Ilka Schmalenberg
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Gehaltstransparenz ist in aller Munde. Die Vorteile für Arbeitnehmer*innen liegen auf der Hand: Zu wissen, was Kolleginnen, Freunde oder Berufstätige in vergleichbaren Positionen verdienen, hilft uns dabei, das eigene Gehalt realistisch einzuschätzen und in einer Gehaltsverhandlung fundiert zu argumentieren – und sorgt langfristig für eine gerechtere Entlohnung. Doch es gibt auch Gründe, die dagegen sprechen, das eigene Gehalt mit anderen Menschen zu teilen. Gehört die sogenannte „Verschwiegenheitsklausel“ im Arbeitsvertrag dazu? In ihrem Gastbeitrag erklärt Arbeitsrechtlerin Ilka Schmalenberg, wann du mit wem und wie über dein Gehalt sprechen darfst.
Eine Verschwiegenheitsklausel ist eine Regelung im Arbeitsvertrag, die den Arbeitnehmer verpflichten, vertrauliche Informationen im Rahmen des Arbeitsverhältnisses geheim zu halten. Für die Dauer des Arbeitsverhältnisses ergibt sich die Geheimhaltungspflicht vorrangig aus dem Vertrag, aber auch aus § 23 Abs. 1 Nr. 3 Geschäftsgeheimnisgesetz (GeschGehG).
Die rechtliche Grundlage für eine Verschwiegenheitsklausel ist die Vertragsfreiheit bzw. die Privatautonomie (Art. 2 Abs. 1 GG, § 311 Abs. 1 BGB). Die besagt, dass jedermann Verträge beliebigen Inhalts abschließen kann, sofern sie nicht gegen Verbotsnormen, nicht abdingbare Vorschriften oder die guten Sitten verstoßen. Damit darf auch eine Verschwiegenheitsklausel in den Vertrag aufgenommen werden. Es ergeben sich jedoch Einschränkungen aus dem Gesetz.
Verstößt der Arbeitnehmer gegen die Verschwiegenheitspflicht, so macht er sich zunächst nach den allgemeinen Vorschriften aus dem BGB wegen Verletzung einer vertraglichen Pflicht schadensersatzpflichtig. Darüber hinaus ist eine Abmahnung und je nach Schwere des Verstoßes sogar eine Kündigung denkbar, wenn eine Fortführung des Arbeitsverhältnisses dem Arbeitgeber nicht mehr zumutbar ist.
Ebenso ist eine Strafbarkeit nach § 23 GeschGehG möglich. Hervorzuheben ist in diesem Zusammenhang insbesondere § 23 Abs. 1 Nr. 3 GeschGehG, der es unter Strafe stellt, als Arbeitnehmer ein Geschäftsgeheimnis entgegen einer Geheimhaltungspflicht (aus Verschwiegenheitsklausel) offenzulegen.
Ein Betriebs-/Geschäftsgeheimnis ist gemäß § 2 Nr. 1 GeschGehG eine Information, die weder insgesamt noch in der genauen Anordnung und Zusammensetzung ihrer Bestandteile den Personen in den Kreisen, die üblicherweise mit dieser Art von Informationen umgehen, allgemein bekannt oder ohne Weiteres zugänglich ist und daher von wirtschaftlichem Wert ist und die Gegenstand von den Umständen nach angemessenen Geheimhaltungsmaßnahmen durch ihren rechtmäßigen Inhaber (Arbeitgeber) ist und bei der ein berechtigtes Interesse an der Geheimhaltung besteht. Beispiele hierfür sind Herstellungsverfahren, Rezepturen, Personalangelegenheiten oder Kundendaten.
Eine Störung des Betriebsfriedens ist an sich keine selbstständige Kategorie, sondern vielmehr ein Ausfluss aus der Verletzung von Betriebsgeheimnissen. Gemeint sind Geheimnisse, die betriebsintern geheim gehalten werden, weil deren Offenlegung gegenüber allen Arbeitnehmern den Betriebsfrieden gefährden könnte. Eine solche Konstellation ist aber nur denkbar, wenn der Arbeitgeber ein berechtigtes Interesse an der Geheimhaltung hat.
Viele Arbeitgeber sehen zum Beispiel in der Offenlegung des Gehalts gegenüber Kollegen eine Störung des Betriebsfriedens. Dies könnte nach Ansicht der Arbeitgeber das störungsfreie Zusammenleben sowohl zwischen den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern des Betriebs als auch zwischen den Beschäftigten und dem Arbeitgeber sowie zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat stören. Doch die Wahrung des Betriebsfriedens kann nur dann ein berechtigtes Interesse sein, wenn keine vorrangigen Erwägungen (insbesondere vorrangige gesetzliche Regelungen) dagegensprechen.
Gespräche über das Gehalt unterliegen grundsätzlich nicht der Verschwiegenheitsklausel. Solche Verschwiegenheitsklauseln, die explizit die Offenbarung der Höhe des Gehalts pauschal verbieten, sind unwirksam. Der Arbeitgeber hat zwar ein Interesse daran, dass zur Wahrung des Betriebsfriedens nicht über die Gehälter gesprochen wird, jedoch wiegt der Grundrechtsschutz auf Gleichbehandlung höher.
Nach der Rechtsprechung hat der Arbeitgeber eben kein berechtigtes Interesse an der Geheimhaltung der Gehälter. Grund dafür ist, dass die Geheimhaltungspflicht die Arbeitnehmer daran hindert, Verstöße gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz (Art. 3 GG) zu erkennen und dagegen vorzugehen. Außerdem wird gegen die Koalitionsfreiheit aus Art. 9 Abs. 3 GG verstoßen, da der Arbeitnehmer sein Gehalt folglich auch nicht gegenüber einer Gewerkschaft mitteilen darf, was sinnvollen Arbeitskämpfen im Weg stehen würde. Diese vorrangigen Erwägungen stehen einer Annahme eines berechtigten Interesses zugunsten des Arbeitgebers entgegen. Eine Ausnahme gilt für Mitarbeiter der Personalabteilung. Diese dürfen nicht über das Gehalt anderer Mitarbeiter sprechen, da sie sonst gegen Datenschutzregelungen verstoßen würden. Es spricht aber ebenfalls nichts dagegen, wenn sie ihr eigenes Gehalt offenlegen.
- Ilka Schmalenberg, Fachanwältin für ArbeitsrechtVerschwiegenheitsklauseln, die explizit die Offenbarung der Höhe des Gehalts pauschal verbieten, sind unwirksam.
Ebenso dürfen Arbeitnehmer nicht offen über ihr Gehalt mit Externen sprechen. Im Zusammenhang mit Dritten, wird das Gehalt als Geschäftsgeheimnis gesehen und der Dritte (vermeintliche Konkurrent) könnte sich durch die Offenbarung einen Wettbewerbsvorteil verschaffen.
Wie man sieht, kommt es auch darauf an, aus welchem Lager die Information kommt und gegenüber wem sie preisgegeben wird.
- Ilka SchmalenbergArbeitnehmer dürfen nicht offen über ihr Gehalt mit Externen sprechen. Im Zusammenhang mit Dritten, wird das Gehalt als Geschäftsgeheimnis gesehen.
Dies gilt für die in § 203 StGB aufgezählten Berufsgruppen, da diese regelmäßig mit sehr empfindlichen Geheimnissen in Berührung kommen. Dazu zählen beispielsweise
Offenbaren sie ein Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis, das sie im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit erfahren haben, so droht ihnen Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe.
Die Verschwiegenheitsklausel aus dem Arbeitsvertrag gilt nur für die Dauer des Arbeitsverhältnisses. Mit Auflösung des Vertragsverhältnisses z.B. durch Kündigung existiert der Vertrag und somit die Verschwiegenheitsklausel nicht mehr. Jedoch ist es möglich, im Rahmen eines gesonderten Vertrags eine Schweigepflicht zu vereinbaren, die über das Ende des Arbeitsverhältnisses hinausgeht.
Firmeninterna, wie z.B. die Höhe des Gehalts, die zwar nicht mehr unter die Verschwiegenheitsklausel fallen, können immer noch Betriebsgeheimnisse darstellen. Sie sollten daher nicht unüberlegt auf Bewertungsplattformen geteilt werden. Die Mitteilung wird bei anonymen Umfragen, um einen Durchschnittsverdienst in einer Berufsgruppe zu ermitteln, noch in Ordnung sein. Die Veröffentlichung auf Bewertungsplattformen, die aber auf den konkreten Arbeitgeber und die bestimmte Position Rückschlüsse ziehen lassen, könnte aber verboten sein. Nach neuester Rechtsprechung müssen Bewertungsportale auch den Klarnamen der ehemaligen Mitarbeiter offenlegen. Hier könnte es für Arbeitnehmer richtig gefährlich werden.
Whistleblower fallen unter die Ausnahme des § 5 Nr. 3 GeschGehG. Die Erlangung, Nutzung oder Offenlegung eines Geschäftsgeheimnisses ist zur Aufdeckung einer rechtswidrigen Handlung oder eines beruflichen oder sonstigen Fehlverhaltens nicht verboten, wenn das allgemeine öffentliche Interesse betroffen ist und das Interesse des Arbeitgebers an der Geheimhaltung überwiegt.
- Ilka SchmalenbergDie Veröffentlichung auf Bewertungsplattformen, die aber auf den konkreten Arbeitgeber und die bestimmte Position Rückschlüsse ziehen lassen, könnte aber verboten sein.
Ein öffentliches Interesse an der Verdienstmöglichkeit in einer bestimmten Position im Unternehmen sehe ich - in Abwägung zum Interesse des Unternehmens an der Wahrung von Geschäftsgeheimnissen - nicht.
Ilka Schmalenberg ist Fachanwältin für Arbeits- und Sozialrecht in Nürnberg. Sie vertritt mit ihrer Kanzlei aus Überzeugung nur Arbeitnehmer*innen und setzt sich dafür ein, dass diese ihre Rechte kennen, wenn es um Mobbing, Abmahnungen oder Kündigungen am Arbeitsplatz geht. Weitere Informationen gibt es auf Ilka Schmalenbergs Blog sos-arbeitsrecht.de.
Gegenüber Kollegen und anderen Mitarbeitern: Nein, innerhalb des Betriebs dürfen Arbeitnehmer über ihr Gehalt sprechen – Verschwiegenheitsklauseln im Arbeitsvertrag sind meist unwirksam.
Gegenüber anderen Firmen und Externen kann das Gehalt aber ein Geschäftsgeheimnis darstellen und es wäre verboten darüber zu sprechen.
Unter eine Verschwiegenheitsklausel fallen Geschäftsgeheimnisse, also solche Aspekte, die nicht offenkundig sind und an deren Geheimhaltung der Arbeitgeber ein berechtigtes Interesse hat.
Ja und Nein.
Innerhalb des Betriebs ist das Gehalt kein Betriebsgeheimnis. Der Arbeitnehmer kann sich darüber unterhalten, da er ein Recht auf Gleichbehandlung hinsichtlich des Gehalts durchsetzen kann.
Gegenüber Personen, die nicht dem eigenen Betrieb angehören, kann das Gehalt aber ein Betriebsgeheimnis darstellen. Aus dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb ergibt sich dann eine Verschwiegenheitspflicht.
Nein, Arbeitnehmer können weder abgemahnt noch gekündigt werden, wenn sie über ihr Gehalt sprechen. Da die meisten Verschwiegenheitsklauseln im Arbeitsvertrag unwirksam sind, verstoßen Arbeitnehmer gegen keine Pflicht aus dem Arbeitsvertrag.
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