Übersicht

#LessStressWeek: Vom Gefühl, nie fertig zu werden

Manche Mitarbeiter stehen immer unter Strom. Sie haben das Gefühl, dass die Arbeitszeit nie ausreicht, um ihren Aufgaben gerecht zu werden. Woran liegt das? Und welche Rolle spielen Führungskräfte dabei? Ein Beitrag zur #LessStressWeek von StepStone.

Ein Freund erzählte mir vor einigen Jahren von dem Chef dieser kleinen Werbeagentur, für die er damals arbeitete. Um 18.30 Uhr ging der Inhaber durch die Büroflure, schmiss alle Mitarbeiter raus und schloss die Tür ab. Er war der einzige, der einen Schlüssel hatte. Wer die „normalen“ Arbeitszeiten von Werbeagenturen kennt, weiß, dass dieses Verhalten eher ungewöhnlich ist.

Irgendwann muss Schluss sein – oder?

In Zeiten digitaler Arbeit ist es selbstverständlich denkbar, dass die Werber/innen einfach zu Hause weitergearbeitet haben – und damit wäre dann wenig gewonnen. Dennoch: Das Zeichen, das der Inhaber mit dem „Rauswurf“ setzt, ist gut und wichtig. Irgendwann muss Schluss sein. Denn nicht nur, aber vor allem Wissensarbeiter können im Grunde immer und ewig weiterarbeiten. Selbst wenn alle Aufgaben abgearbeitet sind, können sie eine neue Idee entwickeln, eine neue Herausforderung angehen oder aber dieses eine Thema, das schon lange geschoben wurde, endlich anpacken.

Stress als Dauerzustand

Genau das ist das Problem. Viele Arbeitnehmer haben heute das Gefühl, nie fertig zu werden. Ich kenne einige, die sagen, dass sie ihren Job sehr gerne machen, aber es einfach zu viel ist. Dass sie es nie schaffen, ihre To-Do-Liste wirklich abzuarbeiten. Dass sie abends ständig noch ein paar Stunden dranhängen. Ist dann irgendwann doch Feierabend, ist höchstens noch eine Folge Netflix drin. Würde das nur ab und zu passieren, wäre das kein Problem – bei manchen scheint es allerdings Dauerzustand zu sein. Das macht langfristig nicht nur unzufrieden, sondern auch krank.

„Schatz, ich muss den Laptop noch mal eben anmachen!“

Woran liegt es, dass viele ständig dieses Gefühl haben, nie fertig zu werden? Warum scheint es uns so, als ob unsere Eltern damals im Berufsleben entspannter waren und mehr Zeit für Hobbys hatten? Eine Antwort ist sicherlich die zunehmende Entgrenzung von Arbeit und Freizeit – getrieben durch die Digitalisierung und die Möglichkeit, immer und von überall aus Zugriff auf die Arbeit zu haben. Ein weiterer Punkt ist die Tatsache, dass viele heute – zumindest auf den ersten Blick – sehr abstrakte Arbeiten erledigen. Sie bauen keinen Tisch, sie reparieren kein Auto, sondern sie sitzen den ganzen Tag am Computer und schicken sich virtuell Dokumente hin und her. Gleichzeitig haben viele Mitarbeiter heute deutlich mehr Freiheiten bei der Arbeit. Das ist grundsätzlich erst einmal positiv, denn viele Fachkräfte wünschen sich genau das. Sie wollen nicht wie Schäfchen angeleitet werden, sondern ihre Aufgaben auf eigene Art und Weise erledigen.

Freiheit – innerhalb fest gesteckter Grenzen

Dieses selbstbestimmte Arbeiten funktioniert aber nur, wenn ein eindeutiger Rahmen vorgegeben ist. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter müssen genau wissen, welche Ziele sie erreichen sollen – und diese Ziele müssen greifbar und für sie persönlich auch erreichbar sein. Zudem müssen sie Wertschätzung für ihre Arbeit erfahren. Hier liegt vielfach der Knackpunkt: Unternehmen geben den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zwar die gewünschten Freiräume, versäumen es aber, klare Ziele vorzugeben und lassen die Leute damit allein. In der Folge arbeiten die Mitarbeiter/innen einfach drauf los – rennen dabei aber in die falsche Richtung, geraten aus der Spur oder verzetteln sich in einem undurchsichtigen To-Do-Dschungel. Während manche dann resignieren und ihre Leistungsbereitschaft aufgeben, versuchen andere, trotzdem alles zu schaffen. Sie wollen das Unmögliche möglich machen.

Besonders motiviert = besonders gestresst?

Das wollen oft genau die, denen es ein persönliches Anliegen ist, einen guten Job zu machen: Menschen mit hoher intrinsischer Motivation. Sie wollen stets Top-Qualität abliefern, immer noch eine Schippe drauflegen, sie haben dazu noch viele Ideen und Verbesserungsvorschläge. Es handelt sich also um genau die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die besonders wertvoll für Unternehmen sind. Es ist großartig, diese Menschen an Bord zu haben – solange es ihnen gelingt, Prioritäten zu setzen und auf sich zu achten. Und hier kommen Unternehmen und Führungskräfte ins Spiel: Manager/innen sollten sich klar machen, dass die Stärken dieser Mitarbeiter auch gefährlich werden können. Wenn z.B. Mitarbeiter/innen sehr hilfsbereit und verantwortungsbewusst sind, sich aber nicht gut abgrenzen können, kann das zur Überlastung führen. Führungskräfte haben nicht nur eine Fürsorgepflicht ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern gegenüber, sie sollten auch ein Interesse haben, diese Talente langfristig im Unternehmen zu halten.

Stress ist keine Privatsache

Zunächst einmal: Natürlich ist es gut, wenn dauergestresste Menschen ihre Situation auch selbst reflektieren und entsprechend handeln. Weiß mein/e Teamleiter/in überhaupt, wie gestresst ich bin – oder vermittle ich nach außen hin den Eindruck, ich wuppe alles mit links? Wie kann ich meine Aufgaben so organisieren, dass sie mich weniger belasten? Welche Entspannungstechniken helfen mir? Und: Ist es wirklich mein/e Chef/in, der Überstunden von mir erwartet – oder sind es vielmehr meine eigenen hohen Erwartungen? Jeder, der abends kaum abschalten kann, sollte sich mit solchen Fragen auseinandersetzen.

Wer als Manager/in aber jetzt glaubt, das alles sei nicht sein Problem und er könne die Problemlösung den Mitarbeiter/innen überlassen, der handelt nicht nur verantwortungslos, sondern schadet dem Unternehmen auch wirtschaftlich. Denn er wird diese guten Leute über kurz oder lang verlieren. Entweder sie werden krank oder sie verlassen das Unternehmen. Nicht wenige von denen, die sich dauergestresst fühlen, kündigen und wechseln – in der Hoffnung, dass es woanders besser wird.

Wie geht es meinem Team?

Führungskräfte sollten deshalb ein sensibles Gespür dafür entwickeln, wie es ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern geht. Das ist kein Chichi, sondern Grundlage moderner Führung. Bleiben bestimmte Mitarbeiter abends ständig sehr lange? Schreiben sie auch am Wochenende Mails? Reagieren Mitarbeiter schnell gereizt, sind gegenüber Kollegen dünnhäutig? Sind fitte Mitarbeiter plötzlich häufig krank? Führungskräfte sollten frühzeitig auf solche Veränderungen reagieren und das Gespräch suchen. Außerdem sollten sie bedenken, dass sie immer auch Vorbild sind. Denn warme Worte bringen wenig, wenn sie selbst ihrem Team am Wochenende E-Mails mit dringenden Fragen schicken und damit vorleben, dass ständige Erreichbarkeit als normal oder erstrebenswert gilt.

„Culture eats strategy for breakfast!“

Das berühmte Zitat von US-Ökonom Peter Drucker macht deutlich, worum es am Ende geht: die gelebte Unternehmenskultur. Die wird maßgeblich vom Management bestimmt. Arbeiten Führungskräfte die Mittagspause durch? Wie gehen Unternehmensentscheider damit um, wenn jemand wegen Krankheit ausfällt? Gehen die Arbeitnehmer/innen kollegial und mitfühlend miteinander um? Oder herrscht ein Klima der Angst?

Fakt ist: Vor dem Hintergrund des demografischen Wandels wird es für Unternehmen in Zukunft noch wichtiger werden, gute Mitarbeiter – auch ältere – langfristig im Unternehmen zu behalten und ihre Leistungsfähigkeit sicherzustellen. Das wird besonders den Unternehmen gelingen, bei denen ein gutes Arbeitsklima herrscht. Denn ein gutes Arbeitsklima hilft Menschen dabei, gesund mit dem Arbeitspensum und mit Stress umzugehen und beides zu bewältigen.  

Mehr zur #LessStressWeek von StepStone

Teilen Sie diesen Beitrag:

Home » HR Blog » #LessStressWeek: Vom Gefühl, nie fertig zu werden

Das könnte Sie auch interessieren

Übersicht

1 von 6