Nick Marten
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Hi Tobias. Sag mal, wie zufrieden bist du gerade mit deinem Job?
Dr. Tobias Zimmermann: Wie könnte ich anders antworten als mit zufrieden? Nein, im Ernst: Ich darf mit einem Team voller wunderbarer und inspirierender Menschen arbeiten. Noch dazu weiß ich, wofür ich meinen Job mache. Das ist cool.
Damit zählst du laut aktueller Studie zur Minderheit. Nicht einmal ein Drittel der Deutschen ist aktuell zufrieden mit dem eigenen Job. Was sind die Gründe hierfür?
Ganz ehrlich? Ich denke, das liegt daran, dass wir nicht darauf hin optimieren. Unternehmen müssen verstehen, wie wichtig es ist, Jobs so auszurichten, dass Menschen Spaß haben. Und jede*r Einzelne von uns sollte verinnerlichen, dass mit der Arbeiterlosigkeit eine neue Ära angebrochen ist. Es wird in Zukunft immer einfacher einen attraktiven neuen Job zu finden, denn es gibt nicht genügend Arbeitskräfte da draußen. Wer nicht glücklich ist, sollte wechseln. Warum auch nicht?
Der Jobwechsel ist nach wie vor ein sehr großer Schritt für viele Menschen.
Das mag wie eine Binse klingen, aber viel zu viele Menschen stecken nach wie vor in demotivierenden Jobs fest. Weil sie sich daran gewöhnt haben. Weil sie fürchten, liebgewonnene Vorteile zu verlieren. Oder weil Neues immer auch anstrengend ist. Ich sage: seht euch um, bildet euch weiter, checkt euren Marktwert. Bleibt neugierig! Es entstehen immer neue, spannende Jobprofile da draußen. Der Markt ist auf eurer Seite. Wer unzufrieden ist, aber die Augen offen hält wird über kurz oder lang ein attraktives Angebot finden.
Ein wichtiger Faktor für mehr Zufriedenheit im Job ist der vielzitierte „Purpose“. 66 % der Menschen, die einen Sinn in ihrer Arbeit sehen, haben auch Spaß an ihrem Job. Was können Arbeitnehmende tun, um mehr von diesem Sinn zu erlangen?
Was ich als sinnhaft empfinde ist natürlich höchst individuell. Aber: Das Gefühl von Sinnhaftigkeit entsteht, wenn ich wirklich etwas zu einem größeren Ziel beitrage. Dass, was mein Arbeitgeber produziert oder anbietet sollte mich im besten Fall auch begeistern. Es ist außerdem ganz entscheidend, dass ich gut bin in dem, was ich tue, dass ich es gerne tue und dass ich erkenne, wie es zum Erreichen des großen Zieles beiträgt. Den dritten Aspekt sollten mein Vorgesetzter und die Unternehmensführung vermitteln: durch Anerkennung und Lob, aber auch durch eine klare Vision und eine verständliche Strategie wie wir diese Realität werden lassen wollen und wo mein Platz darin ist.
Du sprichst die Vision an. Laut Studie ebenfalls ein wesentlicher Treiber von Zufriedenheit im Job. Warum ist das so?
Eine überzeugende Vision vermittelt das Ziel, wo das Unternehmen in Zukunft sein möchte. Und wer von uns möchte schon ziellos seine Arbeit und seine Motivation investieren? Eine Vision macht klar, welche Rolle das Unternehmen in Zukunft in der Gesellschaft spielt und wie es dazu beiträgt, diese zu verbessern. Wir Menschen sind keine rational kalkulierenden Roboter. Wir sind emotionale Wesen. Eine überzeugende Vision erlaubt es den Menschen, sich mit dieser zu identifizieren und schafft damit die Grundlage für ein Teamgefühl als Ganzes. Sie ist der Nordstern hinter dem sich alle versammeln und auf den alle gemeinsam hinarbeiten.
Purpose, Identifikation, Teamgefühl – wir haben jetzt viele „softe“ Faktoren erwähnt. Jetzt mal ehrlich: Was ist denn mit dem Gehalt?
Das ist ein besonders spannendes Ergebnis der Studie. Wir haben am Ende der Befragung ein offenes Textfeld eingebaut, um den Teilnehmenden die Möglichkeit zu geben, selbst Prioritäten zu setzen. Am häufigsten genannt hierbei wurde – es wird euch jetzt nicht überraschen – das Gehalt. Klar: Gehalt ist zum einen Lebensgrundlage und damit elementar wichtig. Zum anderen ist Gehalt Wertschätzung und Anerkennung, ein numerischer und vergleichbarer Wert der meiner Leistung beigemessen wird. Ist doch klar, dass es ohne ein angemessenes Gehalt nicht geht.
Mit Blick auf die gesamte Wirtschaft: Was macht diese steigende Unzufriedenheit mit Unternehmen und Arbeitnehmer*innen?
Ich würde nicht sagen, dass die Unzufriedenheit steigt. Die Studienlage beschreibt seit Jahren geringe Job-Begeisterung der Menschen in Deutschland. Aus individueller Perspektive ist das natürlich nicht akzeptabel: Ich verbringe einen großen Teil meiner Lebenszeit in meinem Job. Die will ich doch nicht schlecht gelaunt verbringen. Die gute Nachricht ist: Unsere Studie zeigt, dass Menschen, die kürzlich den Job gewechselt haben, überdurchschnittlich begeistert sind. Ich kann also etwas ändern.
Gut für Arbeitnehmende, aber eine Herausforderung für Arbeitgeber, oder?
Wenn meine Mitarbeitenden dauerhaft demotiviert sind, werden sie kaum die Kreativität und die Performance an den Tag legen, zu der sie fähig sind. Gerade in Zeiten, in denen es überall an Personal mangelt, können sich Unternehmen, denen es gelingt, ihre Mitarbeitenden nachhaltig zu begeistern, einen großen Wettbewerbsvorteil verschaffen. Für uns alle heißt das: eine bessere Arbeitswelt ist nicht nur möglich, sie ist ökonomisch nötig.
Gibt es bestimmte Karrierewege oder Berufe, die generell zu einer höheren Zufriedenheit im Job führen?
Unseren Daten zufolge sind Menschen im Management besonders engagiert. Dafür dürfte es einen sehr nachvollziehbaren Grund geben: Manager haben zwar einen hohen Workload, aber sie haben auch ein hohes Maß an Entscheidungsspielraum an zentraler Stelle des Unternehmens. Selbstwirksamkeit und Sinnempfinden sind dadurch natürlich in hohem Maße gegeben.
Aber auch zum Beispiel Menschen, die in der Bildung oder im Gesundheitswesen arbeiten, gehen überdurchschnittlich stark in ihrem Job auf. Ich brauch nicht groß drum herumreden: Wir wissen alle, das sind oft Menschen, die ihren Job aus einem besonders starken inneren Antrieb heraus machen. Wir haben ausführlich über das Thema Sinn gesprochen. Hier sehen wir erneut, warum der Sinn so wichtig ist.
Gibt es bestimmte Warnzeichen oder Indikatoren, die darauf hinweisen, dass ich in meinem Job unzufrieden bin?
Ich denke, dass merkt jeder von uns schon ganz gut. Wichtig ist, dieses Gefühl ernst zu nehmen. Einen schlechten Tag gibt es auch im schönsten Job der Welt. Aber wenn das die Regel wird, dann sollte ich anfangen, mir Gedanken zu machen.
Was würdest du Freundinnen und Freunden empfehlen, die unzufrieden in ihrem Job sind?
Ich würde ihnen raten sich die richtigen Fragen zu stellen. Was kann ich am besten? Und was will ich wirklich? Was muss sich in meinem Job ändern, damit ich meine Stärken am effizientesten einsetzen kann und was brauche ich von meinem Unternehmen, damit es meinen Prioritäten gerecht wird. Genau das sollten sie dann klar, aber freundlich kommunizieren und schauen, wie mein Arbeitgeber, wie meine Führungskraft reagiert. Dann sollte ich eine realistische Zeit einplanen, innerhalb der ich eine Reaktion erwarte. So gebe ich meinem Arbeitgeber die Chance, aktiv nachzusteuern. Passiert nichts, sollte ich mich natürlich nach Alternativen umsehen.
Und hierzu: Wertet euch bewusst, dass eure Arbeitskraft wertvoll ist. Die Machtverhältnisse am Arbeitsmarkt haben sich verschoben. You’ve got the Power!
Welche Ratschläge würdest du Jobsuchenden geben, um einen Job zu finden, der langfristig Zufriedenheit bietet?
Da halte ich dagegen: Diesen Job kann es in einer so schnelllebigen Arbeitswelt gar nicht geben. Und das ist gar nichts schlechtes. Wir brauchen hier einen Bewusstseinswandel. Früher war es das Ziel, einmal einen guten Job zu finden und dem dann bis zur Rente nachzugehen. Wenn ich mir vorstelle, 40 Jahre denselben Job machen zu müssen, ich würde schreien. Langweilig!
Und die neue Arbeitswelt tickt anders?
Die neue Arbeitswelt bietet die Chance, drei, vier, fünf verschiedene Karrieren zu starten. Wir werden viel mehr Lernangebote während unserer Karriere bekommen. Unternehmen werden immer stärker nach Motivation, Cultural Fit und Soft Skills einstellen – der Rest wird nachgeschult werden. Diese Entwicklung hat längst begonnen und wird sich fortsetzen. Ist das nicht cool, dass wir uns mehrmals neu erfinden können?
Deshalb: bleibt neugierig, bleibt offen. Jobwechsel werden in Zukunft immer normaler werden und zu unserem Alltag gehören.
Ein Riesendankeschön möchte ich an dieser Stelle noch loswerden. Und zwar an meine Kolleginnen Franziska Eckhardt und Kim-Mai Breitmar, die zusammen mit mir an diesem Research sowie der Studie gearbeitet haben. Die Studie „The Engagement Advantage“ gibt’s natürlich gratis zum Download und richtet sich an Führungskräfte, People-/ und HR-Profis, aber auch an alle, die das Thema Employee Engagement wirklich verstehen wollen.
Dr. Tobias Zimmermann ist Arbeitsmarkt-Experte und Group Evangelist bei The Stepstone Group. Der promovierte Politologe verantwortet als Head of Insights & Creation bei Stepstone die internationale Forschung zu Arbeit und Arbeitsmarkt. Sein Motto lautet: „Die Arbeit von Morgen ist unsere heutige Aufgabe.“ Er ist seit 2018 bei dem digitalen Recruiting-Unternehmen tätig, tritt für die internationale Düsseldorfer Firma regelmäßig als Speaker zu den unterschiedlichsten Themen in Erscheinung, ordnet als Experte aktuelle Entwicklungen und Ergebnisse für die Presse ein und moderiert den Stepstone Podcast „Snackbar“. Er hat von 2013 bis 2016 als Stipendiat der Heinrich-Böll-Stiftung an der Universität Münster zu digitaler Kommunikation geforscht und gelehrt.
Über die Studie
Im März 2023 hat The Stepstone Group rund 6.000 Menschen in den USA, Deutschland und Großbritannien zur Verbundenheit mit ihrem Arbeitgeber befragt, darunter jeweils rund 2.000 Personen aus jedem Land. Ziel der Studie war es zu untersuchen, was Mitarbeitende in verschiedenen Ländern mit ihrem Arbeitgeber und ihrem Job verbindet ("Employee Engagement"), wie viel Freude sie im Job haben, wie sehr sie sich mit dem Unternehmen identifizieren und welche Faktoren dies beeinflussen.
Mehr Informationen hier: The Stepstone Group Insights - die Macht engagierter Mitarbeiter
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