23. September 2024
Lesedauer: 9 Min.

Beschäftigung von Rentnern und Rentnerinnen: Worauf Unternehmen achten müssen

Inhalt

  • Was das Arbeitsrecht sagt
  • Beschäftigung eines Bestandsmitarbeiters
  • Beschäftigungvon neuen Mitarbeitenden
  • Sozialversicherung
Studie: The Age Advantage - Recruiting ohne Altersgrenzen

Studie: The Age Advantage – Recruiting ohne Altersgrenzen

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Immer mehr Menschen arbeiten nach Erreichung der Regelaltersgrenze weiter. So befanden sich beispielsweise bereits im Jahr 2022 mehr als 1,3 Millionen Altersrentner*innen in einem aktiven Beschäftigungsverhältnis.1 Bedingt durch den demografischen Wandel und dem damit verbundenen anhaltenden Fachkräftemangel ist davon auszugehen, dass die Zahl der erwerbstätigen Rentner*innen in Deutschland weiter ansteigen wird. Für Personalverantwortliche ist es daher unabdingbar, sich mit den sich ändernden Gegebenheiten auseinanderzusetzen, insbesondere die Anforderungen an die Einstellung von Altersrentner*innen zu kennen und die Besonderheiten der Beschäftigung von Rentnern und Rentnerinnen bei ihrem unternehmerischen Handeln zu berücksichtigen. Der folgende Beitrag soll daher einen Überblick über die sozial- und arbeitsrechtlichen Aspekte geben, die Unternehmen hierbei zu beachten haben. 

Illustration von 4 Personen unterschiedlichen Alters und unterschiedlicher Herkunft

73 % der Arbeitskräfte ab 55 Jahren sind bereit, über das Rentenalter hinaus zu arbeiten.​

In der Studie „The Age Advantage: Recruiting ohne Altersgrenzen“ untersuchen wir, wie die Förderung von Altersdiversität Unternehmen helfen kann, erfahrene Talente einzustellen, die bereit sind, über Jahre hinweg einen Beitrag zu leisten.

Studie: The Age Advantage - Recruiting ohne Altersgrenzen

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Was sagt das Arbeitsrecht über die Beschäftigung von Rentnern und Rentnerinnen?

Das Wichtigste auf einen Blick 

  • Der Rentenbeginn bedeutet nicht zwangsläufig das Ende des Arbeitsverhältnisses, allerdings muss in der neuen Situation einiges beachtet werden. 
  • Unternehmen steht es frei, Bestandsmitarbeitende auch über das Erreichen der Regelaltersgrenze hinaus zu beschäftigen
  • Den Unternehmen stehen mehrere Beschäftigungsformen zur Verfügung. Insbesondere die Beschäftigung der Rentner*innen als Minijobber, freie Mitarbeitende sowie die Weiterbeschäftigung im Rahmen eines befristeten Arbeitsverhältnisses sind dabei besonders beliebt.  

Erreicht ein Bestandsmitarbeiter die sozialversicherungsrechtliche Altersgrenze (§ 35 i.V.m. § 235 SGB VI), endet damit nicht automatisch das bestehende Arbeitsverhältnis

Grundsätzlich stehen den Rentner*innen im laufenden Arbeitsverhältnis dieselben Rechte zu, wie allen anderen Beschäftigten auch. Das bedeutet, dass aus arbeitsrechtlicher Sicht dem Erfolg einer (Weiter-)Beschäftigung von Altersrentner*innen grundsätzlich nichts entgegensteht. 

Die Klausel zur Regelaltersgrenze regelt die Beendigung des Arbeitsverhältnisses

Schauen Sie sich den Arbeitsvertrag Ihrer Mitarbeitenden im Detail an: Beinhaltet er eine Klausel zur Regelaltersgrenze?

  • Bei fehlender vertraglicher Regelung besteht das Arbeitsverhältnis auch über die Erreichung der Regelaltersgrenze hinaus fort. 
  • Soweit sich in den Arbeitsverträgen allerdings eine Regelung zur automatischen Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit Erreichung der Regelaltersgrenze befindet, so endet das Arbeitsverhältnis mit dem Erreichen dieser Altersgrenze, ohne dass es einer Kündigung bedarf. 

Beschäftigung nach dem Erreichen der Regelaltersgrenze eines Bestandsmitarbeiters

Möchte der/die Mitarbeitende im Rentenalter weiterbeschäftigt werden, stehen dem Unternehmen grundsätzlich mehrere Möglichkeiten zur Verfügung. Nachstehend informieren wir Sie über folgende Beschäftigungsformen: 

Hinausschieben des Beendigungszeitpunkts über die Regelaltersgrenze

Piktogramm einer Akte mit der Waage der Justiz

Wurde in dem Arbeitsvertrag des Mitarbeitenden eine Regelung über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit Erreichung der Regelaltersgrenze getroffen, so steht es den Arbeitsvertragsparteien (Arbeitgeber und Arbeitnehmer*in) frei, eine sog. Hinausschiebensvereinbarung zu treffen, mit der der Beendigungszeitpunkt, ggf. auch mehrfach, hinausgeschoben werden kann.2 

Zur Wirksamkeit dieser Vereinbarung ist zu beachten: 

  • Diese Vereinbarung muss während des laufenden Arbeitsverhältnisses  schriftlich abgeschlossen werden. 
  • Es ist eine ununterbrochene Fortsetzung des ursprünglichen Arbeitsverhältnisses gefordert. 

Ob mit dieser Hinausschiebensvereinbarung gleichzeitig auch Vertragsänderungen (bspw. die Reduzierung der Arbeitsstunden) geregelt werden dürfen, ist strittig. Vorsichtshalber wäre zu empfehlen, gewünschte Vertragsänderungen nicht gleichzeitig mit der Hinausschiebensvereinbarung abzuschließen.3  

Abschluss eines neuen, befristeten Arbeitsvertrags für Rentner*innen mit dem bisherigen Arbeitgeber

Piktogramm einer Akte mit der Waage der Justiz

Es können mit Altersrentner*innen auch neue Arbeitsverträge geschlossen werden. Regelmäßig wird es sich dabei allerdings um den Abschluss eines befristeten Arbeitsvertrags handeln, womit es insbesondere die Vorgaben des Teilzeitbefristungsgesetzes (TzBfG) zu beachten gilt.  

Da eine unwirksame Befristung zu einem unbefristeten Arbeitsverhältnis führt, gilt es dabei Folgendes zu beachten:

  • War der/die zu beschäftigende Arbeitnehmer*in zu einem früheren Zeitpunkt schon einmal im Unternehmen beschäftigt, kommt eine befristete Einstellung lediglich dann in Betracht, soweit ein sachlicher Grund für die Befristung gegeben ist. 
  • Es muss gem. § 14 Abs. 1 TzBfG ein sachlicher Grund vorliegen (Zweckbefristung/Sachgrundbefristung), der die befristete Anstellung des/der Rentner*in rechtfertigt. Besteht ein solcher Grund nicht, liegt regelmäßig ein Verstoß gegen das Vorbeschäftigungsverbot aus § 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG vor.
Piktogramm: Eule

Beispiele von sachlichen Gründen zur Beschäftigung von Rentnern oder Rentnerinnen

  • der/die Rentner*in wird für die Dauer der Vertretung für eine*n andere*n Kolleg*in eingesetzt; § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 TzBfG oder 
  • der/die Rentner*in deckt einen vorübergehenden Arbeitskräftebedarf; § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 TzBfG 
  • der/die Rentner*in hat einen individuellen Grund, der die Befristung rechtfertigt; § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 6 TzBfG. Hierbei wird von dem Personalverantwortlichen die konkrete Darlegung von Tatsachen gefordert, die das Arbeitnehmerinteresse an einem befristeten Arbeitsvertrag hinreichend begründet.4 Rentner*innen haben oft das Interesse, sich die verbleibende Zeit ihrer Rente frei einzuteilen. Die Wunschbefristung von Arbeitnehmer*innen im Rentenalter kann daher regelmäßig damit gerechtfertigt werden, dass der*die Rentner*in selbst bei Vorliegen eines Angebots des Arbeitgebers über einen unbefristeten Arbeitsvertrag, den befristeten Arbeitsvertrag gewählt hätte, soweit dies auch tatsächlich zutrifft.4

Beschäftigung von Rentnern und Rentnerinnen als neue Mitarbeitenden

Der Abschluss eines neuen Arbeitsvertrags

Piktogramm einer Akte mit der Waage der Justiz

Soweit zwischen dem Unternehmen und dem/der einzustellenden Rentner*in zuvor kein Arbeitsverhältnis bestanden hat, kommt neben der oben dargelegten Sachgrundbefristung auch eine sachgrundlose Befristung (kalendermäßige Befristung ) gem. § 14 Abs. 2 TzBfG in Betracht.  

Hierbei gilt es in diesem Kontext Folgendes zu beachten:  

  • Eine kalendermäßige Befristung des Arbeitsvertrags ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes ist bis zur Dauer von höchstens zwei Jahren zulässig.5 
  • Bis zu dieser Gesamtdauer (zwei Jahre) darf der geschlossene Arbeitsvertrag höchstens dreimal verlängert werden.6 
  • Eine längere sachgrundlose Befristung ist nur dann möglich, soweit die Höchstbefristungsdauer durch Tarifvertrag abweichend festgelegt wurde.7 

Achtung: Von einer befristeten Beschäftigung von Altersrentner*innen gem. § 14 Abs. 3 TzBfG, wonach eine sachgrundlose Befristung des Arbeitsvertrags bis zu einer Dauer von fünf Jahren zulässig ist, sollte in diesem Fall abgesehen werden, da Altersrente im Grunde nicht als Beschäftigungslosigkeit (§ 138 Nr. 1 SGB III) gewertet werden kann.8 

Beschäftigung von Rentner*innen als „freier Mitarbeiter“

Piktogramm einer Akte mit der Waage der Justiz

Neben dem Abschluss eines (befristeten) Arbeitsvertrags besteht grundsätzlich die Möglichkeit, Personen, die bereits die Regelaltersgrenze erreicht haben, als freie Mitarbeitendeeinzustellen.

Sollte sich das Unternehmen für diese Form der Weiterbeschäftigung entscheiden, wird eine Statusklärung nach §  7a  SGB IV  bei der DRV-Bund oder ein Einzugsstellenverfahren nach §  28h   SGB IV bei der Krankenkasse empfohlen.10 

Um das fachliche Knowhow und die Berufserfahrung gewinnbringend für das eigene Unternehmen nutzen zu können, werden gerne sog. „Berater“-Verträge abgeschlossen. Hierbei gilt es besonders auf die Gefahr der Scheinselbstständigkeit hinzuweisen. Diese ist insbesondere dann anzunehmen, soweit:

  • der/die Rentner*in im Wesentlichen die gleichen Aufgaben wahrnimmt wie in der Zeit vor Eintritt in die Regelaltersgrenze; 
  • für Dritte nicht ersichtlich ist, dass der/die Rentner*in nicht mehr in die betrieblichen Verhältnisse eingegliedert ist; 
  • der/die Rentner*in weiterhin weisungsgebunden arbeitet9.  

Rentner als Minijobber: Geringfügige Beschäftigung bei Rentnern

Piktogramm einer Akte mit der Waage der Justiz

Als Minijob können grundsätzlich Beschäftigungen gegen ein geringfügiges Arbeitsentgelt oder kurzfristige Beschäftigungen (zeitlich befristete Beschäftigungen) bezeichnet werden. Ein Minijob liegt vor, soweit der*die Arbeitnehmer*in einen monatlichen Verdienst von maximal bis zur Geringfügigkeitsgrenze erhält, oder einen Arbeitseinsatz von höchstens 70 Tagen pro Kalenderjahr leistet.

Wie alle Beschäftigungen von Arbeitnehmern ist auch die geringfügige Beschäftigung von Rentner*innen versicherungsfrei.  

Beschäftigung von Rentnern und Sozialversicherung

Was zahlt der Arbeitgeber?

Auch sozialversicherungsrechtlich gilt es bei der Beschäftigung von Rentner*innen einige Besonderheiten zu beachten:

Illustration einer Person, die zwischen riesigen Geldscheinen steht

Altersrentner*innen mit einer geringfügigen Beschäftigung

  • Geringfügig beschäftigte Rentner*innen sind ebenso wie alle anderen Minijobber von der Versicherungspflicht befreit.
  • Bei Vollrentner*innen erstreckt sich diese Befreiung auch auf die Rentenversicherung.
  • Arbeitgeber müssen dennoch den Anteil an den pauschalen Beiträgen entrichten. Soweit der*die Rentner*in der gesetzlichen Krankenversicherung unterliegen, ist dieser Anteil mit dem Beitragsgruppenschlüssel 6 5 0 0 zu melden.
Illustration einer Person, die einen großen Geldbeutel vor ihr Gesicht hält

Altersrentner*innen, die mehr als eine geringfügige Beschäftigung ausüben

  • Altersrentner*innen, die mehr als eine geringfügige Beschäftigung ausüben sind in der Kranken- und Pflegeversicherung grundsätzlich versicherungspflichtig, während in der Rentenversicherung auf Grund des Rentenbezugs Versicherungsfreiheit besteht.
  • Der Arbeitgeber hat trotzdem den Beitragsanteil der Rentenversicherung abzuführen. Aufgrund des Anspruchs auf Krankengelt ist für die Krankenversicherung lediglich der ermäßigte Beitragssatz zu entrichten.

Wie viel dürfen Arbeitnehmer*innen verdienen?

Der/die Rentenbezieher*in kann neben der Rente einen Hinzuverdienst in unbeschränkter Höhe beziehen, ohne eine Rentenminderung befürchten zu müssen.13 Die Einnahmen aus der Rentenbeschäftigung stellen grundsätzlich steuerpflichtiges Einkommen dar. Es besteht Versicherungsfreiheit bzgl. der Arbeitslosenversicherung, § 28 Nr. 1 SGB III.  


Porträtbild von Joyce Kyriacou, Wirtschaftsjuristin

Über die Autorin

Joyce Kyriacou ist Wirtschaftsjuristin und widmet sich schwerpunktmäßig dem Bereich Arbeitsrecht. Sie arbeitet seit 2024 bei The Stepstone Group.


Quellen:

1 Vgl. „Mehr als 1,3 Millionen Rentner arbeiten zusätzlich“, Tagesschau
2 Vgl. § 41 S. 3 SGB VI
3 Vgl. Ascheid/Preis/Greiner SGB VI § 41, Rdnr. 73
4„Rentnerbeschäftigung, ein rotes Tuch? – So kann es gehen“, Kliemt.de
5 Vgl. § 14 Abs. 2 S. 1 HS. 1 TzBfG
6 Vgl. § 14 Abs. 2 S. 1 HS. 2 TzBfG
7 Vgl. § 14 Abs. 2 S. 3 TzBfG
8 Vgl. Zieglmeier: Befristete Rentnerbeschäftigung (NZA 2023, 1078)
9 Vgl. Benkert: Arbeitsrechtliche Aspekte der Beschäftigung von Rentnern, (NJW-Spezial), 2023, 562.
10 Vgl. Zieglmeier: Befristete Rentnerbeschäftigung (NZA) 2023, 1079