16.01.2024
Lesedauer: 5 Min.

Gehaltstransparenz in Deutschland

Jasmin Berger
Jasmin Berger

Inhalt

  • Schlüsselfaktor Gehalt
  • Wunschbild vs. Realität
  • Arbeitgeberperspektive
  • Gehaltstransparenzgesetz
  • Fazit
  • Stepstone Studie
Gehaltsreport 2024

Gehaltsreport 2024

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Offen sagen, wie viel man verdient – das ist in Deutschland nach wie vor eher unüblich. Dabei könnte der offene Umgang mit dem Thema Gehalt das (Arbeits-)Leben so viel einfacher und besser machen. Wir von Stepstone sind überzeugt: Gehaltstransparenz ist ein wesentlicher Faktor, um in Zukunft für faire, gleichberechtigte und marktgerechte Vergütung zu sorgen. In einer aktuellen Befragung begleitend zum Gehaltsreport 2024 wollten wir wissen, wie es um die Gehaltstransparenz in Deutschland bestellt ist. Dazu haben wir im November 2023 knapp 6.000 Arbeitnehmer*innen und Recruiter*innen befragt. Das Ergebnis: Es tut sich was – aber noch zaghaft.

Das Gehalt – Schlüsselfaktor im Bewerbungsprozess

Das Gehalt zählt zu den wichtigsten Informationen bei der Besetzung einer Stelle. Laut unserer aktuellen Befragung zu Gehältern und Gehaltstransparenz würden sich 9 von 10 Befragten (89,1 %) eher auf eine Stelle bewerben, wenn konkrete Angaben zum Gehalt – oder zumindest zum Gehaltsrahmen – gemacht werden. Und für etwa genauso viele (90 %) verbessern Angaben zum Gehalt das Bild vom potenziellen Arbeitgeber. Um das Thema Gehaltstransparenz in Deutschland salonfähiger zu machen, veröffentlicht Stepstone bereits seit 2021 Gehaltsprognosen in Stellenanzeigen. „Wir beobachten seit Jahren, dass Gehaltstransparenz für die Menschen immer bedeutsamer wird“, sagt Dr. Tobias Zimmermann, Arbeitsmarktexperte bei The Stepstone Group. „Darum haben wir auf Stepstone.de schon Anfang 2021 Gehaltsspannen in Stellenanzeigen eingeführt. Dort sehen wir aus erster Hand, dass diese Information oftmals ausschlaggebend dafür ist, ob es wirklich zu einer Bewerbung kommt“, erläutert er. „Wer kein Gehalt angibt, verspielt in Zeiten der Arbeiterlosigkeit wertvolles Potenzial. Unternehmen können es sich nicht leisten, durch fehlende Gehaltsangaben auf passende Kandidat*innen zu verzichten.“

Rund 86 % der Befragten befürworten eine generelle Gehaltstransparenz, also öffentlich einsehbare Gehälter, in Deutschland.

Gehaltstransparenz in Deutschland – Wunschbild vs. Realität

Aber wie bereitwillig geben die Deutschen ihr Gehalt überhaupt preis? Unsere Befragung zeigt: Hier gehen Wunschbild und Realität noch weit auseinander. Grundsätzlich befürworten ca. 86 Prozent der Befragten, dass Gehälter in Deutschland öffentlich gemacht werden (+6,4 Prozent im Vergleich zu 2022). Immerhin 73,5 Prozent wüssten gern, wie viel ihre Teamkolleg*innen verdienen und 78 Prozent fänden es in Ordnung, wenn diese im Gegenzug dann auch ihr Gehalt kennen würden (+6,9 bzw. +6,4 % zu 2022). Ganz real geben jedoch nur 26 Prozent der befragten Arbeitnehmer*innen an, dass ihre Kolleg*innen tatsächlich wissen, wie viel sie verdienen (+4 % zu 2022). Und nur 23,3 Prozent (+3,2 % zu 2022) gehen mit ihrem eigenen Gehalt wirklich völlig offen um und antworten auf die Frage „Wer weiß, wie viel du verdienst?“ mit „Jede Person, die mich danach fragt“. Für ihren (Ehe-)Partner*in lüften dagegen immerhin 69 Prozent das Geheimnis um die Zahl auf der Gehaltsabrechnung, gefolgt von 39,3 Prozent der Befragten, die (auch) ihre Eltern ins Vertrauen ziehen.

Das sagen Recruiter*innen zum Thema Gehaltstransparenz

Der Wunsch der Arbeitnehmer*innen nach mehr Gehaltstransparenz scheint in den Unternehmen bisher nur schleichend anzukommen. Das zeigen die Antworten der befragten Recruiter*innen. Auf die Frage: „Wie häufig werden Bewerbungsprozesse in deinem Unternehmen aufgrund der folgenden Punkte abgebrochen?“ nennen beispielsweise nur 23 Prozent als häufige(re)n Grund, dass die Gehaltsfrage nicht früh genug thematisiert wurde. Das schwerwiegendere Problem sehen die befragten Recruiter*innen dagegen in der Gehaltszufriedenheit. Rund jede*r zweite (50,7 %) gibt an, dass der Bewerbungsprozess abgebrochen wird, weil dem*der Bewerbenden das Gehalt nicht ausreicht.

Dennoch scheint es für deutsche Unternehmen kein vordringliches Ziel zu sein, mit dem Thema Gehalt transparenter umzugehen. In beinahe jedem zweiten Unternehmen (46,7 %) sind im kommenden Jahr gar keine konkreten Maßnahmen zur Steigerung der Gehaltstransparenz geplant. Sofern Maßnahmen geplant sind, werden als häufigste Schritte die Einführung klarer und transparenter Gehaltsrichtlinien (16,5 %), die Gewährleistung von gleicher Bezahlung für gleiche Arbeit unabhängig von Geschlecht und Herkunft (15,6 %) sowie die regelmäßige Überprüfung und Aktualisierung der Vergütungsstrukturen (14,8 %) genannt.

Doch woran liegt die starke Abweichung in der Wahrnehmung zwischen Arbeitnehmer*innen und Unternehmen? Ein möglicher Erklärungsansatz könnte sein, dass die Unternehmen evtl. noch nicht oft genug mitbekommen, wie wichtig das Thema für ihre potenziellen neuen Mitarbeitenden ist – weil sich Kandidat*innen aufgrund fehlender Transparenz einfach gar nicht erst bewerben. Die Unternehmen spüren so lediglich den Mangel an Arbeitskräften, verknüpfen ihn aber nicht direkt mit einer bestimmten Ursache.

Gehaltstransparenzgesetz: Rechtliche Lage in Deutschland

Das Entgelttransparenzgesetz trat am 6. Juli 2017 in Kraft und zielt darauf ab, das Prinzip “Gleicher Lohn für gleiche oder gleichwertige Arbeit” für Frauen und Männer zu stärken. Das Gesetz soll ungerechtfertigte Entgeltunterschiede wie den Gender-Pay-Gap beseitigen. Die EU-Entgelttransparenzrichtlinie von 2023 soll bis Juni 2026 in nationales Recht umgesetzt werden und sieht verbindliche Transparenzmaßnahmen für Arbeitgeber vor.

Fazit: Der weite Weg vom Tabuthema zum strategischen Werkzeug

Unsere Stepstone Befragung zu Gehältern und Gehaltstransparenz zeigt: Der Weg hin zu mehr Offenheit beim Thema Gehalt braucht offensichtlich Zeit. Die Einstellung von Arbeitnehmer*innen und Unternehmen verändert sich langsam, grundsätzlich aber hin zum Wunsch nach mehr Transparenz. Und das völlig zu Recht, schließlich sollten Unternehmen im Zeitalter der Arbeiterlosigkeit alle Register ziehen, um wechselwillige Arbeitskräfte von sich zu überzeugen. Gehaltstransparenz wird damit Stück für Stück vom Tabuthema zum strategischen Werkzeug im Wettbewerb um Talente.


Über die Stepstone-Befragung zu Gehältern und Gehaltstransparenz 2023/2024

Wie zufrieden sind Arbeitnehmer*innen in Deutschland mit ihrem Gehalt? Können sie ihren Marktwert einschätzen? Und wie transparent gehen sie mit dem Thema Gehalt um? Stepstone hat im November 2023 zu diesen und weiteren Themen rund 5.700 Beschäftigte, darunter ca. 1.200 Führungskräfte, in Deutschland befragt. Die Befragung ist repräsentativ für die deutsche Erwerbsbevölkerung nach Alter, Geschlecht und Bildung.