07. January 2025
Lesedauer: 6 Min.

Shitstorm bei fehlender Gehaltstransparenz: Warum Geld für Young Talents kein Tabu mehr ist und wie Arbeitgeber mit der neuen Transparenz umgehen sollten 

Inhalt

  • Junge Fachkräfte haben weniger Konkurrenzdruck 
  • Neue Gehaltstransparenz auf Instagram und TikTok 
  • Reallöhne im Sinkflug   
  • Folgen von Lohndiskriminierung und fehlender Transparenz  
Gehaltsreport 2025

Gehaltsreport 2025

Download (Deutsch)

15 % Rabatt auf alle Online-Produkte.

Zum Angebot
Alle ArtikelGehaltShitstorm bei fehlender Gehaltstransparenz: Warum Geld für Young Talents kein Tabu mehr ist und wie Arbeitgeber mit der neuen Transparenz umgehen sollten 

Junge Fachkräfte fordern eine neue Form der Gehaltstransparenz, um Lohndiskriminierung zu umgehen und gemeinsam ihre Reallöhne zu steigern. Wenn Unternehmen sich nicht darauf einlassen, kann es auf gleich zwei Arten teuer werden, warnt KMU-Beraterin Ronja Ebeling. 

Als ich mich mit 24 Jahren auf einen neuen Job beworben habe und nach dem Vorstellungsgespräch dazu eingeladen wurde, das Team kennenzulernen, nutzte ich den ruhigen Moment in der Kaffeeküche, um meine zukünftige Kollegin direkt anzusprechen: „Darf ich dich fragen, was du hier verdienst?“ 

Junge Fachkräfte haben weniger Konkurrenzdruck 

Viele Babyboomer hätten bei der Frage wahrscheinlich ihren Kaffee ausgespuckt und mich entgeistert angeschaut, aber die Kollegin war Anfang 30, zweifache Mutter und setzte sich für Frauen in Führungspositionen ein. Was haben Frauen – insbesondere Mütter – und Berufseinsteigende gemeinsam? Ihnen wird fehlende Gehaltstransparenz im Unternehmen schnell zum Verhängnis.   

Das zeigt unter anderem der Gender Pay Gap, der in Deutschland durchschnittlich bei 18 % pro geleisteter Arbeitsstunde liegt. Jungen Menschen und insbesondere jungen Frauen ist heutzutage klar, dass sie sich Verbündete suchen müssen, um ihre Reallöhne nachhaltig zu steigern. Aber warum denken Young Talents so radikal anders über Gehaltstransparenz als die älteren Generationen?   

Als die Babyboomer-Generation auf den Arbeitsmarkt kam, war der Konkurrenzdruck hoch. Umso beugsamer war diese Generation beim Thema Gehalt und den damit verbundenen Vertragsklauseln. Während man sich früher noch daran hielt, wenn es hieß, dass Gehaltsinformationen nicht an Dritte weitergegeben werden dürfen, kennen junge Fachkräfte heutzutage ihre Rechte: Solche Schweigeverpflichtungen sind nicht rechtens und dienen lediglich dazu, der Belegschaft einen Maulkorb umzulegen. Am Ende führen sie nicht selten zu Gehaltsdiskriminierung.   

Cover des Gehaltsreports 2025

Stepstone Gehaltsreport 2025

Entdecken Sie, was Deutschland verdient – laden Sie jetzt den Stepstone Gehaltsreport 2025 herunter, gestalten Sie eine faire und transparente Vergütung und gewinnen Sie Top-Talente für Ihr Unternehmen!

Neue Gehaltstransparenz auf Instagram und TikTok 

Die junge Generation scheut sich heute nicht mehr davor, Summen klar zu benennen, um Gehaltsungerechtigkeiten aufzudecken – im Zweifel sogar auf Social Media. In den USA beleuchtet der TikTok-Account @salarytransparentstreet die Gehälter von Menschen unterschiedlicher Branchen: Dass Schwarze in den Videos häufig weniger verdienen als weiße Befragte, fällt schnell auf.   

Aber auch in Deutschland werden Gehälter transparenter benannt, und Arbeitgeber im Zweifel sogar öffentlich kritisiert. Die Anfang 20-jährige Journalistin Carlott Bru arbeitet beispielsweise auf freier Honorarbasis für etablierte Medienmarken wie die Süddeutsche Zeitung, SPIEGEL sowie ZEIT – und stellt sie öffentlich an den Pranger.   

In einem Instagram-Reel macht sie deutlich, dass ZEIT Online für Texte schlecht bezahlen würde. Laut Freischreiber e.V. zahlt das Medium mit einem Stundenlohn von 24 Euro tatsächlich verhältnismäßig gering – die Apotheken Umschau zahlt mit 86 Euro beinahe das Vierfache.   

Auf die Frage, ob Carlott Angst vor Konsequenzen hätte, antwortet sie nur sarkastisch: „Wovor soll ich Angst haben? Dass ich noch mehr schlecht bezahlte Aufträge bekomme?“ Die Vertreterin der Gen Z will die fehlende Gehaltstransparenz klar benennen, damit sich etwas ändert – nicht nur für sie, sondern für die gesamte Branche.

Porträtbild von Ronja Ebeling, Journalistin, Buchautorin und Gründerin der Beratungsfirma TEAM OF TOMORROW. Fotocredit: Marina Weigel

„Die Gen Z spricht offen über Geld. Arbeitgebern sollte bewusst sein, dass sich Berufseinsteigende durch rechtswidrige Schweigeklauseln im Vertrag heute keinen Maulkorb mehr anlegen lassen und Gehaltsdiskriminierung jeder Art sehr schnell auffliegt.“

Ronja Ebeling, Buchautorin & Gründerin der Beratungsfirma Team of Tomorrow

Die Reallöhne der Berufseinsteigenden sind im Sinkflug   

Young Talents wie Carlott wissen, dass sich ihre Reallöhne in absehbarer Zeit nicht so entwickeln werden wie die einstigen Einstiegsgehälter der Babyboomer in Zeiten des Wirtschaftswunders. Die junge Generation leidet – je nach Branche – besonders stark unter der anhaltenden Inflation und den steigenden Lebenskosten in Form teurer Mieten. Wer von der Universität frisch in den ersten Job startet und Bafög bezogen hat, hat durchschnittlich 10.000 Euro Schulden. Ist es wirklich zu viel verlangt, vom Gehalt netto so viel übrig zu haben, dass diese Schulden zeitnah beglichen werden können und sich der Altersvorsorge zu widmen?    

Für Berufseinsteigende ist es höchste Zeit, sich den Fachkräftemangel zunutze zu machen, um Gehälter gemeinsam transparent zu machen und Gehaltsanpassungen zu fordern.   

Frauen und Männer sitzen im Büro und reden miteinander.
Gleiches Gehalt bei gleicher Arbeit – für alles andere braucht es triftige Gründe.

Die Folgen von Lohndiskriminierung und fehlender Transparenz  

Von diesem Mut schneiden sich mittlerweile auch Fachkräfte älterer Generationen eine Scheibe ab – zumal, weil mit fehlender Transparenz häufig Lohndiskriminierung einhergeht. Als beispielsweise eine Außendienstmitarbeiterin eines Metallunternehmens aus Meißen herausfand, dass ihr Kollege bei gleicher Arbeit monatlich 1.000 Euro brutto mehr verdient, hieß es: Der Mann habe eben besser verhandelt. Das Bundesarbeitsgericht entschied: Dieses Argument gilt nicht. Unternehmen, die Frauen weniger Gehalt zahlen als Männern, müssen dafür objektiv nachvollziehbare Gründe liefern. Eine bessere Verhandlungsstrategie ist laut Gericht kein objektiver Grund.   

Das Gericht sprach der Klägerin 2023 knapp 15.000 Euro entgangenen Lohn und eine Entschädigung in Höhe von 2.000 Euro zu. Außerdem verließ die Mitarbeiterin das Unternehmen, denn: Auf Lohndiskriminierung und mangelnder Gehaltstransparenz lässt sich keine vertrauensvolle Zusammenarbeit aufbauen.   

Gleichermaßen sollten Arbeitgeber beachten, dass sie ab 2026 im Rahmen des Entgelttransparenzgesetzes sowieso zu einer Offenlegung der Gehaltsstrukturen verpflichtet werden. 

Am teuersten ist jedoch der Imageschaden, den Arbeitgeber durch fehlende Gehaltstransparenz und damit einhergehende Gehaltsdiskriminierung zahlen müssen: ein Preis, den in Zeiten des Fachkräftemangels keine Firma leisten kann. 

Lesetipp

Stepstone Gehaltsreport 2025: Was verdient Deutschland?


Ronja Ebeling
Journalistin, Buchautorin und Gründerin der Beratungsfirma Team of Tomorrow

Ronja Ebeling (geb. 1996) ist gelernte Journalistin, zweifache Buchautorin und Gründerin der Beratungsfirma TEAM OF TOMORROW. Sie unterstützt Unternehmen bei der Suche nach jungen Mitarbeitenden und setzt gleichzeitig Berufsorientierungsprojekte an Schulen um, um den Übergang vom Bildungssystem in die Arbeitswelt besser zu verstehen.