26. June 2025
Lesedauer: 8 Min.

Mehrwertsteuer-Senkung: Hoffnungsschimmer für die Gastronomie in Deutschland?

Inhalt

  • Lohndruck und Arbeitskräftemangel
  • Energiepreise und Mieten
  • Verbraucher gehen seltener essen
  • Kehrtwende bei der Mehrwertsteuer
  • Beschäftigungsaussichten
  • Was Recruiter*innen tun müssen
  • Erläuterung des Indexes

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Das deutsche Beherbergungs- und Gaststättengewerbe hat sich noch nicht vollständig von den Auswirkungen der COVID-19-Pandemie erholt. Trotz eines starken Aufschwungs in vielen Branchen liegt die Beschäftigung im Gastgewerbe weiterhin unter dem Höchststand vor der Pandemie.


Die Unternehmen des Sektors haben mit einer Mischung aus rasch steigenden Kosten, einem schwachen Konsum der Haushalte und politischen Veränderungen zu kämpfen, die den finanziellen Druck weiter erhöht haben. Ein Hauptfaktor, der zur langsamen Erholung beiträgt, ist das verhaltene Ausgabeverhalten der Verbraucher*innen, die in höherem Maße sparen als vor der Pandemie. Darüber hinaus hat die jüngste Rücknahme der Mehrwertsteuer-Senkung, die während der Pandemie eingeführt wurde, eine zusätzliche Belastung für die Unternehmen bedeutet, die ohnehin schon um ihre Wettbewerbsfähigkeit kämpfen.

Diese Grafik zeigt die Entwicklung der Beschäftigtenzahl im Beherbergungs- und Gaststättengewerbe in Deutschland von 2007 bis 2025. Die Beschäftigung stieg kontinuierlich bis Februar 2020 auf 1,11 Millionen, bevor sie pandemiebedingt stark einbrach. Seitdem erholt sich der Sektor langsam und liegt 2025 bei rund 1,10 Millionen Beschäftigten. Der Vor-Corona-Höchststand ist somit fast wieder erreicht.
Die Beschäftigung im Gastgewerbe ist nach dem Corona-Tief fast wieder auf Vorkrisenniveau. 2025 sind rund 1,10 Millionen Menschen in der Branche beschäftigt.

Lohndruck und Arbeitskräftemangel

Eine der größten Herausforderungen für das Gastgewerbe sind die rasch steigenden Lohnkosten in der Gastronomie. Angesichts des anhaltenden Fachkräftemangel in der mussten viele Unternehmen die Löhne erhöhen, um Mitarbeiter*innen zu gewinnen und zu halten. Auf dem deutschen Arbeitsmarkt ist ein erheblicher Aufwärtsdruck auf die Löhne in verschiedenen Branchen zu verzeichnen, insbesondere im Bereich der Arbeiter*innen, was es für Restaurants, Hotels und Cafés noch schwieriger macht, um Arbeitskräfte zu konkurrieren. Die Löhne im Hotel- und Gaststättengewerbe sind seit 2020 um etwa 30 % gestiegen, verglichen mit einem Anstieg von 20 % in der Privatwirtschaft insgesamt. Da das Gastgewerbe für seine ohnehin niedrigen Gewinnspannen bekannt ist, kann es schnell existenziell werden, diese mit den rasch steigenden Lohnkosten in Einklang zu bringen.

Die Grafik vergleicht das Lohnwachstum in der Gastronomie mit dem allgemeinen Verbraucherpreisindex und dem Lohnwachstum im Privatsektor seit 2018. Während die Löhne im Gastgewerbe zunächst deutlich zurückfielen, stiegen sie ab 2021 überproportional an. 2025 liegt das Lohnwachstum im Gastgewerbe bei einem Indexwert von 132, damit über dem Verbraucherpreisindex (121) und dem Privatsektor (119). Dies zeigt eine späte, aber starke Nachholung.
Die Löhne in der Gastronomie steigen seit 2021 deutlich und liegen 2025 erstmals über dem Verbraucherpreisindex. Damit holt die Branche beim Einkommen spürbar auf.

Gleichzeitig hat die Arbeit im Gastgewerbe für potenzielle Arbeitnehmer*innen an Attraktivität verloren – ein Problem, das durch die im Vergleich zu anderen Branchen deutlich niedrigeren Durchschnittslöhne zusätzlich verschärft wird (siehe dazu diese Stepstone-Analyse zu den Gehältern).

Die pandemiebedingten Unterbrechungen veranlassten viele Arbeitnehmer*innen, eine Beschäftigung in stabileren Sektoren mit besserer Bezahlung und besseren Arbeitsbedingungen zu suchen. Das hat den Fachkräftemangel in der Gastronomie verschärft und die Einstellungskosten in die Höhe getrieben, was die Möglichkeiten der Gastronomie- und Beherbergungsbetriebe, ihren Betrieb zu erweitern oder das Beschäftigungsniveau von vor der Pandemie zu erreichen, weiter einschränkt.

Zusätzlicher Kostendruck: Energiepreise und Mieten

Neben den Lohnkosten Gastronomie hat das Gaststätten- und Beherbergungsgewerbe auch mit steigenden Mieten und Energiekosten in Restaurants zu kämpfen. Die Großhandelspreise für Energie sind in den letzten Jahren aufgrund geopolitischer Faktoren, Unterbrechungen der Versorgungskette und der Umstellung des Landes auf erneuerbare Energien stark angestiegen. Infolgedessen stiegen die Strompreise für die Verbraucher*innen um mehr als 25 %. Restaurants, Hotels und andere Betriebe des Gastgewerbes sind in hohem Maße auf Energie zum Heizen, Kühlen und zur Zubereitung von Speisen angewiesen, so dass diese Energiekosten gerade in diesen Bereichen eine große Belastung darstellen.

Diese Grafik zeigt die Großhandelsstrompreise in Deutschland von 2019 bis 2025. Die Preise explodierten ab 2021, erreichten ihren Höhepunkt Mitte 2022 mit über 600 EUR/MWh und sind seitdem wieder gesunken. Im Jahr 2025 liegen sie bei rund 117 EUR/MWh – deutlich über dem Vorkrisenniveau von durchschnittlich 34 EUR/MWh. Die Energiepreise bleiben somit auf einem hohen Niveau.
Nach einem massiven Preisanstieg 2022 haben sich die Strompreise wieder stabilisiert. Dennoch liegt das aktuelle Niveau weit über dem Vorkrisenwert.

Auch die Gewerbemiete ist in rasantem Tempo gestiegen, vor allem in städtischen Zentren, in denen sich das Gastgewerbe konzentriert. Infolgedessen sehen sich viele Betriebe mit höheren Betriebskosten konfrontiert, während sie gleichzeitig mit geringerem Kundenverkehr und sinkenden Einnahmen zu kämpfen haben.

Schwache Verbraucher gehen seltener auswärts essen

Ein weiterer wichtiger Faktor, der die Erholung des Sektors behindert, ist der schwache Binnenkonsum. Die deutschen Haushalte sind mit ihren Ausgaben nach wie vor zurückhaltend, da die wirtschaftliche Unsicherheit und der Inflationsdruck das Verbraucherverhalten weiterhin prägen. Die Sparquote des Landes liegt nach wie vor über dem Niveau vor der Pandemie, was die Zurückhaltung bei diskretionären Ausgaben widerspiegelt, insbesondere beim Essengehen. Die Inflation bleibt damit ein zentrales Problem für die Gastronomie.

Die Grafik zeigt die Sparquote privater Haushalte in Deutschland von 2010 bis 2025. Während sie während der Corona-Pandemie 2020 auf über 20 % anstieg, sank sie danach wieder und pendelt sich 2025 bei 11,5 % ein. Damit liegt sie über dem Durchschnitt der Jahre 2010–2019 von 10,1 %. Das Sparverhalten hat sich im Vergleich zur Vor-Pandemie-Zeit leicht erhöht.
Die Sparquote stieg pandemiebedingt stark an und hat sich inzwischen bei über 11 % eingependelt. Sie liegt damit über dem Durchschnitt der 2010er-Jahre.


Die Inflation hat die Kaufkraft geschwächt und die Verbraucher*innen dazu veranlasst, bei nicht lebensnotwendigen Ausgaben zu sparen. Restaurants, Bars und Hotels sind von diesem Trend besonders betroffen, da sie stark vom Verbrauchervertrauen und dem verfügbaren Einkommen abhängen. Selbst wenn die Löhne gestiegen sind, haben die inflationsbereinigten Einkommen kaum Schritt gehalten, so dass es für viele Deutsche schwieriger geworden ist, ihre Ausgaben für Freizeitaktivitäten zu rechtfertigen. Dieses veränderte Verhalten hat zu einer schleppenden Nachfrage geführt, was die Branche weiter belastet.

Kehrtwende der Politik bei der Mehrwertsteuer

Auch politische Veränderungen haben die Branche belastet. Im Juli 2020 wurde eine vorübergehende Seknung der Mehrwertsteuer eingeführt, um das Gastgewerbe während der Pandemie zu unterstützen. Die Mehrwertsteuer in der Gastro auf Speisen (ohne Getränke) wurde von 19 % auf 7 % gesenkt. Diese Maßnahme sollte ursprünglich bis Ende 2020 gelten, wurde aber später bis Dezember 2023 verlängert, um die angeschlagenen Unternehmen weiter zu entlasten.

Ab dem 1. Januar 2024 wird der Mehrwertsteuersatz in der Gastronomie jedoch wieder auf 19 % erhöht, was das Essengehen für die Verbraucher*innen teurer macht und die Nachfrage nach Gastgewerbeleistungen verringert. Der Rückgang der Verbraucherausgaben hat sich negativ auf das Gastgewerbe ausgewirkt und zu geringeren Einnahmen geführt. Zwar könnten die Unternehmen theoretisch versuchen, die höheren Mehrwertsteuer-Kosten aufzufangen, um die Preise stabil zu halten, allerdings haben viele bereits mit knappen Gewinnspannen aufgrund steigender Lohnkosten, Energiekosten und Mieten zu kämpfen. Letztlich hat die Mehrwertsteuererhöhung die Erholung des Sektors zusätzlich behindert.


Die neue Regierung hat angekündigt, den Mehrwertsteuersatz für die Gastronomie wieder auf 7 % zu senken. Diese geplante Mehrwertsteuer-Senkung wird den angeschlagenen Unternehmen zwar einen dringend benötigten Aufschwung bringen, doch wird diese Maßnahme erst am 1. Januar 2026 in Kraft treten.

Die Beschäftigungsaussichten in der Branche bleiben vorerst düster

Aus all den oben genannten Gründen bleiben die Beschäftigungsaussichten in der Branche vorerst etwas düster. Nach einer Umfrage des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK) hat sich der „Saldo der Beschäftigungspläne“ in der Branche in den letzten zwei Jahren kontinuierlich verschlechtert. Er befindet sich nun auf einem historischen Tiefstand, der sich einem Niveau nähert, das seit der Finanzkrise nicht mehr erreicht wurde (und die Pandemie selbst außer Acht lässt), was auf weitere Entlassungen in der Branche hindeutet.

Die Grafik bildet die Beschäftigungsabsichten in der Gastronomiebranche von 2003 bis 2025 ab. Nach einem starken Einbruch 2020 aufgrund der Pandemie erholten sich die Werte zwischenzeitlich, blieben aber überwiegend im negativen Bereich. 2025 liegt der Saldo der Beschäftigungspläne bei -17 Prozentpunkten. Die Branche ist weiterhin vorsichtig bei Neueinstellungen.
Die Gastronomie bleibt bei Neueinstellungen zurückhaltend. Der Beschäftigungssaldo ist auch 2025 weiterhin negativ.

Der Kostendruck durch steigende Lohnkosten, hohe Energiekosten Restaurant und weltweit steigende Lebensmittelpreise wird in absehbarer Zeit nicht nachlassen. Die von der Regierung geplante Mehrwertsteuer-Senkung wird jedoch die Belastung der Unternehmen verringern. Auch wenn man nicht mit einer sofortigen Erholung rechnen sollte, könnten sich die Aussichten für den Sektor in der zweiten Hälfte des Jahres 2025 verbessern, insbesondere wenn die Wirtschaft endlich wieder wächst.

Was bedeutet das für Recruiter*innen?

Die Kombination aus hohen Lohnkosten, schwachen Verbraucherausgaben, Inflation und politischer Kehrtwende bei der Gastro-Mehrwertsteuer hat für das Gastgewerbe in Deutschland ein schwieriges Umfeld geschaffen. Die Beschäftigung hat sich nicht erholt, und die Aussichten waren bis jetzt eher düster.

Zwei wichtige Faktoren werden jedoch höchstwahrscheinlich zu einer bescheidenen Erholung im Gastgewerbe führen. Erstens wird die von der Regierung geplante Mehrwertsteuer-Senkung auf 7 % den angeschlagenen Unternehmen den dringend benötigten Auftrieb geben, wenn auch nur bis zum nächsten Jahr.
Zweitens erhöht die neue Regierung mit einem massiven Steuerpaket die Ausgaben für Verteidigung und Infrastruktur, was das Wirtschaftswachstum in den kommenden Jahren ankurbeln dürfte. Wenn dies die Haushalte dazu veranlasst, einen Teil ihres verfügbaren Einkommens auszugeben und wieder häufiger auswärts zu essen, wird sich der Lebensmittelsektor endlich verjüngen.

Für Recruiter*innen stellt der stagnierende Sektor derzeit eine gewisse Herausforderung dar, da die Personalprobleme in der Gastronomie trotz der Schwierigkeiten des Sektors relativ hoch sind. Die Arbeitgeber*innen müssen wettbewerbsfähige Vergütungen anbieten, um Mitarbeiter*innen zu halten und anzuziehen. Flexible Arbeitsregelungen können dabei eine entscheidende Rolle spielen. Teilzeitarbeit und flexible Arbeitszeiten können beispielsweise dazu beitragen, Arbeitnehmer*innen mit kleinen Kindern oder anderen Betreuungspflichten anzuziehen. Nicht zuletzt können Recruiter*innen auch Arbeitnehmer*innen aus anderen angeschlagenen Sektoren ansprechen, indem sie die Stabilität des Arbeitsplatzes und die Möglichkeiten der beruflichen Weiterentwicklung betonen.

Erläuterung des Indexes

Der Index konzentriert sich auf drei Säulen, die für den Fachkräftemangel in der Gastronomie verantwortlich sind:

  • Die Nachfrage, bei der in wachstumsstarken Berufen das Angebot an Qualifikationen nicht mit dem Bedarf mithalten kann.
  • Das Angebot, das den Ersatzbedarf zeigt, wenn Arbeitskräfte in den Ruhestand gehen oder die Branche wechseln.

Das Ungleichgewicht, das die Diskrepanz zwischen beruflichen Qualifikationen und den tatsächlichen Anforderungen beschreibt

Diese Grafik zeigt den Fachkräftemangel bei Küchenhilfen in Europa anhand dreier Teilaspekte: Nachfrage-, Angebots- und Ungleichgewichts-Engpässe. Sowohl Angebots- als auch Nachfrageengpässe werden mit 3,0 bewertet, was auf einen deutlichen Mangel hinweist. Der kombinierte Ungleichgewichtsindex liegt bei 4,0 – dem höchsten möglichen Wert. Das zeigt, dass das Berufsbild stark von Arbeitskräftemangel betroffen ist.