sich auch erst später im Prozess, dass ein eingeschlagener Weg nicht der richtige gewesen ist, so dass nicht nur die letzte Phase, sondern gleich mehrere Schritte wiederholt werden müssen.
In der ersten Phase geht es darum, die Ausgangssituation zu analysieren sowieein gemeinsames Verständnis des Problems und der tatsächlichen Bedürfnisse der Zielgruppe zu schaffen. Hilfreich sind dabei verschiedene Tools zur Zielgruppenanalyse, beispielsweise die Entwicklung von Personas, die Auswertung von Customer Journeys oder das Führen von Expert*inneninterviews. An Letzteres knüpft auch der Punkt „Beobachten“ an, bei dem es darum geht, Kund*innen und/oder Nutzer*innen tatsächlich zu beobachten bzw. kennenzulernen, ohne allerdings dabei wertend oder steuernd einzugreifen – das Zuhören steht hier im Fokus.
Oftmals werden die Punkte „Verstehen“ und „Beobachten“ sogar als getrennte Phasen behandelt, so dass sechs Phasen entstehen. Da aber beide Punkte sich mit der Analyse der Ausgangssituation und des Problems befassen, haben wir beides zu einer Phase zusammengefasst.
Aus den vielen verschiedenen Beobachtungen der ersten Phase wird in der zweiten Phase ein gemeinsamer zentraler Standpunkt entwickelt. Dieser beschreibt den*die ideale*n Kund*in bzw. die Zielgruppe und welche Bedürfnisse diese hat, die durch die folgenden Schritte erfüllt werden sollen. Dafür ist ein intensiver Austausch der einzelnen Teammitglieder zum tatsächlich Gesagten und Gehörten, aber auch zu (nicht eindeutig gesagten) Zwischentönen und Emotionen entscheidend. Gerade bei nonverbalen Signalen gibt es viel Interpretationsspielraum. Haben einzelne Teammitglieder unterschiedliche Einschätzungen zu verschiedenen Punkten, kann das ein Hinweis darauf sein, wo eventuell noch einmal gezielt nachgearbeitet werden muss.
Bei der dritten Phase ist alles erlaubt. Es sollen so viele Ideen wie möglich zu dem Problem und dem zuvor definierten Standpunkt entwickelt werden. Dafür sind verschiedene Kreativitätstechniken und Brainstorming-Methoden geeignet. Teil dieser Methoden ist auch immer, die zuerst wild und wertungsfrei gesammelten Ideen anschließend zu sortieren und zu bewerten, so dass am Ende nur noch die vielversprechendsten Ideen überbleiben.
In der vierten Phase werden die Ideen mithilfe eines Prototyps visualisiert. Ideen für greifbare Produkte können beispielsweise mit Lego oder Knete gebaut oder einfach gezeichnet werden. Für digitale Entwicklungen können einfache Apps oder Wireframes mit den wichtigsten Funktionen (sogenannte Klickdummys) gebaut werden. Andere Ideen lassen sich besonders gut über Rollenspiele testen.
Wichtig: Ein Prototyp ist nur ein erster, grober Entwurf und muss darum weder perfekt noch vollständig sein.
In der letzten Phase wird der Prototyp ausgewählten zukünftigen Nutzer*innen bzw. Kund*innen zur Verfügung gestellt. Diese sollen den Prototyp testen und Feedback geben, was bereits gut läuft und was noch verbessert werden muss. Die einfachste Form des Testens ist das reine Beobachten von Kund*innen beim Umgang mit dem Prototyp, aber auch eine Präsentation mit anschließend Feedback kann geeignet sein. Digitale Ideen werden häufig mit sogenannten User-Tests oder als A/B-Test überprüft.
Je nach Art des Feedbacks kann an dieser Stelle der Prozess des Design Thinkings direkt abgeschlossen sein: Eine Idee wurde als optimal bewertet und kann nun in die konkrete Umsetzung gehen. Gibt es noch etwas zu verbessern oder fällt eine Idee komplett durch, wird zu einer der vorherigen Phasen zurückgegangen.
So beliebt Design Thinking zur Ideenfindung und Problemlösung auch ist: Die Methode hat auch ihre Grenzen und Kritiker*innen sagen sogar, dass mit Design Thinking die ganz großen Innovationen ausbleiben, da es immer nur um (kleine) Verbesserungen und neue Angebote für Kund*innen geht. Welche Vor- und Nachteile bzw. Stärken und Schwächen hat die Methode also und für welche Fragestellungen ist sie (nicht) geeignet?
Es werden schnell viele Ideen generiert.
Vielfältige Perspektiven führen zu vielfältigen Ideen.
Bedürfnisse der Zielgruppe stehen im Fokus.
Erste Ergebnisse werden schnell auf Sinnhaftigkeit überprüft und ggf. verbessert.
Hohe Akzeptanz bei Kund*innen und in Unternehmen, da alle von Anfang an einbezogen werden.
Ergebnisoffen.
Ergebnisse entsprechen eventuell nicht der ursprünglichen Vorstellung des Auftraggebers.
Methode muss von allen verinnerlicht sein, um unerwartete Lösungen zuzulassen.
Für große Gruppen ungeeignet.
Manchmal zu starke Fokussierung auf den Fokus Mensch und Vernachlässigung der Machbarkeit und Wirtschaftlichkeit.
Für sehr komplexe, technische Probleme meist nicht geeignet.
Design Thinking ist die ideale Methode, wenn es um die Neu- oder Weiterentwicklung von bestimmten Produkten und Dienstleistungen, aber auch Teams und Unternehmen geht. Zwei große Stärken dieser Methode sind die Berücksichtigung unterschiedlichster Perspektiven und dass von Anfang an eng an der Zielgruppe gearbeitet wird. Damit Design Thinking jedoch zum Erfolg führt, müssen die Rahmenbedingungen stimmen. Alle Beteiligten müssen unerwartete Ideen zulassen und bereit sein, eigene Erwartungen und Erfahrungen zurückzustellen. Das gilt sowohl für die Mitarbeiter*innen, die den Prozess durchlaufen, als auch für den*die Chef*in oder den*die Kund*in, der*die den Arbeitsauftrag erteilt.
Was so einfach klingt, fällt vielen oft schwerer als gedacht. Umso wichtiger ist es, sich im Vorfeld mit der Methode Design Thinking vertraut zu machen. Häufig geschieht das über Workshops und Trainings. Dabei ist es wichtig, dass das Training sich nicht allein auf den Faktor Mensch im Prozess des Design Thinkings konzentriert, sondern auch die beiden Punkte Machbarkeit und Wirtschaftlichkeit berücksichtigt. Schließlich ist am Ende niemandem damit geholfen, wenn ein Produkt zwar die Kundenbedürfnisse erfüllt, aber schlicht nicht umsetzbar oder zu teuer ist.
Design Thinking ist vor allem für Fragestellungen geeignet, bei denen für Kund*innen im weitesten Sinne gearbeitet wird – beispielsweise bei der (Weiter-)Entwicklung eines Produkts oder einer Dienstleistung. Auch die Umstrukturierung von Teams und Unternehmen ist mit Design Thinking möglich.
Design Thinking stößt vor allem bei sehr komplexen technischen Problemen, bei denen ein sehr detailliertes Fachwissen notwendig ist, an seine Grenzen. Innerhalb des Prozesses werden Ideen außerdem nur bis zu einem gewissen Grad ausgearbeitet – geht es um Details, werden diese erst später geklärt. Gibt es bereits eine grobe Richtung für die Lösung eines Problems, die lediglich überprüft und verbessert werden soll, ist Design Thinking ebenfalls nicht die richtige Methode.
Bei Design Thinking handelt es sich um eine agile Methode mit mehreren Prozessschritten, die nicht linear nacheinander abgearbeitet werden, sondern innerhalb derer man vor- und zurückspringen kann. Da eine Idee innerhalb des Prozesses früh an der echten Zielgruppe getestet wird, kann Feedback kurzfristig berücksichtigt und eine Idee schnell angepasst werden, bevor zu viel Zeit und Arbeit in die Weiterentwicklung und Umsetzung geflossen ist. Diese Flexibilität bei kurzfristigen Veränderungen ist ein wichtiges Merkmal agiler Methoden.
Design Thinking findet in den unterschiedlichsten Unternehmen und Branchen Anwendung. Berühmte Beispiele sind Google, Bosch, Airbnb, Audi und Beiersdorf. Google hat Design Thinking als Alternative zu klassischem Brainstorming beispielsweise weiterentwickelt, um in kürzester Zeit (fünf Tagen) ein neues Produkt zu entwickeln oder ein bestehendes zu verbessern. Beiersdorf entwickelte in Zusammenarbeit mit SAP mithilfe von Design Thinking ein neues, intuitives Marktforschungstool.
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