Kollegen sitzen im Büro am Tisch und unterhalten sich.
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Gehaltstransparenz schaffen, indem man im Büro über Geld sprichtWas tun? Kollegen bekommen einen Gehaltserhöhung und ich nichtKlagen: Wenn verhandeln nicht mehr reichtFAQ – Häufig gestellte Fragen

Über Geld spricht man nicht, heißt es. Doch wem nützt das wirklich? Meistens denjenigen, die bereits mehr verdienen. Und natürlich dem Arbeitgeber. Viele Menschen bekommen weniger, weil sie sich ihres Wertes nicht bewusst sind oder nicht gut verhandeln können – oft sind das Frauen. Deshalb nimmt die EU den Kampf gegen den Gender-Pay-Gap ernst: Mit der Entgelttransparenzrichtlinie (EU 2023/970) soll der bereinigte Gender-Pay-Gap bis 2026 weiter reduziert werden. Das ist wichtig und richtig, doch was macht man konkret als Arbeitnehmer*in, wenn man weniger verdient als ein*e Kolleg*in, obwohl man die gleiche Arbeit macht? Zwei Frauen erzählen, wie sie um ihr jetziges Gehalt verhandelt haben, weil ihre Kollegen besser verdient haben. Außerdem gibt die Arbeitsrechtlerin Julia Windhorst einen Einblick in ihre Praxis.  

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Gehaltstransparenz schaffen, indem man im Büro über Geld sprichtWas tun? Kollegen bekommen einen Gehaltserhöhung und ich nichtKlagen: Wenn verhandeln nicht mehr reichtFAQ – Häufig gestellte Fragen

Gehaltstransparenz schaffen, indem man im Büro über Geld spricht

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Ich habe nicht nur mein Gehalt verbessert, sondern auch dafür gesorgt, dass unser Unternehmen ein Stück fairer wird.

- Sarah Eichler, 35 Jahre, Assistenz der Geschäftsführung, verantwortet die Buchhaltung im UnternehmenClosing quote for citation

Als einzige Frau in einem kleinen Berliner Unternehmen habe ich fast drei Jahre lang zugesehen, wie meine Kollegen monatlich deutlich mehr verdienten als ich. Trotzdem habe ich mir das lange schön geredet: ‚Er ist schon länger da.‘ Oder: ‚Vielleicht ist seine Arbeit doch wichtiger.‘ Diese Ausreden und meine Selbstzweifel hielten mich davon ab, etwas zu unternehmen – bis ich irgendwann begriff, dass ich nicht nur mich, sondern auch meine Position im Unternehmen unter Wert verkaufte.Wir haben drei Bereiche, die bei uns verantwortet werden: Finanzen, um die ich mich kümmere, Sales und Logistik.Aus meiner Sicht waren diese Arbeitsbereiche gleichwertig, denn ohne eines dieser drei Verantwortungsbereiche funktioniert unser Unternehmen nicht. Und dann gab es noch das ständige Grübeln: Ist meine Arbeit überhaupt qualitativ gleichwertig? Diese Mischung aus Zweifeln und Imposter-Syndrom hielt mich lange zurück. 

Rückblickend weiß ich, dass ich damals schon unter Wert in den Job eingestiegen bin. Nach meiner Elternzeit hatte ich meinen alten Job gekündigt, weil die Arbeitszeiten mit den Kita-Öffnungszeiten unvereinbar waren. Ich suchte etwas, das näher an unserem Bezirk lag. Mein Job war zunächst nur ein Office-Job mit weniger Verantwortung und einem entsprechend niedrigeren Gehalt. Für mich waren der kurze Arbeitsweg und die bessere Vereinbarkeit mit der Familie diesen Kompromiss wert.

Doch innerhalb kurzer Zeit übernahm ich immer mehr Verantwortung – fachlich, organisatorisch und letztlich auch finanziell. Wie gesagt, ich verantworte die gesamte Buchhaltung. Mein Gehalt blieb jedoch fast auf dem Einstiegslevel. Erst Anfang dieses Jahres konnte ich eine Gehaltserhöhung verhandeln, die mich auf das Niveau eines Kollegen brachte und einen Kollegen habe ich sogar überholt.

Ich bin die einzige Frau in unserem Unternehmen und habe mich lange zurückgehalten. Anfangs dachte ich naiv: Wenn ich gute Arbeit leiste, wird das schon anerkannt, und dann kommt die Gehaltserhöhung von allein. Aber das passierte nicht. Schließlich bereitete ich mich drei Monate intensiv auf eine Gehaltsverhandlung vor.

In dieser Zeit habe ich alles systematisch aufbereitet: meine Aufgaben, meine Verantwortung und die Vergleiche zu meinen Kollegen. Ich habe auch Argumente gesammelt, warum meine Verantwortung – besonders in der Buchhaltung und den Finanzen – essentiell ist. Fehler in meinem Bereich können schwerwiegende Konsequenzen haben. Mir war klar, dass ich meine Position selbstbewusst vertreten muss. Dabei haben mir auch die Informationen von “Frau verhandelt”, der Verhandlungsexpertin Ljubow Strobel, geholfen. Vor allem habe ich mir klargemacht, dass ich nicht um „Gefallen“ bitte, sondern für den Wert meiner Arbeit eintrete.

Ich hatte genaue Zahlen parat, Vergleiche aus der Branche recherchiert und eine klare Strategie, wie ich vorgehen will. Dieses Dokument habe ich meinem Chef auch vorab via Mail zugesendet. Tatsächlich hat er dann auch im Gespräch gesagt: Du bekommst die Gehaltserhöhung, denn ich hätte ein schlechtes Gewissen, sie dir nicht zu geben.

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Und jetzt verdiene ich 30% mehr

- Sarah EichlerClosing quote for citation
Sarah Eichler ist Assistentin der Geschäftsführung in einem kleine Unternehmen und hat erfolgreich ein faires Gehalt verhandelt.

Mir war klar, dass meine Situation auch anderen Kolleg:innen passieren könnte – oder dass sie nicht einmal erfahren würden, dass sie weniger verdienen. Deshalb habe ich intern angefangen, dafür zu sorgen, dass wir offener über Geld sprechen: Ich habe einem Kollegen gleich Bescheid gegeben, dass ich nun mehr verdiene. Ich habe nicht nur mein Gehalt verbessert, sondern auch dafür gesorgt, dass unser Unternehmen ein Stück fairer wird. Volle Gehaltstransparenz ist das nicht, aber ich setze mich dafür ein.

Gleiche und gleichwertige Arbeit

Gleiche Arbeit umfasst Tätigkeiten, die entweder identisch oder stark vergleichbar sind, unabhängig davon, ob sie an demselben oder unterschiedlichen Arbeitsplätzen ausgeführt werden. Dies ist in § 4 des Entgelttransparenzgesetzs festgehalten. Ein Beispiel ist die Vertretbarkeit zwischen Kfz-Mechanikerinnen und Kfz-Mechanikern, die dieselben Aufgaben übernehmen können. 

Gleichwertige Arbeit hingegen berücksichtigt Aufgaben mit ähnlichen Anforderungen und Belastungen, selbst wenn sie inhaltlich unterschiedlich sind. Dabei werden vier objektive Kriterien herangezogen: Kompetenzen, Belastung, Verantwortung und Arbeitsbedingungen herangezogen. Auch wenn Tätigkeiten auf den ersten Blick unterschiedlich erscheinen, können sie durchaus gleichwertig sein – ebenso wie vermeintlich gleiche Tätigkeiten unterschiedliche Wertigkeiten haben können.

Hier kommt der die individuelle Leistung der Mitarbeitenden oder auch zusätzliche Verantwortung zum Tragen. Am Beispiel der Kfz-Mechaniker*innen erklärt: Ein*e Kfz-Mechaniker*in, der*die nebenbei auch Aufgaben in der Buchhaltung übernimmt, kann mehr verdienen als ein*e Kfz-Mechaniker*in im selben Betrieb, der*die diese Verantwortung nicht trägt. Dies könnte eine Ungleichbehandlung im Entgelt begründen.

Kollegen bekommen einen Gehaltserhöhung, und ich nicht

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Meine Gehaltsverhandlungen sind gescheitert, schlussendlich musste ich kündigen.

- Susanne Meier (Name geändert, echter Name ist der Redaktion bekannt), 35, arbeitet nach ihrer Zeit als Redakteurin inzwischen als freie Journalistin. Closing quote for citation

Susanne Meier (Name geändert, echter Name ist der Redaktion bekannt), 35, arbeitet nach ihrer Zeit als Redakteurin inzwischen als freie Journalistin.

Ich war fünf Jahre lang bei einem Fachverlag angestellt, der mehrere Fachmagazine herausgibt. Während dieser Zeit stieg mein Verantwortungsbereich stetig, doch meine Gehaltsanpassungen waren minimal.

Eine meiner Aufgaben war die fachliche Betreuung der Volontärinnen, obwohl das offiziell nicht in meinem Stellenprofil stand. Außerdem konnte ich die Online-Zahlen des Verlags deutlich steigern.

Irgendwann wurde mir klar: Mein Gehalt passt nicht zu meinen Leistungen. Es war nicht fair – ich musste handeln. Und gerade in Zeiten der Inflation, vor allem 2022 und Anfang 2023, begann ich ernsthaft über mein Gehalt nachzudenken. Mir wurde klar, dass ein Inflationsausgleich mehr als überfällig war. Gleichzeitig erfuhr ich in Gesprächen mit Kolleginnen, dass es erhebliche Gehaltsunterschiede innerhalb des Teams gab – insbesondere zwischen Frauen und Männern mit vergleichbaren Aufgaben.

In unserem Unternehmen herrschte Gehaltsintransparenz. Es wurde sogar offen kommuniziert, dass über Gehälter nicht gesprochen werden sollte – ein unzulässiges Vorgehen. Doch viele von uns tauschten sich trotzdem aus. So erfuhr ich, dass Kolleg*innen mit ähnlichen oder geringeren Verantwortungen, vor allem Männer, deutlich besser bezahlt wurden.

Ein Mann und eine Frau sitzen auf einem Sofa und unterhalten sich.
Wer offen über sein Gehalt spricht, bricht vielleicht ein Tabu, arbeitet aber auch an der Gehaltstransparenz im Unternehmen. © /@maskot_agency

Besonders frustrierend fand ich die geringe Wertschätzung für sogenannte „unsichtbare“ Aufgaben wie die Betreuung der Volontär*innen. Diese Tätigkeiten wurden zwar nicht offiziell anerkannt, hatten aber einen spürbaren positiven Effekt auf die Arbeitsqualität im Verlag. Trotz dieser Fakten habe ich mich während meines Gehaltsverhandlungsprozesses oft gefragt, ob ich vielleicht übertreibe oder ob meine Forderung überhaupt gerechtfertigt ist. Rückblickend glaube ich, dass solche Zweifel oft mit dem gesellschaftlich geprägten Imposter-Syndrom zusammenhängen, unter dem vor allem Frauen häufig leiden.

Für die Gehaltsverhandlung bereitete ich mich gründlich vor: Ich sammelte messbare Erfolge und argumentierte, dass meine Arbeit sowohl dem Team als auch dem Unternehmen zugutekam. Dennoch traf ich auf Widerstand. Als ich etwa darauf hinwies, dass ich die Volontär*innen fachlich unterstützte, erklärte der Geschäftsführer, dies sei irrelevant, da es dafür offiziell eine andere Zuständigkeit gebe. Zwar hatte er formal recht, aber die betroffene Person verfügte nicht über die fachliche Expertise, die für diese Aufgabe notwendig gewesen wäre.

Auch meine Hinweise auf Marktgehälter und Wettbewerbsstandards stießen auf taube Ohren. Stattdessen wurde mir nahegelegt, mich nach einem anderen Job umzusehen. Diese Aussage hat mich hart getroffen. Ich mochte meine Arbeit und konnte nachweislich Erfolge vorweisen, fühlte mich aber dennoch nicht geschätzt.

Nach diesem Gespräch entschied ich mich zu kündigen und machte mich selbstständig. Der Übergang war nicht einfach – es hat Zeit gebraucht, den Rückschlag emotional zu verarbeiten, da die gescheiterte Gehaltsverhandlung mein Selbstwertgefühl verletzt hatte. Heute läuft meine Selbstständigkeit erfolgreich, was mir bestätigt, dass ich meine Arbeit gut gemacht habe. Dennoch bleibt ein bitterer Nachgeschmack. Es ist ernüchternd, wenn Gehalt weniger von tatsächlicher Leistung abhängt, sondern von intransparenten und schwer greifbaren Faktoren.

Klagen: Wenn verhandeln nicht mehr reicht

Die Geschichte von Susanne zeigt, dass Gehaltsverhandlungen auch schlecht ausgehen können. Doch nicht jede*r entscheidet sich dann zu kündigen,, andere entscheiden sich vor das Arbeitsgericht zu ziehen. Doch wie sieht das in der Praxis aus? Julia Windhorst ist Arbeitsrechtlerin und arbeitet in der Kanzlei Schütte, Lange & Kollegen. Sie vertritt auch Menschen, die ungerecht bezahlt werden und deshalb vor Gericht ziehen.  

Frau Windhorst, wer kommt zu Ihnen?

Wir vertreten Arbeitnehmer*innen aus ganz unterschiedlichen Branchen in allen Positionen und beraten zu sehr verschiedenen Themen. Manche suchen Rat wegen schlechter Bezahlung oder anderen Benachteiligungen.

Wie gehen sie dann vor?

Wenn wir eine Diskriminierung im Sinne des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes erkennen und die Betroffenen dagegen vorgehen wollen, schreiben wir nach entsprechender Prüfung des Sachverhalts im ersten Schritt regelmäßig die Arbeitgeber an und fordern sie auf, die Benachteiligung zu unterlassen und/oder eine Entschädigung zu zahlen. Darauf hat sich bisher kein Arbeitgeber eingelassen. Der nächste Schritt ist dann meistens die Klage. 

Konnten Sie schon Erfolge erzielen?

Ja, vor allem die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts dazu, dass Teilzeitkräfte ab der ersten Überstunde Zuschläge bekommen und dass Frauen mittelbar benachteiligt werden, wenn Teilzeitkräfte diese Zuschläge nicht bekommen und mehr Frauen in Teilzeit arbeiten, war ein großer Erfolg.  

Wenn (auch) nein, warum ist es so schwer?

Es ist immer schwer ein Gerichtsverfahren gegen den eigenen Arbeitgeber zu führen. Die psychische Belastung ist stark und die Gerichte sprechen bisher keine hohen Entschädigungen zu. Die Chancen und damit verbundene Erfolgsaussichten sind höher, wenn mehrere Beschäftigte klagen und sich gegenseitig unterstützen.

Was wird sich nun mit der Entgelttransparenzrichtlinie ändern?

Sehr wichtig ist Artikel 6 der Richtlinie zur Transparenz: Arbeitgeber müssen in leicht zugänglicher Weise darüber informieren, welche Kriterien für die Festlegung des Entgelts, der Entgelthöhen und der Entgeltentwicklung verwendet werden. Diese Kriterien müssen objektiv und geschlechtsneutral sein.

Arbeitgeber werden also zum Teil erst einmal objektive Kriterien entwickeln müssen, was strukturelle Benachteiligungen vermindern kann. Diskriminierung wird damit auch leichter sichtbar und kann eher unterbunden werden.

FAQ – Häufig gestellte Fragen

Hat man das Recht zu wissen, was der Kollege verdient?

Die Richtlinie, dass Mitarbeitende das Recht haben, Auskunft über das Gehalt ihrer Kolleg*innen zu bekommen, gibt es seit 2023. Umgesetzt wird sie allerdings erst im Jahr 2026. Bis dahin wird die Entgelttransparenzrichtlinie also in nationales Recht umgesetzt.

Was tun bei ungerechter Bezahlung?

Wenn du das Gefühl hast, unfair bezahlt zu werden, kannst du zunächst mit deinem Vorgesetzten oder der Personalabteilung sprechen. Ein offener Dialog über die Gründe der Gehaltsstruktur oder bestehende Ungerechtigkeiten kann oft zu einer Klärung führen. Alternativ kannst du auch betriebliche Mittel wie externe Beratung oder rechtlichen Beistand in Anspruch nehmen.

Ist es erlaubt, mit Kollegen über Gehalt zu reden?

Ja, es ist erlaubt, über Gehalt mit Kolleg*innen zu sprechen. Allerdings solltest du bedenken, dass solche Gespräche Auswirkungen auf die berufliche Beziehung haben können. Es ist wichtig, respektvoll vorzugehen.

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