Eine Hand übergibt Geldscheine an eine andere.
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New Pay: Was ist das eigentlich?Verdienen, was du willst: Das Wunschgehalt bei WigwamJedem das Gleiche: Das Einheitsgehalt bei Quijote KaffeeDie Gehaltsformel: Bei der Ministry Group vergibt das Team PunkteUnternehmen müssen transparenter werden

Die Arbeitswelt verändert sich stark, auch beim Thema Gehalt. Immer mehr Unternehmen probieren neue Bezahlmodelle aus. Das nennt sich New Pay und reicht vom Einheitsgehalt über transparente Team-Verhandlungen bis hin zum Wunschgehalt. Wir stellen die gängigsten Ansätze vor – und Firmen, die sie ausprobiert haben.

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New Pay: Was ist das eigentlich?Verdienen, was du willst: Das Wunschgehalt bei WigwamJedem das Gleiche: Das Einheitsgehalt bei Quijote KaffeeDie Gehaltsformel: Bei der Ministry Group vergibt das Team PunkteUnternehmen müssen transparenter werden

New Pay: Was ist das eigentlich?

Über Geld spricht man in Deutschland nicht: Oft geben Unternehmen in ihren Stellenanzeigen nicht einmal eine Gehaltsspanne an. In Einstellungsgesprächen wird die Bezahlung meist gegen Ende angesprochen, oft erst nach zwei oder drei Runden. „Viele Menschen sprechen nicht mal mit ihrem Partner über ihr Gehalt“, sagt Nadine Nobile. „Das muss sich dringend ändern.“

Genau daran arbeitet Nobile. Sie ist Mitgründerin des New Pay Collectives – einem Netzwerk von Menschen und Organisationen, die das Thema Vergütung neu denken. Dafür haben sie den Begriff New Pay geprägt.

Immer mehr Unternehmen experimentieren mit der Bezahlung. „Das Spektrum ist groß – vom Wunschgehalt bis zum Einheitsgehalt“, erzählt Nobile. Die Digitalagentur Business Unicorns schreibt die Gehälter aus und lässt Bewerber*innen Gegenvorschläge machen. Das Berliner Startup Einhorn hat mehrere Ansätze ausprobiert – und das Ganze ausführlich dokumentiert. Schnell wird klar: Bei New Pay geht es um viel mehr als nur ums Geld.

Der Begriff New Pay leitet sich von einem anderen Trendbegriff ab: New Work. Dieser steht für einen Wertewandel in der Arbeitswelt – hin zu mehr Selbstverantwortung, Augenhöhe und flachen Hierarchien. „Wir arbeiten immer selbstorganisierter. Oft gibt es gar keine formale Führungskraft mehr“, sagt Nobile. New Pay soll das reflektieren. „Beschäftigte wollen verstehen und mitbestimmen.“ Auch beim Thema Gehalt.

Verdienen, was du willst: Das Wunschgehalt bei Wigwam

Das können sie zum Beispiel bei der Berliner Kommunikationsagentur Wigwam. Dort sagt jede*r Mitarbeiter*in, was sie oder er gern verdienen würde. 2016 wurde die Agentur in eine Genossenschaft umgewandelt, mit aktuell 27 gleichberechtigten Teilhaber*innen. Statt Geschäftsführung gibt es nun einen Vorstand und einen Aufsichtsrat, die anonym gewählt werden. „Wir haben schon immer selbstorganisiert gearbeitet“, erzählt Eugen Friesen, der für Konzeption und Strategie zuständig ist.

Das sollte auch die Vergütung abbilden. Dafür hat jede*r eine Summe auf einen Zettel geschrieben. „Das war für uns ein soziales Experiment“, sagt Friesen. Heraus kam ein Betrag, der 20 % über dem Budget lag. „Wir dachten: Es ist durchaus realistisch, dorthin zu kommen“, sagt Friesen.

Inzwischen fehlen nur noch 8 % bis zur Summe aller Wunschgehälter. „Wir waren schon bei 100 %. Aber die Gehaltswünsche steigen jährlich“, sagt Friesen. Einmal im Jahr gibt es eine Anpassungsrunde, wobei niemand mit weniger herauskommt. Zudem wurde ein Mindestgehalt von 2.500 € pro Monat festgelegt.

Team aus sechs Menschen steht vor einer Wand und diskutiert.
Die neuen Gehaltssysteme sollen reflektieren, wie moderne Teams arbeiten. Hierarchiefrei und partizipativ. © Maskot/EyeEm

„Wir reden immer offen über das Geld“, sagt Friesen. Bei jeder Runde wird in Kleingruppen diskutiert – dann geben die Mitarbeiter*innen ihre Wünsche in eine Tabelle ein, die für alle einsehbar ist. Das braucht Mut und gegenseitiges Vertrauen. Für Wigwam hat sich das insgesamt gelohnt: „Die internen Prozesse können mitunter anstrengend sein. Es ist aber das beste Modell, das wir bis jetzt gefunden haben.“

Jedem das Gleiche: Das Einheitsgehalt bei Quijote Kaffee

Einen anderen Weg geht Quijote Kaffee aus Hamburg. Bei der Kaffeerösterei gilt das Einheitsgehalt, festgelegt auf den hamburgischen Durchschnittslohn im produzierenden und Dienstleistungsgewerbe: 5.200 Euro bei Vollzeit. „Das genügt uns allen“, sagt der Gründer Andreas Felsen, auch Pingo genannt. „Und es ist mehr als in den meisten Kaffeeröstereien.“ Sie haben eben eine Luxussituation – ihr Kaffee sei immer ausverkauft.

Bei Quijote werden auch Weiterbildungen bezahlt – und explizit gewünscht. Auf Antrag gibt es außerdem Zulagen: Für jedes Kind 300 Euro zusätzlich, genau wie für diejenigen, die ihre Eltern pflegen müssen. Die Bedürfnisse der Mitarbeiter*innen stehen über der Profitmaximierung. „Quijote ist nicht nur unser Hobby, aber wir streben auch keinen Ferrari an“, steht auf der Website. Die Gewinne, bis auf die notwendigen Rücklagen, spendet die Rösterei oder reinvestiert sie.

Das Einheitsgehalt ist eine logische Konsequenz der hierarchiefreien Arbeitsweise von Quijote: „Wir sind zugleich Chefs und Angestellte“, erzählt Pingo. Alle Entscheidungen werden im Konsens getroffen. „Wenn jemand neu dazukommt und es anders haben will, würden wir das diskutieren“, fügt er hinzu.

Die Gehaltsformel: Bei der Ministry Group vergibt das Team Punkte

Auch die Ministry Group hat die Vergütung ihrer momentan 40 Angestellten neu gestaltet. „Vorher hat die Führung entschieden, davon wollten wir weg“, erzählt der Geschäftsführer David Cummins. „Wir brauchten einen nachvollziehbaren Prozess.“ Zwei Jahre lang forschten Arbeitsgruppen zu unterschiedlichen Ansätzen. Sie entschieden sich für eine Gehaltsformel.

„Am Anfang fand ich das furchtbar: So steril“, erzählt Cummins. Das Gehalt bei der Ministry Group setzt sich aus mehreren Komponenten zusammen: Selbst- und Fremdeinschätzung, Engagement, Verantwortung, Weiterentwicklung oder Mentorship. Zweimal im Jahr treffen sich die Teams, um jede*n mittels einer Punkteskala zu bewerten. Einmal jährlich werden die Gehälter erhöht oder bleiben gleich – weniger soll niemand verdienen.

In der Coronazeit wurden die Gehaltsrunden ausgesetzt: Home-Office und Kurzarbeit haben persönliche Treffen und Gehaltserhöhungen schwierig gemacht. „Aber wir nehmen das in ein paar Monaten wieder auf“, sagt Cummins. Inzwischen sieht er die Vorteile der Gehaltsformel: „Die Menschen haben Einfluss darauf, wie das System funktioniert. Das ist sehr viel wert“, sagt Cummins.

Unternehmen müssen transparenter werden

Noch ließen sich die wenigsten Firmen auf solche Experimente ein, sagt Nadine Nobile. „Ganz viele schauen zu und staunen – oder sagen immer noch, dass das nicht geht.“ Doch es werden immer mehr. Selbst Großkonzerne wie Bosch oder die Deutsche Bahn machen mit. Bei der Deutschen Bahn können die Mitarbeiter*innen jährlich zwischen mehr Gehalt oder mehr Urlaub wählen – oder ihre Arbeitszeit reduzieren.

„Bald können sich Unternehmen nicht mehr leisten, weiterzumachen wie bisher“, sagt Nobile. „Vor allem mit Blick auf die neue Gesetzgebung.“ Kürzlich hat das EU-Parlament eine Richtlinie für mehr Lohntransparenz gebilligt. Unternehmen sollen unter anderem Gehaltspannen in Stellenanzeigen angeben und Lohngefälle zwischen den Geschlechtern offenlegen. Wir werden also in Zukunft viel öfter über Geld sprechen müssen – zum Glück.

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