23. September 2024
Lesedauer: 6 Min.

Altersdiskriminierung in der Stellenausschreibung – Was sagt das AGG?

Inhalt

  • Was das AGG sagt
  • Altersdiskriminierung in Stellenanzeigen vermeiden
  • Ausnahmen
Fact Sheet: Recruiting ohne Altersgrenzen

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Insbesondere mit Blick auf die aktuellen Entwicklungen auf dem deutschen Arbeitsmarkt ist es für Unternehmen unabdingbar, sich mit unbewussten Altersvorurteilen auseinanderzusetzen. Diese können sowohl bei der Rekrutierung als auch im bestehenden Arbeitsverhältnis eine ernstzunehmende Herausforderung für Unternehmen darstellen, indem sie sich unbeabsichtigt in Sprache und Verhalten manifestieren. Altersdiskriminierung in der Stellenausschreibung ist somit ein wesentliches Thema, auf das Recruiter*innen achten müssen, um alle Altersgruppen gerecht anzusprechen und für sich zu gewinnen. 

Was sagt das AGG über Altersdiskriminierung?

Jede*r Bewerber*in hat einen Anspruch auf ein diskriminierungsfreies Bewerbungsverfahren sowie ein diskriminierungsfreies Arbeitsverhältnis.

Der Schutz vor Diskriminierung wird durch das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) sichergestellt. Gem. § 7 Abs. 1 AGG dürfen Beschäftigte nicht wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes benachteiligt werden. Bewerber*innen sind in diesem Kontext ebenfalls als Beschäftigte zu qualifizieren. Das Alter stellt dabei einen der genannten Gründe dar. Erfasst wird nicht nur das konkrete Lebensalter, sondern auch Klassifizierungen, wie bspw. „jüngere Menschen“ oder „ältere Menschen“.

Illustration von 4 Personen unterschiedlichen Alters und unterschiedlicher Herkunft

Insgesamt 29 % der Jobsuchenden geben an, dass sie sich während eines Bewerbungsprozesses aufgrund ihres Alters diskriminiert gefühlt haben.

So bedauern beispielsweise 30 % der Frauen unter 30 eine diskriminierende Situation im Bezug auf ihr Alter während der Jobsuche. Diese Tendenz hält sich ab 30 in Grenzen, bis sie wieder nach 50 in die Höhe schießt, mit nahezu einer von zwei Personen, die sich aufgrund des Alters benachteiligt fühlt.

In der Studie „The Age Advantage: Recruiting ohne Altersgrenzen“ geben wir praktische Handlungsempfehlungen für die Förderung von Altersdiversität im Unternehmen.

Fact Sheet: Recruiting ohne Altersgrenzen

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Infolge des Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) können Unaufmerksamkeiten bei der Stellenbeschreibung weitreichende Konsequenzen für das Unternehmen haben. Sollten fehlerhafte Formulierungen ein Indiz für eine Altersdiskriminierung in der Stellenausschreibung setzen, drohen Entschädigungsforderungen der abgewiesenen Bewerber*innen gem. § 15 Abs. 2 AGG. Im Falle eines Rechtsstreits hat der Arbeitgeber folglich zu beweisen, dass ausschließlich andere Gründe als das Diskriminierungsmerkmal zu einer weniger günstigen Behandlung des/der betroffenen Bewerber*in geführt haben.1 

Altersdiskriminierung in Stellenanzeigen vermeiden

Da die erste Kontaktaufnahme regelmäßig durch die Stellenanzeige des Unternehmens erfolgt, gilt es bereits innerhalb des Recruiting-Prozesses Maßnahmen zu ergreifen, die eine faire Arbeitsumgebung nachhaltig fördern.  

Für die Bewertung der rechtlichen Zulässigkeit einer Stellenausschreibung ist sowohl auf gewählte Formulierung bei der Selbstdarstellung des Unternehmens, als auch auf die gewählte Formulierung bei der Bezeichnung der Bewerbergruppe zu achten. Indizien, die auf eine Altersdiskriminierung in der Stellenausschreibung hinweisen, können bereits ausreichen, um eine (wenn auch ungewollte) Benachteiligung des/der Bewerber*in darzustellen.2 

Illustration eines Mannes, der auf einem Umschlag mit einem Megaphon in der Hand reitet

72 % der Jobsuchenden halten es für unwahrscheinlich, dass sie sich auf eine Stelle bewerben, wenn sie das Gefühl haben, dass in der Stellenanzeige eine „andere“ Altersgruppe gesucht wird.

Eine altersgerechte Sprache kann also einen positiven Einfluss auf die Bewerbungsrate einer Stellenanzeige haben.3  

Was darf in einer Stellenanzeige nicht stehen?

Um unbewusste Altersvorurteile vermeiden zu können, müssen diese zunächst erkannt werden. Personalverantwortliche sollten daher in jedem Fall auf die Verwendung neutraler Begriffe achten und die Stellenausschreibung vor Veröffentlichung prüfen bzw. prüfen lassen. 

Folgende (keineswegs abschließende) Formulierungen sind daher strikt zu vermeiden:

„Digital Native“
„Young Professionals“
„junges Team“
„frisch gebacken“
Abb. 1: Diese Formulierungen sollten in Stellenanzeigen vermieden werden, weil sie sich direkt auf einer Altersgruppe beziehen.

Obwohl sie nicht direkt eine Altersgruppe bezeichnen, sind diese Art von Formulierungen ebenfalls zu vermeiden, weil sie alterskodiert sind:

FormulierungAngesprochene Altersgruppe
„… kann sich schnell an neue Lernumgebungen und Technologien anpassen“Junge Menschen (52 %)
„… verfügt über umfassende Erfahrung in dem jeweiligen Fachgebiet“Ältere Menschen (65 %)
„Kenntnisse der neuesten Technologien und Software sind unerlässlich.“Junge Menschen (55 %)
„… innovative Denker*innen, die frische Ideen einbringen“Junge Menschen (45 %)
„… können sich schnell an sich ändernde Umgebung anpassen“Junge Menschen (41 %)
Abb. 2: Diese Formulierungen sollten vermieden werden, weil sie eine Altersdiskriminierung in der Stellenausschreibung darstellen. Quelle: “The Age Advantage: Recruiting ohne Altersgrenzen”, The Stepstone Group, 2024.

In unserem Artikel über die perfekte Stellenanzeige lernen Sie, welche Inhalte und Rubriken in eine Stellenanzeige gehören und erhalten eine AGG-Checkliste.

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Ausnahmen: Wenn Altersdiskriminierung in Stellenausschreibungen zulässig ist

Vorab gilt festzuhalten, dass nicht jede ungleiche Behandlung wegen des Alters unzulässig ist. Zulässig kann eine Benachteiligung sein, soweit Rechtfertigungsgründe für die unterschiedliche Behandlung aufgrund des Alters vorliegen (§ 8 AGG).

Piktogramm einer Akte mit der Waage der Justiz

Ungeachtet des § 8 AGG ist eine unterschiedliche Behandlung aufgrund des Alters auch dann zulässig, wenn sie gem. § 10 AGG objektiv, angemessen und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt ist.

Fehlt es an einer entsprechenden Rechtfertigung, liegt ein Verstoß gegen das AGG vor, aufgrund dessen dem Beschäftigten ein Anspruch gegen den Arbeitgeber auf Entschädigung gem. § 15 Abs. 2 AGG zusteht.

Unmittelbare und mittelbare Benachteiligung aufgrund des Alters

Grundsätzlich ist gem. § 3 AGG zwischen der unmittelbaren Benachteiligung (§ 3 Abs. 1 AGG) und der mittelbaren Benachteiligung (§ 3 Abs. 2 AGG) zu unterscheiden. Im Rahmen der Altersdiskriminierung liegt meistens eine unmittelbare Diskriminierung vor.

  • Eine unmittelbare Benachteiligung liegt vor, bei einer offensichtlichen Ungleichbehandlung einer Person aufgrund eines in § 1 AGG genannten Grundes.
    Beispielsformulierung für eine unmittelbare Benachteiligung: „Als Digital Native fühlst du dich in unserer Welt zu Hause“.   Diese Aussage impliziert zugleich, dass nur Menschen unterhalb einer gewissen Altersgrenze mit moderner Technologie vertraut sind.4 
  • Eine mittelbare Benachteiligung liegt hingegen dann vor, bei einer nicht offensichtlichen Ungleichbehandlung. D. h. dann, wenn eine Regelung nicht direkt an ein bestimmtes Merkmal aus § 1 AGG anknüpft, aber dennoch eine Person mit geschützten Merkmalen in besonderer Weise, ohne sachlichen Rechtfertigungsgrund, benachteiligt. Hier wirken sich scheinbar neutrale Vorschriften, Regelungen oder Verfahren nachteilig auf eine bestimmte Personengruppe aus. 

Tipp: Dokumentieren Sie die Gründe für eine Ungleichbehandlung von Beschäftigten und Bewerber*innen sorgfältig, um Beweisschwierigkeiten im Streitfall zu vermeiden!


Porträtbild von Joyce Kyriacou, Wirtschaftsjuristin

Über die Autorin

Joyce Kyriacou ist Wirtschaftsjuristin und widmet sich schwerpunktmäßig dem Bereich Arbeitsrecht. Sie arbeitet seit 2024 bei The Stepstone Group.


Quellen:

1 Vgl. BAG NZA 2013, 37
2 Vgl. Pieper: Altersdiskriminierung in Stellenausschreibungen (RdA 2018, 337)
3 Quelle: “The Age Advantage: Recruiting ohne Altersgrenzen”, The Stepstone Group, 2024
4 Vgl. ArbG Heilbronn Urt. V. 18.1.2024 – 8 Ca 191/23