24.05.2024
Lesedauer: 11 Min.

Exit-Interview: Leitfaden & Fragen für das Austrittsgespräch

Kai Funke
Kai Funke

Inhalt

  • Was ist ein Austrittsgespräch?
  • Warum sind Austrittsgespräche wichtig?
  • Die Vorteile der Durchführung von Austrittsgesprächen
  • Schlüsselfragen für Austrittsgespräche, die zu einer kontinuierlichen Verbesserung beitragen können
  • 12 Fragen, die Sie im Austrittsgespräch stellen sollten
  • 1. Warum verlassen Sie das Unternehmen?
  • 2. Würden Sie Ihrer Familie und Ihren Freunden empfehlen, für dieses Unternehmen zu arbeiten? Warum/Warum nicht?
  • 3. Wie würden Sie die Kultur in unserem Unternehmen beschreiben?
  • 4. Was würden Sie an Ihrer Arbeit ändern?
  • 5. Was würden Sie an der Organisation ändern?
  • 6. Wie haben Sie sich bei Ihrer Arbeitsbelastung gefühlt?
  • 7. Welche Möglichkeiten hatten Sie, sich in Ihrer Rolle weiterzuentwickeln?
  • 8. Hatten Sie das Gefühl, dass Sie eine angemessene Ausbildung für die Stelle erhalten haben? Warum/warum nicht?
  • 9. Hatten Sie das Gefühl, dass Ihre Arbeit anerkannt wurde? Warum/warum nicht?
  • 10. Wie war Ihr Verhältnis zu Ihrem Vorgesetzten?
  • 11. Wie lange wollten Sie schon gehen?
  • 12. Was hätte man anders machen können, um Sie zum Bleiben zu bewegen?
  • FAQ
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Mit der Größe eines Unternehmens steigt auch die Fluktuationsrate unter den Mitarbeitenden. Das ist nur normal und gehört zum Arbeitsalltag eines*einer jede*n Personalverantwortlichen. Dennoch zeichnet es ein Unternehmen aus, sich mit den möglichen Gründen für das Ausscheiden einer Person aus dem Kolleg*innenkreis auseinander zu setzen, um die eigene Unternehmenskultur, -prozesse und -strukturen stetig zu verbessern – und nicht zuletzt die verbleibenden Mitarbeitenden langfristig zu halten. Ein im Rahmen des Offboardings durchgeführtes Austrittsgespräch oder auch Exit Interview birgt dafür großes Potenzial – wenn Sie im Verlauf den scheidenden Mitarbeitenden die richtigen Fragen stellen.

Jeder Arbeitgebende möchte ehrliches Feedback über die Unternehmenskultur, den Prozessen und Vergütungsstrategien, das ihm hilft, den laufenden Betrieb zu optimieren. Es kann jedoch schwierig sein, diese Informationen von den bestehenden Mitarbeitern zu erhalten, da diese oft zögern, ihre wahren Gefühle zu äußern oder ehrlich über die Kündigungsgründe zu sprechen.

In unserem Artikel über das Kündigungsgespräch gehen wir ausführlich auf die Vorteile, mögliche Nachteile und die richtige Vorbereitung des Gesprächs im Rahmen einer Kündigung ein.

In diesem Artikel beschäftigen wir uns mit den konkreten Fragen an die ausscheidenden Mitarbeitenden, damit Sie ein offenes und ehrliches Feedback erhalten.

Was ist ein Austrittsgespräch?

Ein Austritts- oder Kündigungsgespräch ist ein Gespräch zwischen einer (nicht der direkten) Führungskraft oder einem Personalverantwortlichem und einem*einer Mitarbeitenden, der*die sich darauf vorbereitet, das Unternehmen zu verlassen. In der Regel findet dieses Exit-Interview in den letzten Tagen der Beschäftigung im Rahmen eines durchdachten Offboarding-Prozesses statt. Diese Gespräche bieten Arbeitgebenden die Möglichkeit, Mitarbeiter*innen zu ihrer Entscheidung, das Unternehmen zu verlassen, zu befragen und ihre Erfahrungen im Unternehmen besser zu verstehen.

Warum sind Austrittsgespräche wichtig?

Austrittsgespräche sind für Unternehmen von entscheidender Bedeutung, da sie ihnen die Möglichkeit geben, wertvolle Informationen über das Arbeitsumfeld, die Arbeitsmittel, die Ressourcen und das Management zu sammeln. Darüber hinaus kann ein Austrittsgespräch dazu beitragen, dass das Arbeitsverhältnis einvernehmlich endet und die Tür für eine zukünftige Rückkehr der Mitarbeitenden offenbleibt.

Die Vorteile der Durchführung von Austrittsgesprächen

Die Durchführung von Austrittsgesprächen mit ausscheidenden Mitarbeitern kann Arbeitgebern mehrere spezifische Vorteile bieten, darunter

  • Verstehen der Gefühle der Mitarbeitenden: Austrittsgespräche helfen, die Gründe nachzuvollziehen, aus denen Mitarbeitende Ihr Unternehmen verlassen, z. B. das Streben nach einer besseren Work-Life-Balance, das Gehalt oder mangelnde Aufstiegsmöglichkeiten.
  • Senkung der Personalfluktuation: Die Identifizierung gemeinsamer Themen bei der Entscheidung von Mitarbeitenden, den Arbeitsplatz zu wechseln, ermöglicht es Unternehmen, Strategien zur Verbesserung der Mitarbeitendenmoral zu entwickeln und sicherzustellen, dass leistungsstarke Teammitglieder im Unternehmen bleiben.
  • Verbesserung des Employer Branding: Ein umfassendes Austrittsgespräch bietet Arbeitgebenden die nötigen Einblicke, um die Erfahrungen zu verbessern, die sie aktuellen und zukünftigen Mitarbeiter*innen bieten, und so die Arbeitgebermarke zu stärken und zukünftige Talente anzuziehen.

Schlüsselfragen für Austrittsgespräche, die zu einer kontinuierlichen Verbesserung beitragen können

Um den größtmöglichen Nutzen aus den Austrittsgesprächen zu ziehen, müssen Arbeitgeber Fragen stellen, die dabei helfen, verwertbare Erkenntnisse zu gewinnen. Im Folgenden haben wir einen Fragenkatalog für Sie als hilfreiche Grundlage und Orientierung für Exit-Interviews in Ihrem Unternehmen im Rahmen des Offboardings zusammengestellt. Die Ansprache, ob Sie oder Du, ist natürlich abhängig von Ihrer Unternehmenskultur. Genauso wichtig ist natürlich, die Fragen im Laufe des Gesprächs natürlich einzubinden.

Im besten Fall haben die Mitarbeitenden vor dem Exit-Interview bereits einen Fragebogen ausgefüllt, anhand dessen Sie eine Grundlage haben, um sich auf das Gespräch vorzubereiten.

12 Fragen, die Sie im Austrittsgespräch stellen sollten

1. Warum verlassen Sie das Unternehmen?

Dies ist die Grundlage aller Austrittsgespräche und ein guter Einstieg für ein ehrliches Gespräch. Die Art und Weise, wie der*die Mitarbeiter*in diese Frage beantwortet, hat großen Einfluss auf den Rest des Gesprächs.

Manchmal reicht diese Frage schon aus, damit sich die Person öffnet. Andere Mitarbeitende sind jedoch zurückhaltender in ihren Antworten und bedürfen weiterer Nachfragen.

2. Würden Sie Ihrer Familie und Ihren Freunden empfehlen, für dieses Unternehmen zu arbeiten? Warum/Warum nicht?

Wenn ein*e Mitarbeiter*in das Unternehmen unter guten Bedingungen verlässt, wird er*sie diese Frage wahrscheinlich mit “Ja” beantworten. Wenn die Umstände jedoch ungünstig sind und der*die Kolleg*in das Unternehmen unter schlechten Bedingungen verlässt, ist es sehr viel unwahrscheinlicher, dass er*sie das Unternehmen als Arbeitsplatz empfiehlt.

In jedem Fall ist es wichtig aufzufordern, im weiteren Gespräch die Gründe für ihre Antworten zu erläutern. Wenn Sie die Mitarbeiter dazu bringen, dies zu tun, erhalten Sie wertvolle Einblicke in die Stärken und Schwächen des Unternehmens als Arbeitgebender und Arbeitsplatz, was beides wertvoll ist, wenn es darum geht, in Zukunft eine hervorragende Mitarbeitendenerfahrung zu gewährleisten.

3. Wie würden Sie die Kultur in unserem Unternehmen beschreiben?

Es ist unglaublich wertvoll, ein Feedback über die Kultur eines Unternehmens aus der Sicht der Angestellten zu erhalten. Denken Sie daran, dass die Antworten auf diese Art von Fragen je nach Mitarbeiter*in wahrscheinlich variieren:

  • Dienstalter
  • Abteilung
  • Dauer der Betriebszugehörigkeit

4. Was würden Sie an Ihrer Arbeit ändern?

Anstatt die Mitarbeiter*innen zu fragen, was ihnen an ihrer Rolle nicht gefällt, ist dies eine weniger konfrontative und konstruktivere Art, die Frage zu formulieren. Bestenfalls helfen die Vorschläge dabei herauszufinden, ob es machbare Möglichkeiten gibt, die Stelle dieser Person bzw. die Rahmenbedingungen der Tätigkeit zu verbessern. Denkbare und wiederkehrende Austrittsgründe sind etwa eine zu hohe Arbeitsbelastung, nicht zur Stellenbeschreibung passende Aufgaben oder kein Spielraum für eine Weiterentwicklung.

In Fällen, in denen ein*e Gesprächspartner*in sich weigert, Fragen zu diesem Thema zu beantworten, ist es manchmal hilfreich, eine leichter verständliche Sprache zu verwenden. Fragen Sie zum Beispiel: “Wir alle haben Dinge, die wir an unserem Job gerne ändern würden. Was würden Sie ändern?”.

5. Was würden Sie an der Organisation ändern?

Die Antworten auf diese Frage können wertvolle Einblicke in die Ausbildung, die Prozesse, die Kultur und das Führungsteam eines Unternehmens liefern. Auch wenn das Feedback eines*einer einzelnen Mitarbeitenden vielleicht keine größeren Veränderungen rechtfertigt, ist es hilfreich, nach Trends und Punkten Ausschau zu halten, um systemische Probleme oder Potenziale zu erkennen.

6. Wie haben Sie sich bei Ihrer Arbeitsbelastung gefühlt?

Diese Frage ist nützlich um festzustellen, ob die Arbeitsbelastung in einer bestimmten Funktion zu hoch ist und ob es notwendig ist, Prozesse zu verfeinern oder sogar zusätzliche Mitarbeitende einzustellen. Arbeitgeber*innen sollten dabei die Zeitmanagementfähigkeiten der Mitarbeitenden berücksichtigen. Während sich eine Person überfordert fühlt, kommt eine andere mit besseren Zeitmanagementfähigkeiten gut zurecht. Vergleiche und Kontextualisierung sind entscheidend.

7. Welche Möglichkeiten hatten Sie, sich in Ihrer Rolle weiterzuentwickeln?

Ein Mangel an beruflichen Entwicklungsmöglichkeiten ist häufig einer der Hauptgründe, warum Menschen ihren Arbeitsplatz verlassen. Wenn Mitarbeitende das Gefühl haben, dass ihnen nicht genügend Möglichkeiten zur Verfügung standen, finden Arbeitgeber*innen im Rahmen von Austrittsgesprächen heraus, wie die Entwicklung für sie aussehen könnte. Für einige ist dies etwa eine Beförderung, für andere eine Schulung zum Erlernen neuer Fähigkeiten.

8. Hatten Sie das Gefühl, dass Sie eine angemessene Ausbildung für die Stelle erhalten haben? Warum/warum nicht?

Diese Frage ist besonders wichtig für Mitarbeitende, die innerhalb von sechs Monaten im Rahmen der Probezeit nach Antritt ihrer Stelle ausscheiden. Arbeitgeber*innen müssen sicherstellen, dass sie ihren Mitarbeitenden jede Gelegenheit geben, sich durch strukturierte Schulungen und die Bereitstellung der richtigen Werkzeuge zu entfalten.

Antworten auf diese Frage sind hilfreich für Arbeitgebende, das Onboarding für neue Mitarbeitende zu verbessern, indem sie Einblicke in die Defizite des aktuellen Prozesses erhalten.

9. Hatten Sie das Gefühl, dass Ihre Arbeit anerkannt wurde? Warum/warum nicht?

Mitarbeitende verlassen ihren Arbeitsplatz oft, weil sie keine Anerkennung erfahren oder sich für ihre Arbeit nicht ausreichend gewürdigt fühlen. Wenn dieses Thema wiederholt bei Austrittsgesprächen zur Sprache kommt, ist ein Ansatz für Unternehmen, diese Probleme durch neue Belohnungsanreize, Anerkennung und Managementtraining zu lösen.

10. Wie war Ihr Verhältnis zu Ihrem Vorgesetzten?

Untersuchungen von Gallup zeigen, dass jede*r zweite Arbeitnehmer*in seinen*ihren Arbeitsplatz irgendwann wegen des*der Vorgesetzten verlässt. Auch – oder besonders – wenn es den Mitarbeitenden vielleicht unangenehm ist, diese Frage zu beantworten, ist es wichtig zu betonen, dass ihr Feedback keinen Einfluss auf ihre Referenz hat und anonym ist.

Um die Mitarbeitenden dazu zu bringen, sich mehr zu öffnen, kann der*die Interviewer*in die Frage normalisieren, indem er*sie sagt: “Egal, wer das Unternehmen verlässt, wir fragen immer nach dem Feedback zu Vorgesetzten, auch bei Mitarbeitenden, die mein Team verlassen haben.”

11. Wie lange wollten Sie schon gehen?

Diese Frage ist hilfreich, um den Weg eines Mitarbeitenden zu verstehen, wenn er*sie sich entscheidet zu gehen. Vielleicht hat der*die Mitarbeitende schon einmal daran gedacht, das Unternehmen zu verlassen, aber etwas hat ihn*sie davon abgehalten, länger zu bleiben.

Wenn ein*e Mitarbeitende*r schon lange mit dem Gedanken gespielt hat, das Unternehmen zu verlassen, sollten Sie herausfinden, warum das Management dies nicht erkannt hat und was ihn*sie davon abgehalten hat, früher zu gehen. Vielleicht stellen Sie fest, dass es sich um eine kurzfristige oder spontane Entscheidung handelte, ausgelöst durch bestimmte organisatorische Veränderungen.

12. Was hätte man anders machen können, um Sie zum Bleiben zu bewegen?

Diese Frage ist hilfreich für die Mitarbeitenden, ihre wichtigsten Punkte und Kündigungsgründe nochmals zusammenzufassen, und gibt Ihnen Aufschluss darüber, wie das Unternehmen in Zukunft besser Talente an sich bindet. Sie sollten sie jedoch nicht mit dem Ziel stellen, Mitarbeitende zu halten. Jeder Versuch, dies zu tun, sollte vor dem Austrittsgespräch stattfinden.

Tipp: Kündigungsgespräch führen und vorbereiten: alles, was Sie wissen müssen.

Lesen Sie unseren vollständigen Guide zur Vor- und Nachbereitung von Austrittsgesprächen.


FAQ: Häufig gestellte Fragen zum Thema Exit-Interview:

Wer sollte das Austrittsgespräch führen?

Das Austrittsgespräch sollte eine neutrale Person führen, die nicht die direkte Führungskraft des*der Mitarbeitenden ist. Dies kann ein*e Personalverantwortliche*r oder einen andere*n Führungskraft sein. Eine neutrale Person sorgt dafür, dass die Mitarbeitenden sich wohler fühlen und offener über ihre Gründe für das Verlassen des Unternehmens sprechen.

Wie lange sollte ein Austrittsgespräch dauern?

Ein Austrittsgespräch sollte genügend Zeit einräumen, um alle relevanten Themen ausführlich zu besprechen, aber auch nicht zu lang sein, um die Aufmerksamkeit der Teilnehmenden zu verlieren. In der Regel dauert ein Austrittsgespräch zwischen 30 und 60 Minuten. Die genaue Dauer kann jedoch je nach Umfang der Fragen und der Gesprächsdynamik variieren.

Was sollte nach dem Austrittsgespräch passieren?

Nach dem Austrittsgespräch sollten Sie die gesammelten Informationen analysieren und dokumentieren. Identifizieren Sie wiederkehrende Themen und Trends, um systemische Probleme zu erkennen. Nutzen Sie die Erkenntnisse, um konkrete Maßnahmen zur Verbesserung der Unternehmenskultur, Prozesse und Strukturen zu entwickeln. Es ist auch wichtig, den scheidenden Mitarbeitenden für ihr Feedback zu danken und ihnen eine positive Referenz auszustellen, wenn angemessen.