23. August 2024
Lesedauer: 18 Min.

Betriebliches Eingliederungsmanagement: So gelingt das BEM-Gespräch

Inhalt

  • Das Wichtigste in Kürze
  • Definition
  • Gesetzliche Grundlage des BEM
  • BEM ist für alle Parteien sinnvoll
  • Rolle des Arbeitgebers im BEM-Prozess
  • Mindestanforderungen für das BEM-Gespräch
  • BEM- Gespräch Leitfaden
  • Dann ist das BEM abgeschlossen
  • Maßnahmen zur Wiedereingliederung
  • Fallbeispiele
  • Wiedereingliederung nach Long COVID
  • Häufig gestellte Fragen:

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Ihre Mitarbeiterin hat erneut eine Krankmeldung eingereicht – ihre Abwesenheiten haben sich in den letzten zwölf Monaten stark gehäuft. Insgesamt ist sie nun länger als sechs Wochen krank. Nun ist es erforderlich, dass Sie als Arbeitgeber aktiv werden und das betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM) initiieren.

Erfahren Sie in diesem Artikel alles, was Sie über das BEM-Verfahren wissen müssen, um Ihre Mitarbeitenden zu unterstützen, nach Erkrankung wieder an den Arbeitsplatz zurückzukehren.

“BEM ist ein Suchprozess”, sagt Diplom Sozial- und Betriebswirt Eberhard Kiesche, der als Arbeits- und Datenschutzberater auch zum BEM berät. Unter anderem wenn es um die Begutachtung und Entwicklung von BEM-Betriebsvereinbarungen geht.

Kiesche sagt: “Das BEM ist eine Erfolgsgeschichte”, seinen Schätzungen zufolge wird es in mittleren und größeren Betrieben zu 80% umgesetzt. Vor allem in kleinen Betrieben gäbe es noch Optimierungsbedarf.

Das Wichtigste in Kürze

  • Das Betriebliche Eingliederungsmanagement (BEM) hilft Mitarbeitenden dabei, sich nach längerer Krankheit wieder in den Arbeitsplatz einzugliedern
  • Arbeitgeber sind verpflichtet, Arbeitnehmende mit sechs Wochen Krankheit im Jahr zu einem BEM einzuladen
  • Arbeitnehmer*innen können das BEM ablehnen – es ist freiwillig
  • Ein gut durchgeführtes BEM ist sowohl für Unternehmen als auch für Mitarbeitende von Vorteil
  • Bei der Wiedereingliederung helfen in etwa ergonomische Anpassungen am Arbeitsplatz oder flexible Arbeitszeiten

Definition Betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM)

Das betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM) ist eine systematische Maßnahme zur Unterstützung und Wiedereingliederung von Mitarbeitenden, die längerfristig krank sind. Das Ziel des BEM ist, die erkrankten Mitarbeiter*innen zu unterstützen, wieder zurück in den Job zu kehren und somit ihre Leistungsfähigkeit im Job zu sichern. Kiesche formuliert es so: “Das BEM ist eine Eingliederungsmaßnahme, keine Ausgliederungsmaßnahme.” Gemeinsam solle herausgefunden werden, warum die Person arbeitsunfähig ist. Die bestehende Arbeitsunfähigkeit soll abgebaut, neue Arbeitsunfähigkeit verhindert und die Beschäftigung gesichert werden.

Das ist die gesetzliche Grundlage des BEM

BEM Gespräch ab wann? Wenn Mitarbeitende innerhalb eines Jahres mehr als sechs Wochen krankheitsbedingt ausfallen, muss der Arbeitgeber gemäß Paragraph 167 des Neunten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB IX) handeln. Das bedeutet, dass der Arbeitgeber zusammen mit der betroffenen Person klären muss, wie die Arbeitsunfähigkeit überwunden und zukünftig auch vermieden werden kann. Wie diese Klärungen aussehen können, gibt das Gesetz jedoch absichtlich nicht vor, da sie individuell zum Arbeitnehmenden passen sollen.

Während des BEM-Prozesses werden geeignete Beschäftigungsmöglichkeiten und notwendige Hilfen identifiziert, die dazu beitragen, dass Angestellte wieder arbeiten können und somit die Weiterbeschäftigung gesichert ist. Die Teilnahme am BEM ist freiwillig; Mitarbeiter*innen sind nicht verpflichtet, sich daran zu beteiligen. “Dennoch ist es nicht ratsam, wenn Mitarbeitende sich vor dem BEM verschließen, denn dann können sie leichter wegen Krankheit gekündigt werden”, so Kiesche.

BEM ist für alle Parteien sinnvoll

Ein gut durchgeführtes betriebliches Eingliederungsmanagement ist nicht nur gesetzliche vorgeschrieben, sondern bietet für Unternehmen, besonders zu Zeiten des Fachkräftemangels und der demographischen Entwicklungen, Vorteile. Es fördert die Gesundheit und Leistungsfähigkeit der Mitarbeiter*innen und reduziert somit Fehlzeiten und krankheitsbedingte Kündigungen, was wiederum Personalkosten senkt.

Darüber hinaus können Arbeitgeber, die ein wirkungsvolles BEM etablieren, von Prämien oder Boni profitieren, die von Rehabilitationsträgern und Integrationsämtern bereitgestellt werden. Dies kann eine zusätzliche Motivation für Unternehmen darstellen, ein effektives Managementsystem zur Wiedereingliederung zu implementieren.

Auch für die betroffenen Mitarbeiter*innen liegen die Vorteile auf der Hand. Denn das BEM stellt eine Unterstützung dar, die helfen kann, Arbeitslosigkeit oder vorzeitigen Ruhestand zu vermeiden. Wichtig ist: Beim BEM (Betriebliches Eingliederungsmanagement) geht es nicht um Kündigungen, sondern darum, den Arbeitsplatz dauerhaft zu sichern. BEM sollte nicht drohen, sondern helfen. Dennoch kann eine Einladung zum BEM bei Mitarbeitenden anfangs Ängste auslösen – besonders, wenn sie diese Einladung während einer Krankheitsphase erhalten. Die BEM-Frist für die Antwort auf das BEM-Angebot beträgt in der Regel vier Wochen. Eberhard Kiesche erklärt jedoch, dass es bei längeren Erkrankungen, etwa bei Krebs oder psychischen Erkrankungen, möglich ist, den Arbeitgeber um eine Verschiebung des Termins zu bitten: “In der Praxis habe ich bisher nur erlebt, dass Arbeitgeber ihren Mitarbeitenden diese Zeit gewährt haben.”

Zu guter Letzt leistet ein erfolgreiches BEM einen wesentlichen Beitrag zur Entlastung der Sozialversicherungen, indem es beispielsweise Krankengeldzahlungen oder Erwerbsminderungsrenten vermeidet.

Rolle des Arbeitgebers im BEM-Prozess

Die Einladung des Arbeitgebers zum BEM-Erstgespräch kann auch erfolgen, solange derdie Arbeitnehmer*in noch erkrankt ist. Sie enthält eine Frist von zwei , zu der der Arbeitnehmende antworten muss, ob er*sie teilnehmen möchte oder überhaupt gesundheitlich in der Lage dazu ist. Außerdem muss der Arbeitgeber die eingeladene Person umfassend über die Ziele des BEM aufklären und auch darüber, welche gesundheitlichen Daten erhoben werden sollen (Paragraph 167, Abschnitt 2 des Neunten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB IX)). Denn um das BEM-Verfahren erfolgreich durchzuführen und die besten Lösungen zu finden, müssen sensible, gesundheitliche Daten erhoben werden. Der Arbeitgeber muss deshalb sicherstellen, dass diese Daten besonders geschützt werden. Verpflichtungen zur Verschwiegenheit können in einer gesonderten Vereinbarung festgehalten werden.

Der Arbeitgeber ist außerdem verpflichtet, auf die Freiwilligkeit des BEM hinzuweisen. Und auch, dass der Arbeitnehmende selbst entscheiden darf, wer Teil des BEM-Teams werden soll. Es ist wichtig, dass der BEM-Prozess von Vertrauen und Akzeptanz geleitet ist und das sicher ist, dass die besprochenen Themen vertraulich behandelt werden.

Grundsätzlich sollte der Arbeitgeber gemeinsam mit dem*der Mitarbeitenden die beste Lösung zu finden, um weiterhin erfolgreich zusammenarbeiten zu können.

So ist das Team des BEM aufgestellt

An dem BEM-Gespräch müssen der*die Arbeitnehmer*in sowie eine Arbeitgebervertretung teilnehmen. Dies kann eine Person aus der HR oder aus dem Integrationsteam sein, wie es sie in größeren Unternehmen gibt. Auf Wunsch des Arbeitnehmenden kann auch der Betriebs- oder Personalrat zur Unterstützung herangezogen werden. Durch eine Gesetzesänderung aus dem Jahr 2021 darf auch eine Vertrauensperson des Arbeitnehmenden mitgebracht werden. Dies kann die Ehefrau aber auch eine Anwältin sein.

Bei schwerbehinderten Beschäftigten kann auch die Schwerbehindertenvertretung hinzugezogen werden. Außerdem kann es sinnvoll sein, den*die Betriebsärzt*in hinzuzuholen. Immer gilt: Bei allen Teilnehmer*innen entscheidet der Mitarbeitende, ob diese dabei sein sollen.

Mindestanforderungen für das BEM-Gespräch

Es gibt keine festen Regeln für den BEM-Gesprächs-Ablauf. Dennoch ist es notwendig, strukturierte Prozesse und klare Vorgehensweisen zu haben, um die Anforderungen an das BEM-Verfahren richtig zu erfüllen. Das Bundesarbeitsgericht hat in einem Urteil vom 10. Dezember 2009 (Az.: 2 AZR 198/09) grundlegende Mindestanforderungen für das Betriebliche Eingliederungsmanagementdefiniert. Für die erfolgreiche Verteidigung eines ordnungsgemäß durchgeführten BEM-Verfahrens vor Gericht müssen folgende Kriterien erfüllt sein:

  • Alle gesetzlich vorgeschriebenen Beteiligten, wie der Betriebs- oder Personalrat, der*die Betriebsärzt*in, die Schwerbehindertenvertretung oder das Integrationsamt, wurden einbezogen, sofern der Arbeitnehmer ihre Teilnahme nicht ausdrücklich abgelehnt hat.
  • In den BEM-Gesprächen mit dem Arbeitnehmer wurden keine relevanten Anpassungsmaßnahmen ausgeschlossen.
  • Die Vorschläge der Beteiligten wurden diskutiert und geprüft.

Nur wenn diese Voraussetzungen erfüllt werden, können die Anforderungen für eine krankheitsbedingte Kündigung als gerechtfertigt gelten.

BEM- Gespräch Leitfaden

Leitfaden für ein effektives und respektvolles BEM-Verfahren, mit Tipps und Hinweisen von Eberhard Kiesche:

1. Unverbindliches Erstgespräch:

  • Ziel: Informieren Sie den Mitarbeitenden unverbindlich und umfassend über das BEM-Verfahren, insbesondere über den Datenschutz und die Vertraulichkeit der Gespräche. Damit stellen Sie die von den Datenschutzgesetzen geforderte Transparenz her.
  • Datenschutz: Klären Sie vorab, dass alle personenbezogenen Daten der betroffenen Personen vertraulich behandelt und getrennt von der Personalakte in einer separaten BEM-Akte aufbewahrt werden. Es werden im BEM Gesundheitsdaten verarbeitet, die vom Arbeitgeber geschützt aufbewahrt werden müssen.
  • Zustimmung und Einwilligung: Der Mitarbeitende muss dem freiwilligen BEM-Verfahren informiert und frei zustimmen und nach umfangreicher Aufklärung bzw. Information eine datenschutzrechtliche Einwilligung unterschreiben.

2. Rechtzeitige Einladung und Terminvereinbarung:  

  • Antwort auf das schriftliche BEM-Angebot (Einladung): Stellen Sie sicher, dass die Einladung zum BEM in einem Erstanschreiben nach Erreichen der gesetzlichen Voraussetzungen (42 Tage in 12 Kalendermonaten) durch die Personalabteilung zügig erfolgt. Die vom Arbeitgeber gesetzte Frist für die Mitarbeitenden beträgt in der Regel vier Wochen, allerdings sollte bei längerer Krankheit auch später eine Antwort der Mitarbeitenden möglich sein. Antworten die Mitarbeitenden nicht, sollten zwei BEM-Erinnerungsschreiben erfolgen.
  • Terminfindung: Vereinbaren Sie einen Termin eines Erstgesprächs im BEM, der dem Mitarbeitenden ausreichend Zeit zur Vorbereitung gibt und er sich im Vorfeld bereits über das BEM-Verfahren im Betrieb (beispielsweise die Akteure, Ablauf, Vertrauensperson, Vorteile des BEM) informieren kann.

3. Klärungsgespräch – Ursachenanalyse:

  • Fokus auf Gesundheit und Arbeitsfähigkeit: Besprechen Sie gemeinsam mit dem Mitarbeitenden, ob es betriebliche oder persönliche Ursachen gibt, die die Beschäftigungsfähigkeit beeinträchtigen.
  • Klären Sie im Gespräch, ob bereits Präventionsmaßnahmen im Betrieb oder bei den behandelnden Ärzten getroffen wurden und inwiefern diese wirksam geholfen haben.

4. Maßnahmengespräch – Erarbeitung von Lösungen:

  • Gemeinsame Lösungsfindung: Der Mitarbeitende sowie die anderen Teilnehmer*innen am BEM-Fall haben ebenso wie der Fallmanager ein Vorschlagsrecht. Denken Sie daran: Der Mitarbeitende ist die Hauptperson. Arbeiten Sie gemeinsam und fair an der Entwicklung von zielorientierten Maßnahmen, die die Rückkehr in den Arbeitsprozess unterstützen. Schaffen Sie ein Klima des Vertrauens und der Offenheit.
  • Umsetzung der Vorschläge durch den Arbeitgeber: Der Arbeitgeber prüft die im Team eingebrachten Vorschläge und entscheidet, welche Maßnahmen umgesetzt werden können. Sollte später eine Kündigung erfolgen, muss der Arbeitgeber nachweisen, dass alle einvernehmlich vorgeschlagenen Maßnahmen zum Erhalt der Beschäftigungsfähigkeit umgesetzt wurden, beziehungsweise warum das nicht möglich war. Geben Sie der Umsetzung der BEM-Maßnahmen und den Mitarbeitenden ausreichend Zeit. Sorgen Sie für soziale Unterstützung bei der Rückkehr an den Arbeitsplatz.

5. Vertraulichkeit und Datenschutz:

  • Vertraulichkeit wahren: Achten Sie darauf, dass alle Gespräche und personenbezogenen Daten, insbesondere Gesundheitsdaten, vertraulich behandelt werden. Diese gehören gegegebenfalls in die Patient*innenakte bei dem*der Betriebsärzt*in, in die BEM-Akte beim BEM-Fallmanager und dürfen keinesfalls in die Personalakte aufgenommen werden.
  • Trennung der Akten erforderlich: Gesundheitsdaten bzw. medizinische Daten gehören in die Akte des Betriebsarztes. In die Personalakte kommt nur der Nachweis, dass das BEM vom Arbeitgeber ordnungsgemäß durchgeführt wurde (z.B. Angebot des BEM, Antwort, Abbruch, Beendigung).

6. Schriftliche Dokumentation der Maßnahmen:

  • Dokumentation: Halten Sie alle Maßnahmen und Entscheidungen schriftlich fest. Die Gesprächsprotokolle, d.h. nur Ergebnisse, sollten knapp und präzise sein, um Missbrauch der Daten zu vermeiden.
  • Aufbewahrungsfrist: Die BEM-Akte wird längstens nach drei Jahren vernichtet oder dem Mitarbeitenden auf Wunsch übergeben.

7. Rückkehr und Wirksamkeitskontrolle:

  • Kontrolle: Überprüfen Sie nach der Umsetzung der Maßnahmen, ob diese erfolgreich bzw. wirksam waren und zum Abbau der Arbeitsunfähigkeit geführt haben.
  • Neuerliches Angebot: Bieten Sie unbedingt ein erneutes BEM an, sollte der Mitarbeitende wieder die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllen, d.h. 42 Tage wiederholt oder unterbrochen erkrankt sein. BEM darf nach dem Bundesarbeitsgericht (BAG) nicht einseitig vom Arbeitgeber beendet werden. Der Abschluss des BEM muss in der Regel im Konsens erfolgen.

8. Langfristige und flexible Lösungen:

  • BEM braucht Zeit: BEM ist ein Eingliederungsprozess, der seine Zeit braucht. Es sollte von Beginn an kein Druck auf den Mitarbeitenden ausgeübt werden, z.B. möglichst schnell Entscheidungen zu treffen.
  • Zielführende Maßnahmen: Der Arbeitgeber muss regelmäßig prüfen, ob weitere zielführende Präventionsmaßnahmen möglich sind. Sollte die Arbeitsfähigkeit nicht wiederhergestellt werden können oder dauerhafte Arbeitsunfähigkeit droht und sind keine Maßnahmen mehr denkbar, ist auch eine Beendigung des BEM möglich.

Dann ist das BEM abgeschlossen

Ein BEM gilt als abgeschlossen, wenn die Fehlzeiten dauerhaft unter die Sechs-Wochen-Grenze gesenkt wurden und derdie Mitarbeitende, die Beteiligten am BEM und der Arbeitgeber das Verfahren als beendet ansehen. Außerdem gilt es als abgeschlossen, wenn auch nach Beratung durch externer Fachstellen wie dem Integrationsamt oder des Integrationsfachdienstes keine weiteren Möglichkeiten zur Verbesserung der Beschäftigungsfähigkeit bestehen. In der Praxis hat Kiesche das erst einmal erlebt. Kiesche betont, dass ein BEM einseitig nur von derdem Arbeitnehmenden beendet werden darf, nicht vom Arbeitgeber. Arbeitgeber sind dazu verpflichtet, die Beendigung zu dokumentieren.

Die Grafik zeigt sechs Illustrationen, die die jeweiligen Wiedereingliederungsmaßnahmen repräsentieren: Anpassung des Arbeitsplatzes (Tisch), Flexible Arbeitszeiten (Uhr), Stufenweise Wiedereingliederung (vier Stühle), Sicheres Arbeitsumfeld (Helm), Rehabilitationsmaßnahmen (Rollstuhl), Psychologische Unterstützung (Herz mit Kreuz in der Mitte)

Maßnahmen zur Wiedereingliederung

Es ist entscheidend, maßgeschneiderte Maßnahmen zur Unterstützung der Wiedereingliederung von Mitarbeitenden nach längerer Krankheit oder Arbeitsunfähigkeit zu entwickeln. Die Anpassung des Arbeitsplatzes, flexible Arbeitszeiten, stufenweise Wiedereingliederung sowie weitere unterstützende Maßnahmen sind zentrale Elemente, um die Rückkehr an den Arbeitsplatz zu erleichtern und gleichzeitig die Gesundheit und Leistungsfähigkeit der Mitarbeitenden zu fördern. Im Folgenden werden konkrete Fallbeispiele vorgestellt, die veranschaulichen, wie diese Maßnahmen in der Praxis umgesetzt werden können.

Fallbeispiele von BEM-Maßnahmen

Eberhard Kiesche hat etliche BEM-Prozesse begleitet; dies sind Fälle aus der Praxis auch der Gerichte, die geholfen haben, Mitarbeiter*innen wieder zu beschäftigen.

Fall 1: Kündigung aufgrund von körperlicher Belastung – Flughafenmitarbeiter

Ein Mitarbeiter am Kölner Flughafen wurde 2008 entlassen, weil er trotz gesundheitlicher Einschränkungen schweres Gepäck tragen musste und dies nicht mehr möglich war. Vor Gericht stellte sich heraus, dass die sogenannte „Lastenhandhabungsverordnung“ vom Arbeitgeber nicht eingehalten wurde. Es hätte seitens des Betriebes überprüft werden müssen, ob der Mitarbeiter durch Hilfsmittel wie Hubwagen oder andere Geräte unterstützt werden kann. Die Kündigung wurde daher zurückgewiesen.
Lösung: Die Implementierung von Hilfsmitteln und Anpassungen im Arbeitsprozess, um körperliche Überlastung zu vermeiden, hilft effektiv, dauerhaft den Arbeitsplatz zu erhalten.

Fall 2: Anpassung des Schichtplans – Industriearbeiter in Scheidung

Ein Industriearbeiter, der bislang stets zuverlässig Schichtarbeit auch an Wochenenden verrichtete, kam plötzlich in eine schwierige Lage. Nach einer Scheidung musste er sich um seinen Sohn am Wochenende kümmern und hatte Schwierigkeiten, Arbeit und Privatleben zu vereinbaren. Das BEM-Team führte daraufhin Gespräche mit dem Betriebsarzt und konnte von ihm über die persönliche Situation informiert werden. Die Lösung war eine Anpassung des Schichtplans, um dem Mitarbeitenden die Zeit mit seinem Sohn zu ermöglichen.
Lösung: Flexible Arbeitszeitmodelle, um den besonderen familiären Anforderungen gerecht zu werden, was den Erhalt der Arbeitskraft und des Arbeitsplatzes förderte.

Fall 3: Umschulung in der Gartenbau-Branche

Ein Gärtner konnte seine körperlich belastende Arbeit aufgrund gesundheitlicher Einschränkungen nicht mehr ausführen. Der Arbeitgeber bot keine weiteren Optionen an und wollte das Arbeitsverhältnis beenden. Doch das Gericht entschied anders: Es sah eine Umschulung im Bereich Pflanzenzucht als möglich an, wodurch der Mitarbeiter weiterhin beschäftigt werden konnte.
Lösung: Umschulung und Versetzung in weniger belastende Arbeitsbereiche ermöglichten die Fortführung der Beschäftigung.

Fall 4: Pflegekräfte mit Rückenproblemen – Umschulung zur MTA

Mehrere Pflegefachkräfte im Krankenhaus litten an schweren Rückenproblemen, die ihre Arbeit stark beeinträchtigten. Der Arbeitgeber arbeitete zusammen mit der Agentur für Arbeit und bot den Mitarbeitenden ein Umschulungsprogramm zur Medizinisch-Technischen Assistenz (MTA) an.
Lösung: Umschulungsprogramme zur MTA schufen eine nachhaltige Lösung für die Beschäftigten, die körperliche Belastung zu reduzieren und gleichzeitig im Gesundheitswesen zu bleiben.

Fall 5: Stufenweise Wiedereingliederung nach einer Krebsdiagnose

Eine Mitarbeiterin kehrte nach einer Krebserkrankung stufenweise an ihren Arbeitsplatz zurück. Mit Unterstützung des BEM-Teams wurde ein individueller Wiedereingliederungsplan erstellt, der es ihr ermöglichte, ihre Arbeitszeit allmählich zu erhöhen.
Lösung: Stufenweise Wiedereingliederung als die Maßnahme im BEM erleichterte den Übergang zurück ins Berufsleben und förderte eine nachhaltige Rückkehr.

Fall 6: Herzschrittmacher und Arbeitsplatzanpassung nach Herzinfarkt

Ein Mitarbeiter erlitt einen Herzinfarkt und erhielt einen Herzschrittmacher. An seinem Arbeitsplatz waren jedoch elektromagnetische Felder vorhanden, die potenziell schädlich für den Herzschrittmacher sein konnten (so die Betriebsärztin). Obwohl der Arbeitgeber zunächst kündigen wollte, stellte sich heraus, dass eine Anpassung des Arbeitsplatzes unter Berücksichtigung der „Arbeitsschutzverordnung zu elektromagnetischen Feldern zu elektromagnetischen Feldern“ möglich war.
Lösung: Der Arbeitsplatz wurde gemäß den Vorschriften in der Verordnung angepasst, und die Teilhabe des Mitarbeiters am Arbeitsleben konnte gesichert werden.

BEM-Verfahren gibt es auch besonders häufig bei Menschen, die psychisch erkrankt sind. Hier empfiehlt Kiesche ganzheitliche BEM-Ansätze. Dazu gehört der Zugang zu psychologischen Beratungsdiensten, die entweder betriebsintern oder extern angeboten werden, sowie die Begleitung durch spezialisierte Fallmanager. Diese Fallmanager könnten Mitarbeitende als „Lotsen“ individuell unterstützen und als Brücke zwischen den betrieblichen Anforderungen und den gesundheitlichen Bedürfnissen fungieren. Durch stufenweise Wiedereingliederung und flexible Arbeitszeiten könnten Mitarbeitende, die psychische Erkrankungen haben, wieder schrittweise in den Arbeitsprozess zurückgeführt werden.

Long Covid – Netzwerkansatz zur Wiedereingliederung

Auch Long Covid kann ein Grund für ein BEM sein. Langfristig könnten sich Unternehmen auf Long Covid-Fälle besser vorbereiten, indem sie ein interdisziplinäres Netzwerk aufbauen, das behandelnde Ärzt*innen, Betriebsärzt*innen und spezialisierte Rehabilitationsnetzwerke umfasst, so Kiesche. Diese Netzwerke könnten maßgeschneiderte Rehabilitations- und Wiedereingliederungspläne erstellen, die auf die spezifischen Symptome und Bedürfnisse der Betroffenen eingehen. Durch flexible Arbeitszeiten, Homeoffice-Optionen und stufenweise Wiedereingliederung im BEM kann es ermöglich, Mitarbeitende trotz gesundheitlicher Einschränkungen langfristig im Unternehmen zu halten


Häufig gestellte Fragen:

Was passiert bei einem BEM-Gespräch?

Beim BEM-Gespräch diskutieren der Arbeitgeber, der betroffene Mitarbeiter und möglicherweise weitere Beteiligte (wie der Betriebsrat oder ein externer Berater), wie die Arbeitsunfähigkeit des Mitarbeiters überwunden werden kann. Es werden verschiedene Maßnahmen zur Unterstützung der Rückkehr an den Arbeitsplatz und zur Vermeidung zukünftiger Fehlzeiten erörtert. Diese Maßnahmen können Änderungen am Arbeitsplatz, Anpassungen der Arbeitsaufgaben oder andere Unterstützungsangebote umfassen.

Wie viele BEM-Gespräche müssen bis zur Kündigung durchgeführt werden?

Es gibt keine festgelegte Anzahl von BEM-Gesprächen, die durchgeführt werden müssen, bevor eine Kündigung in Betracht gezogen wird. Das BEM-Verfahren wird fortgeführt, solange es Fortschritte gibt oder die Möglichkeit besteht, dass der*die Mitarbeiter*in wieder vollständig arbeitsfähig wird. Eine Kündigung wird in der Regel nur dann in Erwägung gezogen, wenn nach umfassendem BEM keine Verbesserung eintritt und alle anderen Optionen ausgeschöpft sind. Der genaue Ablauf und die Anzahl der Gespräche hängen von den individuellen Umständen ab.

Wann wird ein BEM-Gespräch geführt?

Ein BEM-Gespräch wird geführt, wenn ein* Mitarbeiter*in innerhalb eines Jahres länger als sechs Wochen krankheitsbedingt ausfällt. Der Arbeitgeber sollte das Gespräch möglichst zeitnah nach dem Überschreiten dieser Fehlzeitengrenze ansetzen, um schnell Maßnahmen zur Unterstützung der Rückkehr und zur Prävention weiterer Fehlzeiten zu ergreifen.

Ist der Termin für das BEM Arbeitszeit?

Ja, der Termin für ein BEM-Gespräch zählt als Arbeitszeit, da es sich um eine Maßnahme handelt, die im Interesse des Arbeitgebers zur Unterstützung des Mitarbeitenden und zur Verbesserung der Arbeitsfähigkeit durchgeführt wird. Der Mitarbeiter erhält für die Zeit des BEM-Gesprächs seine reguläre Vergütung.

Wann ergibt BEM keinen Sinn?

BEM ergibt keinen Sinn, wenn alle möglichen Maßnahmen zur Wiedereingliederung ausgeschöpft sind und keine Verbesserung erzielt wird. Der*die Mitarbeiter*in dauerhaft nicht mehr arbeitsfähig ist oder wenn eine Rückkehr an den Arbeitsplatz nicht möglich erscheint. Der Mitarbeitende nicht kooperiert oder sich weigert, an den BEM-Gesprächen teilzunehmen. Das Arbeitsverhältnis bereits beendet ist oder kurz vor der Beendigung steht.

Wer bekommt die BEM-Protokolle?

Die BEM-Protokolle werden grundsätzlich in der BEM-Akte des jeweiligen Mitarbeitenden abgelegt. Es gibt unterschiedliche Meinungen dazu, wann diese Akten vernichtet werden sollen: sofort oder längstens nach drei Jahren. Sensible Gesundheitsdaten gehören jedoch weder in die BEM- noch in die Personalakte, sondern in die Akte des Betriebsarztes. In die Personalakte wird lediglich ein Nachweis eingefügt, dass die gesetzlichen Pflichten im Rahmen des BEM erfüllt wurden, zum Beispiel die Zustimmung oder Ablehnung zum BEM-Angebot.