
“Gehalt wird transparent â wer jetzt nicht handelt, verliert den Anschluss” â Ein Interview mit VergĂŒtungsexpertin Martina ErnstÂ

Kommunikations- leitfaden zur EU-Entgelttransparenz
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Checkliste zum Entgelttransparenzgesetz
Download (Deutsch)Die EU-Richtlinie zur Entgelttransparenz stellt Unternehmen vor groĂe Herausforderungen. Martina Ernst von fairequalpay.com erklĂ€rt im Interview, warum die erfolgreiche Umsetzung von Gehaltstransparenz weit mehr als nur Compliance bedeutet und wie Unternehmen den Wandel als Chance nutzen können.
Martina, bald mĂŒssen Unternehmen ihre GehĂ€lter offenlegen. Werden sich da nicht viele Mitarbeitende unfair behandelt fĂŒhlen?


Das ist eine sehr berechtigte Sorge, die viele Unternehmen beschĂ€ftigt. Ja, es besteht durchaus das Risiko, dass sich zunĂ€chst mehr Menschen unfair behandelt fĂŒhlen, wenn Gehaltsunterschiede plötzlich sichtbar werden.
Der Begriff ‘fair’ ist aber sehr subjektiv und kann fĂŒr jede*n Mitarbeitende*n etwas anderes bedeuten. Was fĂŒr mich gerecht ist, kann fĂŒr dich völlig unverstĂ€ndlich sein. Das hĂ€ngt von unseren Erwartungen, unserer Lebenssituation und davon ab, mit wem wir uns vergleichen. Beim Gehalt sind wir alle besonders empfindlich.
âUnternehmen haben hier nun die Aufgabe, diese âmomentsthat matterâ gut zu meistern und gleichzeitig das Tabuthema Gehalt zu ent-emotionalisieren und zu objektivieren.â
Martina Ernst, MBA, People & Culture Profi und GrĂŒnderin von FairEqualPay und SalaryNegotiations
Eine groĂe Aufgabe, die viel FingerspitzengefĂŒhl erfordert. Personalverantwortliche rechnen mit hitzigen Diskussionen. Was rĂ€tst du ihnen?


Mein Rat: Bereitet euch gut vor und seht die Transparenz als VerbĂŒndeten, nicht als Feind.
Die hitzigen Diskussionen entstehen meist nicht wegen der Gehaltshöhe selbst, sondern weil Menschen nicht verstehen, wie ihre VergĂŒtung zustande kommt. Sie fĂŒhlen sich ĂŒbergangen oder vergessen. Beim Thema Geld sind wir alle besonders verletzlich – das mĂŒsst ihr ernstnehmen.
Nutzt die Transparenz-Pflicht als Chance: ErklĂ€rt, warum jemand so viel verdient, wie er*sie verdient. Macht klar, welche konkreten Schritte zu einer Gehaltserhöhung fĂŒhren. Zeigt, dass ihr die Leistung jedes und jeder Einzelnen seht und wertschĂ€tzt.
Bereitet euch auf emotionale Reaktionen vor.
Der SchlĂŒssel liegt in der Kommunikation: Seid proaktiv, klar und nachvollziehbar. FĂŒhrt die GesprĂ€che, bevor sie emotional eskalieren. Hört zu und geht auf individuelle BedĂŒrfnisse ein, wo es möglich ist.
Ja, es wird anfangs ungemĂŒtlich. Aber langfristig schafft ihr so eine Kultur, in der sich Menschen wirklich fair behandelt fĂŒhlen – und das reduziert Konflikte, anstatt sie zu verstĂ€rken.
Martina Ernst, MBA, People & Culture Profi und GrĂŒnderin von FairEqualPay und SalaryNegotiations
Wie kann man als Arbeitgeber mehr Fairness herstellen? Was ist dabei entscheidend?


Faire VergĂŒtung ist viel mehr als nur eine technische Aufgabe fĂŒr HR-Spezialist*innen. Entscheidend ist, dass Unternehmen zwei Dinge gleichzeitig fokussieren:
Einerseits klare, objektive Strukturen schaffen – transparente Prozesse, die jeder nachvollziehen kann und die frei von Vorurteilen sind. Andererseits eine Unternehmenskultur auf Augenhöhe etablieren, die Mitarbeitende als wichtige Partner sieht, nicht nur als Kostenfaktor.
Damit das klappt, sollte man die Umsetzung der EU-Richtlinie als Projekt verstehen, einen Projektplan aufsetzen und alle Stakeholder abholen und involvieren. Die vier zentralen Schritte aus meiner Sicht sind: 1. Status Quo erheben und verstehen – dabei die gesamte Employee Journey genau durchleuchten, 2. VergĂŒtungsstrategie hinterfragen und gegebenenfalls neu definieren, 3. Jobarchitektur und GehaltsbĂ€nder einfĂŒhren bzw. ĂŒberarbeiten, 4. Die EinfĂŒhrung kommunikativ begleiten.
In diesem Zusammenhang wird schnell klar, dass die EU-Entgelttransparenz-Richtlinie nicht als reines HR-Projekt verstanden werden darf, sondern als Change-Management Projekt, das ein kulturelles Umdenken aller Stakeholder*innen erfordert, einen mutigen Schritt weg von reiner Compliance in puncto Gesetzesumsetzung hin zu einem fruchtbringendem Kulturwandel.
Unternehmen haben Sorge, dass die zukĂŒnftige Gehaltstransparenz zu Konflikten im Team fĂŒhrt. Beuge emotionalen Reaktionen vor, indem du gut kommunizierst â und zwar: Strategisch. Klar. Verbindlich.

Dein Kommunikationsleitfaden zur
EU-Entgelttransparenz
Hier erfĂ€hrst du von den Profis, wie du vom Tabuthema Gehalt zu einer gemeinsamen Spracheâ findest.
Was können Unternehmen konkret tun, damit sich Mitarbeitende fair vergĂŒtet fĂŒhlen?


Menschen fĂŒhlen sich fairer behandelt, wenn mehrere Dinge zusammenkommen: ZunĂ€chst einmal die Grundregel der Gleichwertigkeit: Wer die gleiche Arbeit macht und Ă€hnlich gut performt, sollte auch Ă€hnlich bezahlt werden. Das klingt selbstverstĂ€ndlich, ist aber lĂ€ngst nicht ĂŒberall RealitĂ€t.
Dann braucht es Klarheit â Transparenz und Nachvollziehbarkeit. Mitarbeitende wollen verstehen, warum ihr Gehalt so hoch ist, wie es ist. Sie wollen wissen, was sie konkret tun können, um eine Erhöhung zu bekommen. Und sie wollen durchschauen, wann und wie im Unternehmen ĂŒber GehĂ€lter entschieden wird.
Wichtig ist auch, dass Menschen mitreden können – Involvierung. Dass ihr Feedback gehört wird, wenn es um Boni oder Ziele geht. Dass die Kommunikation ĂŒber Geld nicht im Verborgenen stattfindet, sondern offen und verstĂ€ndlich ist. AuĂerdem wollen Menschen als Individuen wahrgenommen werden, nicht nur als Teil eines Teams. Ihre persönliche Leistung sollte erkannt und gewĂŒrdigt werden.
Was sind aus deiner Sicht die gröĂten Stolpersteine auf dem Weg zu fairen Gehaltsstrukturen?


Aus meiner Erfahrung scheitern Unternehmen meist an vier zentralen Punkten. Das gröĂte Problem ist oft die fehlende Klarheit: Niemand erklĂ€rt, wie GehĂ€lter entstehen, es gibt keine nachvollziehbaren Regeln oder offene GesprĂ€che darĂŒber.
Dazu kommen unbewusste Vorurteile, die dazu fĂŒhren, dass Entscheidungen “aus dem Bauch heraus” getroffen werden, statt nach klaren, objektiven Kriterien. Ohne einheitliche Standards macht jede Abteilung ihr eigenes Ding, und ohne diese BewertungsmaĂstĂ€be wird es nie wirklich fair.
Nicht zu unterschĂ€tzen ist auch die VerĂ€nderungsresistenz. “Das haben wir schon immer so gemacht” – alte Gewohnheiten sterben schwer, auch wenn sie unfair sind. Das Wichtigste dabei: Faire GehĂ€lter sind nicht nur eine Frage der richtigen Prozesse. Es braucht auch eine Unternehmenskultur, in der Vertrauen und Offenheit gelebt werden. Ohne diese Basis funktioniert selbst das beste System nicht.
Martina, du machst deutlich, dass Gehaltstransparenz ohne die nötige Klarheit in der Kommunikation schnell zum Pulverfass werden kann. Wie können Unternehmen diese Klarheit schaffen und Vertrauen aufbauen?


Transparenz ist ein zweischneidiges Schwert. Sie schafft Klarheit, kann aber ohne die richtigen BegleitmaĂnahmen richtig verstörend wirken. Der SchlĂŒssel liegt darin, von Anfang an klarzumachen: Es geht nicht um den Selbstwert der Person, sondern um den Marktwert des Jobs und den konkreten Mehrwert, den jemand in seiner Position liefert.
Entscheidend ist, aus Betroffenen Beteiligte zu machen. Nimm Sorgen ernst, sprich Ăngste direkt an und fĂŒhre einen offenen Dialog ĂŒber mögliche WiderstĂ€nde. Hole aktiv VerbesserungsvorschlĂ€ge ein, bevor die Emotionen hochkochen.
Damit Gehaltstransparenz wirklich positive Auswirkungen hat, braucht es drei Dinge: eine offene Kultur des Miteinanders, absolute Klarheit in den Prozessen und die Bereitschaft zu ehrlicher Kommunikation mit allen Beteiligten. Ohne diese Grundlage wird selbst die beste Transparenz-Initiative zum Bumerang.
Mit deinem Unternehmen fairequalpay.com begleitet ihr Unternehmen bei genau diesen Prozessen. Worauf legt ihr dabei in der Beratung Wert?


Uns ist wichtig, dass alle Beteiligten von Anfang an mitgenommen werden. Deshalb arbeiten wir mit einem vierstufigen Prozess, der niemanden auĂen vor lĂ€sst.
Wir starten immer mit anonymen Fokusgruppen, in denen verschiedene Stakeholder ehrlich bewerten können, wie sie die aktuelle Situation erleben. Darauf aufbauend entwickeln wir eine VergĂŒtungsstrategie, die wirklich zu den Werten des Unternehmens passt – nicht nur auf dem Papier.
Besonders wichtig ist uns die Praxistauglichkeit: Mit unserer Heatmap zeigen wir konkret auf, wo die gröĂten Baustellen liegen und was zuerst angegangen werden sollte. Am Ende steht immer ein maĂgeschneiderter Umsetzungsplan, der zur jeweiligen UnternehmensrealitĂ€t passt.
Unser app-basierter Ansatz macht den ganzen Prozess transparent und nachvollziehbar – fĂŒr alle Beteiligten. So wird Gehaltstransparenz nicht zum Schockmoment, sondern zu einem gemeinsamen Entwicklungsprozess.
Ein Beispiel ist die erfolgreiche Implementierung bei Manz, einem mittelstĂ€ndischen österreichischen Traditionsunternehmen mit 175-jĂ€hriger Geschichte, das durch unsere Beratung zu “einer neuen Sprache der Klarheit” in puncto VergĂŒtung gefunden hat.
Die Transparenz kommt, die Frage ist nicht ob, sondern wie gut Unternehmen das kĂŒnftig umsetzen werden.
Martina Ernst, MBA, People & Culture Profi und GrĂŒnderin von FairEqualPay und SalaryNegotiations
Lohnt sich der ganze Aufwand ĂŒberhaupt? Welchen konkreten Nutzen haben Unternehmen von Gehaltstransparenz-Initiativen?


Also zum einen: Die Transparenz kommt, die Frage ist nicht ob, sondern wie gut Unternehmen das kĂŒnftig umsetzen werden. Gehaltstransparenz wird langfristig zum echten Wettbewerbsvorteil. Wer jetzt nicht handelt, verliert den Anschluss. Unternehmen, die das gut umsetzen, werden als Arbeitgeber attraktiver, bekommen ihre Personalkosten besser in den Griff und halten ihre guten Leute lĂ€nger.
Das Schöne daran: Es ist ein echter Gewinn fĂŒr beide Seiten. Transparenz verstĂ€rkt das GefĂŒhl von Fairness, faire Behandlung steigert das Engagement der Mitarbeitenden, und engagierte Menschen sind produktiver.
Messbar wird das ĂŒber klassische Kennzahlen wie Mitarbeiterzufriedenheit, Fluktuationsrate und ProduktivitĂ€t. Ein oft ĂŒbersehener Vorteil: Klare, nachvollziehbare Gehaltsregeln verhindern auch unnötig hohe Lohnerhöhungen aus dem BauchgefĂŒhl heraus. Statt bei jeder Gehaltsverhandlung zu improvisieren, haben Unternehmen endlich ihre Personalkosten im Griff.
Der Return on Investment stellt sich nicht ĂŒber Nacht ein, aber er ist real und nachhaltig.






