Julia Hackober
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Auch mehr als 35 Jahre nach dem Mauerfall gibt es vor allem bei den Löhnen immer noch große Unterschiede zwischen Ost- und Westdeutschland. Das zeigen die Daten des aktuellen Stepstone Gehaltsreports 2025. Im Median liegt das Gehaltin den ostdeutschen Bundesländern rund 16 % unter den Gehältern im Westen. Es zeigt sich darüber hinaus eine deutliche Lohndifferenz bei Fachkräften und Führungskräften. Erfahre hier mehr über die Lohnlücke zwischen Ost und West – und was Expert*innen dazu sagen.
Mehr als 35 Jahre sind mittlerweile vergangen, seit der Ost-Berliner SED-Chef Günter Schabowski am 9. November 1989 in einer Pressekonferenz verkündete, dass Ausreisen über alle Grenzposten der DDR möglich seien. Damit war der Weg für den Mauerfall und die Wiedervereinigung des geteilten Deutschlands frei. Der Wiederaufbau des einstigen Arbeiter- und Bauernstaats ist in den meisten Teilen des Landes bereits gelungen. Inzwischen habe sich auch große Konzerne im Osten der Republik angesiedelt, wie z. B. Tesla in Brandenburg, Bosch in Dresden oder VW in Sachsen.
Doch trotz großer wirtschaftlicher Fortschritte klaffen bei den Löhnen zwischen Ost und West weiterhin große Lücken. Laut den Daten des Stepstone Gehaltsreports 2025 verdienen ostdeutsche Beschäftigte brutto pro Jahr im Median 39.250 €, während ihre Kolleg*innen aus dem Westen auf ein durchschnittliches Jahresbruttogehalt von 46.900 € kommen, Berlin ausgenommen. Somit beträgt das Lohngefälle zwischen Ost und West 16 %.
Was ist das Mediangehalt?
Und was unterscheidet es vom Durchschnittsgehalt? Der Durchschnitt wird berechnet, indem alle Werte summiert und danach durch die Anzahl der Datensätze geteilt wird. Der Durchschnittswert kann durch extrem hohe oder niedrige Werte verzerrt werden. Zur besseren Einordnung des Durchschnittswertes hilft deshalb ein Vergleich mit dem Median. Der Median ist der Wert, der genau in der Mitte aller Werte liegt. Das heißt, es gibt exakt gleich viele Gehälter, die niedriger und die höher sind als das Mediangehalt.
Um dieses Gefälle besser zu veranschaulichen, haben wir hier zwei weitere Beispiele für dich:
50.000 € Jahresgehalt
Jobs bei Stepstone
Dazu Prof. Dr. Joachim Ragnitz vom ifo Institut Dresden:
- Prof. Dr. Joachim Ragnitz, Wirtschaftswissenschaftler mit dem Schwerpunkt Politikberatung für OstdeutschlandEin Grund liegt in der fehlenden Tarif-Bindung in vielen Unternehmen im Osten. Was hinzu kommt, sind die divergierenden Betriebsgrößenstrukturen sowie, daraus abgeleitet, die niedrigere Wirtschaftskraft der Betriebe in Ostdeutschland. In der StepStone Studie wird unterschieden; man muss ergänzen: Ein großer Teil der Beschäftigten in Westdeutschland arbeitet in größeren Betrieben und kann deswegen von der dort höheren Produktivität profitieren, u.a. aufgrund von Größenvorteilen in der Produktion, einer stärkeren Innovationsorientierung oder einer höheren Exportaktivität.
Zudem gibt es in westdeutschen (Groß-) Betrieben häufig auch wertschöpfungsintensivere Produktionsstufen (also Verwaltung, Forschung und Entwicklung, Marketing) als in ostdeutschen Betrieben, die oft nur reine Produktionsstätten sind. Das gilt aber natürlich primär für das Verarbeitende Gewerbe, weniger für viele Dienstleistungen (und schon gar nicht für das Handwerk).
Also: Betriebsgrößenstruktur und Funktionalstruktur sind aus meiner Sicht die wesentlichen Ursachen für die fortbestehende Lohnlücke, darüber hinaus aber auch die fehlende Tarifbindung. Letzten Endes haben ostdeutsche Arbeitnehmer das Pech, dass sie in weniger leistungsfähigen Betrieben tätig sind, so dass alles, was die Unternehmen schwächer macht, sich nicht nur in Gewinnen, sondern auch in den Löhnen niederschlägt.
Prof. Dr. Joachim Ragnitz vom ifo Institut Dresden beschäftigt sich mit den wirtschaftlichen Entwicklungen in Ostdeutschland.
In allen Branchen zeichnet sich ein deutliches Lohngefälle zwischen Ost- und Westdeutschland ab. Der Stepstone Gehaltsreport 2025 zeigt, dass diese Unterschiede zum Beispiel im Handwerk stärker zu spüren sind.
Während das Mediangehalt bei handwerklichen Berufen in Mecklenburg-Vorpommern bei 37.000 € liegt, erhalten Handwerker*innen in Baden-Württemberg im Median 46.250 €. Die jährliche Differenz beträgt also über 9.000 €. Innerhalb von zehn Jahren verdienen Handwerker*innen in Schwerin also rund 90.000 € weniger als ihre Kolleg*innen in Baden-Württemberg.
Bei den Ingenieur*innen wird die Diskrepanz zwischen Ost- und Westlöhnen noch markanter. Während Ingenieur*innen in Baden-Württemberg im Median 62.750 € verdienen, liegen ihre Kolleg*innen in Sachsen-Anhalt bei einem Mediangehalt von 46.750 €. Dieses Lohngefälle können auch geringere Lebenshaltungskosten oder Wohnungsmieten nicht mehr annäherungsweise ausgleichen.
Prof. Dr. Dirk Oschmann, Professur für Neuere deutsche Literatur erklärt:
- Prof. Dr. Dirk Oschmann, Professor für Neuere deutsche LiteraturEine beliebte Frage an Ostdeutsche lautet mit schöner Regelmäßigkeit, ob sie sich als Menschen zweiter Klasse fühlen. Das ist natürlich schon im Ansatz die falsche Frage, so als würde es hier bloß um ein Gefühl gehen, das sich am Ende vernachlässigen ließe. Richtig lautet die Frage: Werden Sie als Menschen zweiter Klasse behandelt? Diese Frage ist auf dem Hintergrund der dauerhaften und nun aktuell wieder bestätigten riesigen Lohnunterschiede nur mit Ja zu beantworten. Von den neoliberalen Besitzstandswahrern im Westen wird dabei gern zur Rechtfertigung auf die angeblich niedrigeren Lebenshaltungskosten im Osten verwiesen. Davon kann ja schon lange keine Rede mehr sein. Vielmehr ist die gravierende Schlechterstellung im Gehalt der sichtbare monetäre Ausdruck der allgemeinen Missachtung des Ostens und obendrein zentraler sozioökonomischer Faktor bei der weiteren Verfestigung der deutsch-deutschen Asymmetrien.
Prof. Dr. Dirk Oschmann, Professor für Neuere deutsche Literatur und Autor des Buchs „Der Osten – eine westdeutsche Erfindung“ (ersch. bei Ullstein)
Deutschlandweit gibt es ein Preisgefälle zwischen Stadt und Land. So sind die Lebenshaltungskosten in ländlichen Regionen in der Regel immer geringer als in urbanen Räumen oder Großstädten. Dieser regionale Preisindex wurde u.a. vom Institut für deutsche Wirtschaft ermittelt.
Demnach liegt der regionale Preisindex z. B. im Vogtlandkreis in Sachsen bei 90, der Referenzwert liegt bei 100. Die durchschnittlichen Mieten in dieser Region liegen rund 30 % unter dem gesamtdeutschen Niveau.
Somit können niedrigere Löhne im Osten je nach Region durch geringere Lebenshaltungskosten teilweise abgefedert werden. Allerdings muss dabei auch berücksichtigt werden, dass es in Ostdeutschland mit Potsdam, Dresden oder Jena Städte gibt, die deutlich über dem Preisindex von Städten im Westen liegen.
Dazu äußert sich Prof. Dr. Alexander Kemnitz von der TU Dresden:
- Prof. Dr. Alexander Kemnitz, Experte für Wirtschaftspolitik und WirtschaftsforschungDie wirtschaftliche Ungleichheit zwischen Ost und West ist nicht nur aktuell ein politisch sensibles Thema. Es ist daher wichtig, sie auf Grundlage von Daten zu besprechen. Sie sind erste Voraussetzung für eine sachliche Analyse der dahinterstehenden Gründe. Und Wirtschaftspolitik sollte, so immer möglich, durch belegbare Fakten und nicht durch Stimmungen geleitet sein. Zu dieser Sachbezogenheit gehört aber auch, das bundesweite Stadt-Land-Gefälle ebenso in den Blick zu nehmen wie die Differenzen zwischen Ost und West.
Prof. Dr. Alexander Kemnitz leitet an der TU Dresden die Professur für Wirtschaftspolitik und Wirtschaftsforschung.
Bundesland | Mediangehalt |
---|---|
Hamburg | 52.000,00 € |
Baden-Württemberg | 50.250,00 € |
Hessen | 50.250,00 € |
Bayern | 50.000,00 € |
Berlin | 48.250,00 € |
Bremen | 47.750,00 € |
Nordrhein-Westfalen | 47.250,00 € |
Rheinland-Pfalz | 45.250,00 € |
Niedersachsen | 44.750,00 € |
Saarland | 44.500,00 € |
Schleswig-Holstein | 43.750,00 € |
Brandenburg | 41.000,00 € |
Sachsen | 40.750,00 € |
Thüringen | 40.250,00 € |
Sachsen-Anhalt | 39.750,00 € |
Mecklenburg-Vorpommern | 39.500,00 € |
Unabhängig vom Lohngefälle zwischen West- und Ostdeutschland zeigt der Stepstone Gehaltsreport 2025, dass für Akademiker*innen im Osten bessere Verdienstmöglichkeiten bestehen als für Nicht-Akademiker*innen.
Um diese Aussage an einem Beispiel zu verdeutlichen: Wer inBrandenburg mit akademischem Abschluss in den Beruf einsteigt, kann mit einem Mediangehalt von 56.000 € pro Jahr rechnen, während Berufstätige mit Ausbildung lediglich 39.000 € erwarten können. Damit verdienen studierte Fachkräfte in Mecklenburg-Vorpommern im Median 17.000 € mehr als Beschäftigte ohne Uni-Abschluss.
Das Verhältnis beim Gehaltsunterschied zwischen Akademiker*innen und Nicht-Akademiker*innen ist in West- und Ostdeutschland jedoch auf einem ähnlichen Niveau. Auch in Hamburg oder Baden-Württemberg erhalten Beschäftigte und Berufseinsteiger*innen mit universitären Abschlüssen deutlich mehr Geld.
- Bosch DresdenBosch genießt bei Bewerberinnen und Bewerbern eine hohe Arbeitgeberattraktivität. Was die Zufriedenheit der Mitarbeitenden am Standort Dresden angeht, zeigt das Feedback aus Mitarbeiterbefragungen, dass zum Beispiel ein internationales Umfeld mit rund 500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern aus 24 Nationen, eine offene und transparente Dialogkultur und eine familienfreundliche Arbeitskultur sehr geschätzt werden. 2023 wurde in Dresden zudem ein neues Schichtmodell eingeführt, mit dem die Beschäftigten aus verschiedenen Zeitmodellen wählen können, passend zu ihrer privaten Lebenssituation.
Ingenieur*innen, Handwerker*innen oder Logistiker*innen haben im Durchschnitt pro Jahr immer noch deutlich weniger Lohn in der Tüte als Beschäftigte in denselben Branchen im Westen. Allerdings zeigen sich bei Mietpreisen oder anderen Lebenshaltungskosten ebenfalls Unterschiede, sodass sich das Lohnniveau über die Kaufkraft in manchen Regionen indirekt angleicht. Allerdings spielt es auch für Beschäftigte in Ostdeutschland eine wichtige Rolle für deren Lebenshaltung, ob sie in eher teuren Städten wie Potsdam, Dresden oder Jena leben, oder ob sie ihren Wohnsitz auf dem Land haben. Langfristig ist es wichtig, dass sich Lohnunterschiede ausgleichen, denn sie sorgen unter anderem dafür, dass auch die Rente niedriger ausfällt. Ostdeutsche Rentner*innen werden bei gleichbleibendem Lohngefälle im Durchschnitt eine deutlich niedrigere Rente haben als Rentner*innen, die im Westen gearbeitet haben.
Staatsminister Carsten Schneider schildert:
- Carsten Schneider, Staatsminister beim Bundeskanzler und Beauftragter der Bundesregierung für OstdeutschlandLange wurde Ostdeutschland als ‚verlängerte Werkbank‘ des Westens wahrgenommen, als Standort für nachgelagerte Arbeiten, oft zu Niedriglöhnen. Aber die Zeiten sind vorbei. Die Region ist attraktiv für internationale Unternehmensansiedlungen, zum Beispiel aus der Halbleiterindustrie. Dadurch entstehen gut bezahlte Jobs für qualifizierte Fachkräfte. Außerdem haben wir den Mindestlohn eingeführt und erhöht. Viele Ostdeutsche haben davon profitiert. Wir brauchen mehr Tarifbindung, damit das Lohnniveau steigt. Deshalb will die Bundesregierung ein Tariftreue-Gesetz einführen.
In Ostdeutschland herrscht kein Arbeitsmangel, sondern ein Fachkräftemangel. Um ihm entgegenzuwirken, sind die Rückwanderung von Arbeitskräften in ihre Heimat und die Zuwanderung aus dem Ausland entscheidend. Nur Zuzugsregionen sind Zukunftsregionen. In den anstehenden Wahlen wird bestimmt, ob in diesen Regionen ein weltoffenes Klima herrscht oder nicht.
Staatsminister Carsten Schneider, Beauftragter der Bundesregierung für Ostdeutschland
Für den Gehaltsreport 2025 wurden 1.052.211 Vergütungsdaten ausgewertet, die im Zeitraum Januar 2022 bis November 2024 erhoben wurden. Davon stammen 63 Prozent von Männern und 33 Prozent von Frauen. Der Anteil von Beschäftigten mit Personalverantwortung beträgt 31 Prozent. Alle Gehaltsdaten sind in Euro angegeben, zugunsten der besseren Lesbarkeit gerundet und weisen den Median des Gehaltsniveaus im Jahr 2024 aus, sofern nicht anders angegeben. Die Daten beziehen sich auf das Bruttojahresgehalt inklusive Boni, Provisionen, Prämien etc. Sie basieren auf erhobenen Gehaltsinformationen von Vollzeitbeschäftigten. Die Datenbasis für die Studie wurde aus den Vergütungsdaten der Stepstone Datenbank zusammengestellt. Die Daten werden mithilfe des Stepstone Gehaltsplaners auf Stepstone.de erhoben und wissenschaftlich analysiert. Sämtliche Daten wurden von unseren Vergütungsberater*innen geprüft und einer Gewichtung unterzogen.
Disclaimer: Dies ist keine rechtsverbindliche Auskunft. Die in diesem Artikel veröffentlichten Rechtsgrundlagen wurden sorgfältig zusammengestellt, erheben aber keinen Anspruch auf Aktualität, sachliche Richtigkeit oder Vollständigkeit; eine entsprechende Gewähr wird nicht übernommen. Insbesondere übernimmt The Stepstone Group Deutschland GmbH keinerlei Haftung für eventuelle Schäden oder Konsequenzen, die durch die direkte oder indirekte Nutzung der bereitgestellten Inhalte entstehen.
Das Mediangehalt in Ostdeutschland liegt laut Stepstone Gehaltsreport 2025 bei 39.250 €.
Die Preise für Miete und Lebenshaltungskosten sind in den meisten Regionen Ostdeutschlands günstiger als im Westen. Allerdings gibt es mit Dresden, Jena oder Potsdam Städte, deren Preisindex weit über dem von einigen westdeutschen Städten liegt.
Wirtschaftsexpert*innen sehen einen Grund für die niedrigeren Gehälter in Ostdeutschland in der geringeren Tarifbindung in den Betrieben.
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