Insgesamt sinkt die Mobilitätbereitschaft. Lesen Sie, warum und welche Rolle Corona spielt.
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Die Studie Decoding Global Talent wird von der Managementberatung Boston Consulting Group (BCG), StepStone sowie The Network, einem Zusammenschluss von Online-Jobbörsen in 130 Ländern, regelmäßig durchgeführt. Sie zeigt im Vergleich: Während 2014 noch 63,8% der Befragten zu einer Tätigkeit im Ausland bereit waren, sank die Zahl 2018 auf 57,1% und 2020 auf 50,3%. Anders ausgedrückt: Vor sieben Jahren wären noch zwei von drei Arbeitnehmer‘*innen für den passenden Job ins Ausland gezogen, heute ist nur noch jede*r zweite dazu bereit.
Dieser Rückgang der internationalen Mobilität bedeutet angesichts des demographischen Wandels und des zunehmenden Mangels an Fachkräften eine Herausforderung für Deutschland. Um die Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten, braucht der deutsche Arbeitsmarkt ausländische Fachkräfte.
Die Attraktivität Deutschlands als Zielland für internationale Arbeitnehmer*innen bietet eine gute Ausgangsbasis für die grenzüberschreitende Suche nach Talenten. Rang zwei im internationalen Ranking vor zwei Jahren (nach Platz vier im Jahr 2014) sowie Rang vier bei der jüngsten Studie sind exzellente Positionierungen. Gleichwohl bieten sie deutschen Unternehmen keinen Anlass, sich auszuruhen.
Das Ranking der attraktivsten Zielländer dominieren englischsprachige Nationen. Die vielleicht größte Überraschung im Ranking: Kanada verdrängt die USA von der Spitze. Insgesamt setzt sich ein für die europäischen Nationen bedenklicher Trend fort: Lagen 2014 noch sieben der zehn beliebtesten Arbeitsmärkte in Europa, sind es 2020 nur noch vier. Stattdessen finden sich jetzt insgesamt vier Pazifik-Anrainer in der Top-Liste. Ein Grund hierfür liegt sicherlich in der positiven wirtschaftlichen Entwicklung und dem weltpolitischen Bedeutungszuwachs der Region über die Jahre. Ein anderer Erklärungsansatz bezieht sich auf das alles überlagernde Thema des letzten Jahres: Erfolg im Kampf gegen die Corona-Pandemie scheint Staaten auch zu attraktiveren Zielländern in Sachen beruflicher Mobilität zu machen. Staaten, die die erste Welle erfolgreich bekämpft hatten, haben sich im Ranking vorgeschoben – wie beispielsweise Singapur, Japan, Australien und Neuseeland. Umgekehrt haben die Länder an Beliebtheit verloren, die bis zum Zeitpunkt der Befragung im Herbst 2020 besonders schwer von CoVID-19 getroffen wurden, wie zum Beispiel Italien und Spanien, die beide zum ersten Mal seit 2014 keinen Platz unter den ersten zehn erreichen konnten.
Die aktuell zehn beliebtesten Staaten für die Arbeit im Ausland sind
Der Trend in Richtung (Fern-)Ost lässt sich auch im Städteranking ablesen. London bleibt wie auch bei früheren Befragungen der attraktivste Standort für internationale Arbeitnehmer*innen, gefolgt von Amsterdam. New York hingegen ist von Position zwei auf den achten Rang abgerutscht. Zunehmend beliebt ist Dubai, das auf Platz drei vorrückte. Auch Abu Dhabi, Tokio und Singapur haben Plätze gut gemacht.
Die bei den internationalen Arbeitnehmer*innen beliebteste Stadt in Deutschland ist und bleibt Berlin. Auf der weltweiten Attraktivitätsliste erreichte die deutsche Hauptstadt Rang vier, ein Platz unter der Befragung aus dem Jahr 2018. Insbesondere hoch qualifizierte Arbeitnehmer*innen bevorzugen Berlin: Die Stadt liegt bei Menschen mit Master-Abschluss oder Promotion weltweit auf Position zwei.
In der Gesamtwertung verweist Berlin alle anderen deutschen Städte deutlich auf die hinteren Plätze. Abgefragt wurden aus Deutschland zusätzlich noch Hamburg und München. Die bayerische Hauptstadt nimmt auf der Beliebtheitsskala Rang 26 ein, Hamburg folgt auf Rang 35.
Wo lohnt es sich für deutschen Arbeitgeber*‘innen, gezielt nach Fachkräften Ausschau zu halten? Für die Antwort ist die Kombination von zwei Faktoren ausschlaggebend. Die Arbeitnehmer*innen müssen
Die grundsätzliche Mobilitätsbereitschaft ist – wie die Global-Talent-Studie zeigt – vor allem in Ländern mit hoher Arbeitslosigkeit groß: In Tunesien oder Nigeria würden neun von zehn Arbeitnehmer*innen für den passenden Job ins Ausland wechseln. Ähnlich viele sind es aber auch in Italien mit seiner hohen Jugendarbeitslosigkeit sowie in Brasilien und Indien.
Die Attraktivität des deutschen Arbeitsmarkts wird besonders hoch eingeschätzt von Kosovaren und Österreichern – zwei von drei Befragten im Kosovo beziehungsweise die Hälfte der österreichischen Studienteilnehmer*innen würde hierzulande einen Job annehmen. Auch in der Türkei ist Deutschland als Arbeitsplatz nach wie vor sehr beliebt: Mehr als jede*r dritte Arbeitnehmer*in wäre zum Umzug bereit.
Vergleichsweise mobile und am deutschen Arbeitsmarkt besonders interessierte Menschen finden sich in Nachbarländern und Nationen, die seit Jahrzehnten traditionell Arbeitskräfte nach Deutschland entsenden. Dazu zählten zum Beispiel Österreich, Italien, die Türkei und Luxemburg.
Besonders gute Karten haben deutsche Unternehmen in zwei Balkanstaaten: Der Kosovo und Albanien stehen nach den historischen Brüchen am Ende des 20. Jahrhunderts vor großen ökonomischen Herausforderungen. Sie verfügen über eine vergleichsweise junge Bevölkerung, die auf der Suche nach Lebensperspektiven und Karrierechancen zu großen Teilen bereit ist, ins Ausland zu ziehen, insbesondere nach Deutschland.
Ähnliches gilt für nordafrikanische Staaten wie Marokko, Algerien oder Tunesien. Mit Indien und Brasilien sind auch in zwei der einwohnerstärksten Schwellenländer der Welt viele Menschen bereit, jenseits der Heimat und besonders gern in Deutschland zu arbeiten.
Das Fazit: Die Türkei spielt weiterhin eine herausragende Rolle als Talent Pool für deutsche Unternehmen. Denn sie ist unter den Top Ten der Länder, in denen Deutschland als attraktiver Arbeitsplatz gilt, mit einer Bevölkerung von über 80 Millionen das bei weitem einwohnerstärkste. Damit stehen besonders viele türkische Arbeitnehmer*innen potenziell dem deutschen Arbeitsmarkt zur Verfügung.
Ähnlich wichtig bleibt Italien mit seinen gut 60 Millionen Einwohnern: Jede*r vierte Befragte würde in Deutschland arbeiten. Auch aus Luxemburg würde jede*r vierte für den richtigen Job nach Deutschland wechseln; allerdings bietet das Großherzogtum mit gut 615.000 Menschen als einwohnerschwächstes Land der Liste nur einen kleinen Pool an Arbeitskräften.
Besonders große und noch dazu sehr mobilitätsaffine Märkte wie Brasilien und allen voran Indien sind deshalb natürlich ebenfalls ganz vorne zu nennen, wenn es um das Fachkräftepotenzial für die hiesige Wirtschaft geht.
Wie sieht es eigentlich umgekehrt aus: Wie viele Deutsche würden für die Arbeit ins Ausland umziehen? Die Global-Talents-Studie zeigt: Die Mobilitätsbereitschaft der deutschen Arbeitnehmer*innen ist schwächer ausgeprägt als der weltweite Durchschnitt. Nur 45% der befragten Deutschen würden eine Stelle jenseits der Landesgrenzen antreten. Das sind zehn Prozentpunkte weniger als im Jahr 2018. Damit steht der Markt der deutschen Arbeitskräfte für internationale Recruiter nicht unbedingt im Mittelpunkt des Interesses. Ein naheliegender Grund hierfür: die Stärke und Attraktivität des deutschen Arbeitsmarktes mit seit Jahren niedrigen Arbeitslosenquoten und einem zunehmenden Wettbewerb um qualifizierte Mitarbeiter*innen.
Deutlich wechselbereiter als der Durchschnitt ihrer Landsleute sind deutsche Studierende: Zwei Drittel würde einen Auslandsjob übernehmen. Auch Manager, Menschen in Beratungsberufen sowie Künstler sind mit jeweils gut der Hälfte der Befragten in überdurchschnittlichem Maß für ein Stellenangebot aus dem Ausland offen.
Allerdings zieht es die Deutschen nicht in weite Fernen. Auf der Liste der beliebtesten Länder für einen Auslandsjob stehen mit USA (Rang drei) und Kanada (Rang vier) nur zwei Staaten von anderen Kontinenten unter den Top Ten. Alle anderen Länder liegen in Europa:
Die Regionalisierung ist ein globaler Trend, der sicherlich durch die Pandemie-Situation verstärkt wird. Gleichzeitig ist auffällig, dass zwei deutschsprachige Staaten für die Menschen aus Deutschland auf Platz liegen.
Weltweit nimmt zwar die Bereitschaft ab, für die Arbeit ins Ausland umzuziehen – aber zugleich steigt die Tendenz, Ländergrenzen virtuell zu überschreiten: 57% der Befragten gaben in der Global-Talent-Studie an, dass sie mithilfe digitaler Technologie von ihrer Heimat aus für ein ausländisches Unternehmen arbeiten würden. Damit zählen die digital Mobilen sieben Prozentpunkte mehr als die persönlich Umzugswilligen.
Die Corona-Krise hat dazu in doppelter Hinsicht beigetragen: Einerseits hatten 2020 viele Länder ihre Grenzen zeitweise komplett geschlossen. Vor allem aber haben Unternehmen ebenso wie Beschäftigte umfassende Erfahrungen mit remote work sammeln können, wie der StepStone Corona-Report im Detail erläutert.
In Deutschland ist der Trend zur Fernarbeit für ausländische Unternehmen allerdings unterdurchschnittlich ausgeprägt. 47% Prozent der in Deutschland Befragten bekennen sich zur digitalen Mobilität – nur zwei Prozentpunkte mehr als bereit wären, persönlich für den Job ins Ausland umzuziehen. Dies ist möglicherweise auch ein Ergebnis des Standes der Digitalisierung hierzulande. Mit Blick auf ihre durchaus positiven Erfahrungen in Sachen digitaler Zusammenarbeit, fordert die überwiegende Mehrheit der Arbeitnehmer*innen in Deutschland jedenfalls Investitionen in Sachen Digitales, zeigte ebenfalls schon im September der StepStone Corona-Report.
In anderen Ländern hingegen verläuft die Entwicklung weit überdurchschnittlich – in Polen beispielsweise. Nur vier von zehn polnischen Arbeitnehmer*innen sind dazu bereit, für eine Stelle ihre Heimat zu verlassen. Aber sieben von zehn würden virtuell für eine*n Arbeitgeber*in im Ausland arbeiten.
Die digitale Zusammenarbeit über Ländergrenzen hinweg ermöglicht es Menschen, ihre beruflichen Fähigkeiten auf einem weit größeren, internationalen Arbeitsmarkt anzubieten. Unternehmen ihrerseits können im globalen War for Talents weltweit auf passende Kandidat*innen zugreifen. Zugleich stehen sie allerdings vor der Aufgabe, beispielsweise rechtliche und regulatorische Fragen oder das Management der Zusammenarbeit in unterschiedlichen Zeitzonen zu meistern. Auch auf Fragen nach der Entwicklung und Förderung von Unternehmenskulturen müssen gänzlich neue Antworten gefunden werden. Vieles spricht dafür, dass Unternehmen diese neue Form der Mobilität zunehmend für sich entdecken und somit in Zukunft die Entwicklung länderübergreifender Arbeitswelten begünstigen.
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