08.10.2025
Lesedauer: 9 Min.

Arbeitsmarkt-Ökonom: „Mehr als zwei Jahre Rezession nähern sich dem Ende“ – was das für dein Recruiting bedeutet

Inhalt

  • Das Wichtigste in Kürze
  • Wirtschaftliche Rahmenbedingungen
  • Ambivalente Marktlage
  • Zukunftsskills
  • Top Talente halten und gewinnen
  • Handlungsempfehlungen
Hiring Trends Update 25-26

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Der Arbeitsmarkt in Deutschland steht weiterhin vor erheblichen Herausforderungen, insbesondere bei der Besetzung offener Stellen. Wir haben über 1.000 Personalverantwortliche und 6.800 Beschäftigte und Jobsuchende befragt. Gemeinsam mit dem Arbeitsmarkt-Ökonomen Dr. Julius Probst und Head of Talent Acquisition bei The Stepstone Group, Atena Rabou-Degenkolbe entschlüsseln wir die Dynamiken am deutschen Arbeitsmarkt.

Deckblatt des Reports: Hiring Trends Update 25/26. Die Zukunft der Arbeit im Blick. Trends, Chancen und Herausforderungen für Arbeitgeber.

Hiring Trends Update 25/26

Vom Fachkräftemangel bis AI: So stellt sich der Arbeitsmarkt neu auf

  • Vakanzzahlen sinken: Über alle Branchen hinweg ist die Zahl der Online-Stellenanzeigen zurückgegangen. In den letzten Monaten haben nur 23 % der Unternehmen mehr Einstellungen vorgenommen.
  • Time-to-Hire: 9 Wochen im Mittel, besonders herausfordernd in Produktion, Bauwesen sowie Finanz- und Rechnungswesen
  • Zentrale Recruiting-Herausforderung: benötigte Kompetenzen finden (87 %)
  • Hohe Wechselbereitschaft: Jede*r zweite Arbeitnehmer*in plant 2026 einen Jobwechsel
  • Flexibilität als Attraktivitätsfaktor: Flexible Arbeitsmodelle werden zu zentralen Anforderungen, nicht nur “nice-to-have” 

Zwei Jahre Rezession nähern sich dem Ende: Welche wirtschaftlichen Rahmenbedingungen dein Recruiting prägen

„Zwei Jahre Rezession nähern sich dem Ende”, erklärt Dr. Julius Probst, Ökonom der Stepstone Group. Hohe Energiepreise, steigende Zinsen, zunehmender Wettbewerb mit China und eine schwache Nachfrage nach Industriegütern sind Belastungsfaktoren, die die letzten Jahre stark geprägt haben. Aber: Ab dem kommenden Jahr ist jedoch mit einer Belebung durch staatliche Investitionsprogramme zu rechnen.

Porträtfoto Julius Probst, Arbeitsmarkt-Ökonom bei The Stepstone Group

Der Arbeitsmarkt hat deutlich nachgelassen: Offene Stellen sind seit 2022 stark zurückgegangen, besonders im Angestelltenbereich. Die Arbeitslosenquote ist von etwas über 5 % auf zuletzt 6,3 % gestiegen. (…). Positiv zu bewerten ist das angekündigte Konjunkturpaket von bis zu 1 Billion Euro, das Infrastruktur-, Energie- und Verteidigungsinvestitionen fördern soll. Dies wird mittelfristig zu einem Aufschwung führen, jedoch auch zu Arbeitskräfteengpässen.

Dr. Julius Probst, Arbeitsmarkt-Ökonom bei The Stepstone Group

Recruiting-Realität in Deutschland: eine ambivalente Marktlage

Der Jobmarkt hat sich nach der Covid-Pandemie grundlegend gewandelt. Kandidat*innen waren zunehmend gefragt, und was sich zuvor nur auf einzelne Berufsgruppen beschränkte, wurde zur neuen Normalität: Arbeitskräftemangel machte sich flächendeckend bemerkbar, der Arbeitsmarkt wandelte sich vom Arbeitgeber- zum Arbeitnehmermarkt. Die angespannte Wirtschaftslage der letzten Jahre hat dieses Kräfteverhältnis nun teilweise wieder umgekehrt, doch es ist wichtig zu betonen, dass wir uns trotz der angespannten wirtschaftlichen Lage nicht in einem reinen Arbeitgebermarkt befinden.

Infografik: 8 von 10 Unternehmen von Fachkräftemangel betroffen. Die Industrien, die am stärksten betroffen sind, sind Bauwesen, Groß- und Einzelhandel und Bildung & Training.
Über alle Branchen hinweg sagen 83 % der Recruiter*innen, dass sie von Fachkräftemangel betroffen sind – davon 16 % sehr stark.

Die Suche nach Talenten bleibt eine der größten Herausforderungen für Arbeitgeber – ein Trend, der sich in den nächsten Jahren noch verstärken dürfte. 83 % sind heute vom Fachkräftemangel betroffen (Quelle: HTU 09/25 [mittelmäßig, stark, sehr stark], The Stepstone Group).

Infografik: 9 Wochen: So lange brauchen Recruiter, um eine Stelle zu besetzen.

Im Schnitt der letzten sechs Monate betrug die Time-to-Hire in Deutschland rund 9 Wochen (Medianwert), wobei KMU mit 8 und Unternehmen mit mehr als 250 Mitarbeitenden rund 10 Wochen benötigen, um eine Vakanz zu füllen. 

Zukunftsaussichten und Zukunftsskills – für den Arbeitsmarkt

Geeignete Kandidat*innen mit den benötigten Kompetenzen zu finden ist aktuell die größte Herausforderung für Personalverantwortliche (87 %). Dazu kommen:

  • hohe Gehaltsforderungen von Kandidat*innen (76 %)
  • steigende interne Anforderungen an eine Stelle (70 %)

Gepaart mit reduzierten Recruitingsbudgets (59 %) und geringen Bewerberzahlen (70 %) wird Recruiting 2026 zur echten Challenge.

Die aktuellen Arbeitsmarktdaten zeigen eine Entwicklung in Richtung verstärkter Spezialisierung. Stellen für Hochqualifizierte und Spezialist*innen im MINT-Bereich sind immer schwieriger zu besetzen. Auch Branchen wie Pflege und Bildung leiden unter einem chronischen Mangel an qualifizierten Bewerber*innen.

Infografik: die gefragtesten Fähigkeiten und Kompetenzen bei der Rekrutierung. Top 3: Kundenorientierung, soziale Kompetenzen und technische Fähigkeiten
Soziale Kompetenzen, bsp. Problemlösung, kritisches Denken und Kommunikationsfähigkeiten stoßen bei Unternehmen auf hohe Nachfrage​.

Abgesehen von fachspezifischen Kompetenzen stehen auch Behavioral Skills wie Service- und Kundenorientierung, sowie soziale Kompetenzen wie kritisches Denken, Kommunikationsfähigkeiten ganz oben auf der Anforderungsliste der Recruiter*innen.

Porträt Atena Rabou-Degenkolbe, Head of Talent Acquisition GTM EMEA

In einer so volatilen Arbeitswelt, in der wir uns gerade befinden, mit all den politischen Up and Downs und wirtschaftlicher Instabilität, sind Mitarbeitende gefragt, die mit dieser Volatilität umgehen können. Unternehmen brauchen Mitarbeitende, die stressresistent sind und mit einer Organisation schritthalten, die stets im Wandel sein muss; die lösungsorientiert damit umgehen, dass sich Kundenanforderungen, die Produktion und der Service stetig verändern und entwickeln.

Atena Rabou-Degenkolbe, Head of Talent Acquisition bei The Stepstone Group

Deckblatt des Reports: Hiring Trends Update 25/26. Die Zukunft der Arbeit im Blick. Trends, Chancen und Herausforderungen für Arbeitgeber.

Hiring Trends Update

Hier erfährst du alles über:

  • die Top-Herausforderungen anderer HR-Experts
  • die aktuelle Stimmungslage am Markt
  • welche Attraktivitätsfaktoren für Kandidat*innen wirklich zählen

Diese Tendenz wird durch die Alterung der Erwerbsbevölkerung und die Abnahme der Nachwuchskräfte durch geburtenschwächere Jahrgänge verstärkt und breitet sich zunehmend auf alle Branchen aus. Für Unternehmen wird es daher immer wichtiger, im Wettbewerb um Talente zu bestehen.

Top Talente halten und gewinnen – Was HR-Expert*innen über Beschäftigte wissen sollten

Jobmobilität und Wechselbereitschaft

Aufgrund des Arbeitskräftemangels sind die Zeiten für gut qualifizierte Arbeitnehmer*innen trotz schwächelnder Wirtschaft vorteilhaft. Das spiegelt sich in einer hohen Jobmobilität wider:

  • 54 Prozent sind aktuell aktiv auf Jobsuche,
  • 40 Prozent suchen nicht aktiv, sind aber offen für neue Angebote,
  • Jede*r zweite Arbeitnehmer*in (55 %) plant konkret, sich 2026 nach einem neuen Job umzusehen

Unternehmen müssen sich an den Bedürfnissen ihrer Mitarbeitenden orientieren. Doch wie sehen diese konkret aus?

Infografik: Hohe Wechselbereitschaft unter Beschäftigten. 54 % sind aktiv auf Jobsuche, 40 % sind offen für Angebote und nur 6 % sind nicht wechselbereit. Die Hauptgründe, warum Beschäftigte ihr Unternehmen verlassen: Unzufriedenheit im Job, bessere Möglichkeiten anderswo und persönliche Gründe.
Mehr als jede*r Zweite plant den Job in 2026 zu wechseln​.

Work-Life-Balance und Remote Work als Schlüsselfaktoren

Flexible Arbeitsmodelle sind nicht nur nette Zusatzleistungen, sondern werden zu zentralen Anforderungen von Kandidat*innen:

  • 88 % haben das Gefühl, dass flexible Arbeitsmodelle ihre Work-Life-Balance verbessern
  • 72 % sind produktiver bei der Möglichkeit, hybrid zu arbeiten
  • 56 % würden einen Jobwechsel in Betracht ziehen, wenn ihnen keine flexiblen Arbeitsmöglichkeiten geboten werden

Handlungsempfehlungen für Personalverantwortliche

Der Bewerbungsprozess als Erfolgsfaktor Nr.1

Ein schlechter Bewerbungsprozess ist ein K.O.-Kriterium: 73 % der Kandidat*innen würden ein Jobangebot bei schlechtem Bewerbungsprozess ablehnen. Viele springen ab, weil der Prozess zu lange dauert. Dabei sind sich Kandidat*innen einig und das Rezept relativ simpel: Klare und detaillierte Stellenbeschreibungen, schnelle Rückmeldung nach Einreichen der Bewerbung und transparente Informationen zur Gehaltsspanne machen einen Bewerbungsprozess effizienter und angenehmer.

Porträt Atena Rabou-Degenkolbe, Head of Talent Acquisition GTM EMEA

Prio eins muss sein, die internen Prozesse straff zu ziehen. Es gibt immer externe Faktoren, die das Recruiting erschweren. Woran wir aber wirklich etwas ändern können, ist wie wir intern arbeiten. Für uns gibt es keine Ausschreibung ohne Intake-Meeting, bei dem wir uns als Sparringspartner verstehen, kritische Fragen stellen und wirklich herausfinden, nach welcher Person wir suchen sollen. Je klarer intern alle sind, desto effizienter und erfolgreicher wird Recruiting.

Atena Rabou-Degenkolbe, Head of Talent Acquisition bei The Stepstone Group

Lösungsansätze:

Porträt Atena Rabou-Degenkolbe, Head of Talent Acquisition GTM EMEA

Recruiting wird immer daten-getriebener, das hilft uns, wenn wir die Time-to-Hire reduzieren und Recruiting effizienter gestalten wollen. Bei Stepstone haben wir in den letzten 15 Monaten viel Zeit in den Aufbau KI-gestützter Dashboards investiert und arbeiten mit klaren Kennzahlen im Recruiting. Die Zahlen zu bekommen ist einfach: Man muss nur mit einem guten ATS arbeiten und die Daten im Daily Business pflegen. Wesentlich ist aber dann, die gewonnen Insights zu interpretieren und sicherzustellen, dass man die richtigen Schritte daraus ableitet.

Atena Rabou-Degenkolbe, Head of Talent Acquisition bei The Stepstone Group

Gefragte Positionen gut zu besetzen ist wichtiger denn je. Unternehmen müssen sicherstellen, dass kurzfristiger Gegenwind nicht langfristig die Geschäftsziele beeinträchtigt. Recruiting wird businessrelevant. Umso wichtiger wird es, sich strategisch gut aufzustellen und den hohen Stellenwert von Recruiting im Unternehmen sichtbar zu machen.

Infografik: Top Recruiting-Prioritäten im Jahr 2026. Top 3: Bewerberqualität verbessern (79 %), Skills-Based Hiring (77 %), Fokus aus Soft Skills (76 %).
Top Recruiting-Prioritäten im Jahr 2026 zielen auf die Verbesserung von Bewerber- und Matchingqualität ab.

Employee Retention und interne Mobilität fördern

Angesichts des verschärften Kampfes um Talente wird es für Unternehmen immer wichtiger, bestehende Mitarbeiter*innen zu halten und ihr Potenzial voll auszuschöpfen. Interne Mobilität und gezielte Weiterentwicklung können dabei helfen, Vakanzen schneller zu besetzen und gleichzeitig die Mitarbeiterbindung zu stärken.

Strategische Ansätze:

  • Upskilling und Reskilling: Investition in die Weiterbildung bestehender Mitarbeiter*innen, um sie für neue Rollen zu qualifizieren
  • Interne Karrierewege: Klare Entwicklungsmöglichkeiten aufzeigen und strukturierte Laufbahnplanung anbieten
  • Stay-Interviews: Regelmäßige Gespräche mit wertvollen Mitarbeiter*innen, um ihre Bedürfnisse zu verstehen und proaktiv auf Wechselgedanken zu reagieren
  • Flexible Benefits: Individualisierte Zusatzleistungen, die sich an den unterschiedlichen Lebensphasen und Bedürfnissen der Belegschaft orientieren
  • Mentoring-Programme: Erfahrungsaustausch zwischen verschiedenen Generationen fördern und Wissenstransfer sicherstellen
Porträt Atena Rabou-Degenkolbe, Head of Talent Acquisition GTM EMEA

In Zeiten des Fachkräftemangels ist jeder gut qualifizierte Mitarbeitende, den wir verlieren, doppelt so schwer zu ersetzen. Deshalb müssen Unternehmen genauso viel Energie in das Halten wie in das Gewinnen von Talenten investieren.

Atena Rabou-Degenkolbe, Head of Talent Acquisition bei The Stepstone Group

Erweiterte Talentpools erschließen

Um dem Fachkräftemangel erfolgreich zu begegnen, müssen Unternehmen ihre Recruiting-Strategie grundlegend überdenken und neue Zielgruppen erschließen. Die Fokussierung auf traditionelle Kandidatenprofile reicht in der aktuellen Marktlage nicht mehr aus.

Strategische Ansätze:

  • Internationales Recruiting: Systematische Anwerbung von Fachkräften aus dem Ausland, einschließlich Unterstützung bei Visa-Verfahren und Integration
  • Skills-based Hiring: Bewertung von Kandidat*innen primär nach ihren tatsächlichen Fähigkeiten statt nach formalen Qualifikationen oder Branchenerfahrung
  • Quereinsteiger*innen fördern: Gezielte Ansprache von Personen aus anderen Branchen mit übertragbaren Kompetenzen
  • Diversity Recruiting: Aktive Erschließung unterrepräsentierter Gruppen wie ältere Arbeitnehmer*innen, Frauen in MINT-Berufen oder Menschen mit Behinderungen
  • Alumni-Netzwerke: Aufbau langfristiger Beziehungen zu ehemaligen Mitarbeiter*innen und Praktikant*innen für mögliche Rückkehr
  • Kooperationen mit Bildungseinrichtungen: Partnerschaften mit Universitäten, Fachhochschulen und Ausbildungsstätten zur frühzeitigen Talentidentifikation

Die Studienreihe “Hiring Trends Update (vormals Hiring Trends Index)” ist eine halbjährlich erscheinende Untersuchung von The Stepstone Group. Dafür wurden im Zeitraum vom 10.09.2025 – 22.09.2025 online 6.857 Bewerber*innen sowie 1.067 Recruiter*innen befragt. Beleuchtet wurden unter anderem die Bereitschaft bei Arbeitnehmenden, eine neue Stelle zu suchen, welche Faktoren dabei ausschlaggebend sind und wie sie den Bewerbungsprozess wahrnehmen. Ziel ist es, einen Blick auf die Recruiting-Landschaft zu werfen und die Herausforderungen von Unternehmen zu verstehen.