Stella Paschen
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Frauen sind in Führungspositionen deutscher Unternehmen nach wie vor unterrepräsentiert. Woran liegt das? Und was machen beruflich erfolgreiche Frauen anders als die vermeintlich weniger erfolgreichen? Wir stellen dir kluge Strategien vor, die vor allem weiblichen Berufstätigen beim Erklimmen der Karriereleiter helfen.
Frauen als Führungskraft sind hierzulande immer noch rar. Nur 29,2 % aller Führungspositionen sind von Frauen besetzt, wie das Statistische Bundesamt für das Jahr 2021 mitteilte. Damit landet Deutschland im EU-Vergleich gerade mal auf Platz 20 von 27 in der Rangliste. Der Spitzenreiter Lettland kommt auf rund 46 % weibliche Führungskräfte.
Je höher das Management-Level, desto seltener haben Frauen das Sagen. Aber ein bisschen was bewegt sich doch. In den Chefsesseln deutscher Spitzenkonzerne saßen noch nie so viele Frauen wie im letzten Jahr: 109 von insgesamt 705 Vorstandsmitgliedern der DAX-Familie sind weiblich – das sind immerhin 17 Frauen mehr als im Jahr davor. Es ist die höchste Quote seit der ersten Auswertung 2013. Gleichzeitig haben nur neun der 160 untersuchten Unternehmen einen weiblichen CEO. Dazu zählen zum Beispiel Merck, ThyssenKrupp oder Deutsche Wohnen.
Am meisten tut sich in den 40 DAX-Unternehmen: In 85 % der Fälle ist dort mindestens eine Frau in der Führungsriege, und immer mehr freie Posten werden an Manager*innen vergeben. Das belegt eine aktuelle Untersuchung der deutschen Prüfungs- und Beratungsorganisation EY. Eine neue EU-weite Frauenquote kann diese positive Entwicklung weiter unterstützen. 40 % weibliche Aufsichtsräte soll es in den Vorständen von börsennotierten Unternehmen mit über 2000 Beschäftigten geben – das ist das Ziel für 2026. Alternativ müssen mindestens ein Drittel der Aufsichtsräte und Vorstände mit Frauen besetzt sein.
Richtet man den Blick auf alle Branchen und Unternehmen, lässt sich unterm Strich sagen: In über zwei Drittel der untersuchten Bereiche arbeiten Frauen seltener in Führungspositionen. Eine gängige Erklärung dafür ist, dass die Mehrheit der Männer in Vollzeit arbeitet und die Karriereleiter schneller hochkommt. Sicher greifen hier aber eine Vielzahl an Gründen, warum Frauen seltener als Männer eine leitende Position innehaben. Wir stellen die wichtigsten vor.
Ein Ereignis, das sich durch viele weibliche Berufsbiografien zieht, ist das Kinderkriegen. Und zu dem Zeitpunkt haben Frauen meistens schon die niedrigeren Gehälter Im Vergleich zu Männern. Die Folge: Deutlich mehr Mütter als Väter reduzieren ihr Arbeitspensum im Monat. Und das passiert in vielen Fällen nicht aus Diskriminierung, sondern aus ökonomischen Überlegungen. Die kürzere Arbeitszeit wirkt sich wiederum auf den Bruttostundenverdienst aus, weil gut bezahlte Stellen seltener in Teilzeit besetzt werden – oder von vornherein nicht auf Teilzeit ausgelegt sind, weil es leitende Posten sind.
Weniger abgeleistete Arbeitsstunden beeinflussen am Ende das monatliche Gehalt. Außerdem haben Frauen mit einem Teilzeitjob geringere Aufstiegsmöglichkeiten. Männer hingegen legen ab 30 Jahren meistens den Grundstein für ihre Karriere. Für Frauen mit Kindern ist es in dem Zeitraum zwischen 30 und 40 schwieriger, ihre Karriereziele zu erreichen. Sie straucheln oft zwischen der Vereinbarkeit von Familie und dem beruflichen Aufstieg.
Ob es Frauen in die Führungsetage schaffen, ist oft eine Frage der Unternehmenskultur. Mutterschutz und Elternzeit bringen in der Regel einen hohen personellen Aufwand mit sich. Da ist die Wahl eines männlichen Chefs die vermeintlich sicherere Nummer. Bekommen Frauen dann Kinder, sind die meisten auf flexible Arbeitszeitmodelle angewiesen. Schließlich arbeitet ein Großteil von ihnen in Teilzeit. Wie flexibel ein Unternehmen darauf reagiert, ist oft kulturell verankert. Job-Sharing-Modelle wie das Top-Sharing, also das Teilen einer Führungsposition, werden zumindest immer populärer.
Ob es Manager*innen und weibliche Vorstände im Unternehmen gibt, hängt oft davon ab, ob es bereits Frauen an der Spitze gab oder wie fortschrittlich die Unternehmensführung agiert. Hier ist der Trend sehr positiv. Bei den 40 deutschen DAX-Unternehmen beispielsweise werden immer mehr freie Manager-Posten an Frauen vergeben.
Auch Barrieren in den Köpfen der Frauen selbst hindern sie, den Sprung in eine Führungsposition zu wagen. Sie befürchten, dass ihre Belastung – beruflich wie privat – noch extremer wird. Vor allem in männerdominierten Branchen müssen Frauen mehr leisten als Männer, damit Kolleg*innen sie akzeptieren. Oft wollen Manager*innen nicht nur ihren eigenen Erwartungen entsprechen, sondern auch den äußeren Ansprüchen gerecht werden. So hat es auch Nicole Dreyer-Langlet beschrieben, Vizepräsidentin Forschung & Technologie bei Airbus in Deutschland und Senatorin von Helmholtz. „Ich war getrieben von dem Anspruch an mich selbst und davon, allen zu zeigen, dass ich es besser kann als die Männer in meinem Umfeld.“ Ein großer Druck, dem nicht alle gewachsen sind.
Hinzu kommt, dass Chef*innen – wahrscheinlich durch das klassische Rollenverständnis geprägt – enorm selbstkritisch mit sich sind. Das ist einerseits eine Eigenschaft, die besonders anspornt. Andererseits kann sie auch in Selbstzweifeln münden, die Frauen am nächsten Karriereschritt hindern.
All diese Belastungsfaktoren sind teils schwer einschätzbar vor dem Antreten einer leitenden Position und könnten dazu führen, dass sich Frauen gegen eine Beförderung entscheiden.
Zum Glück gibt es viele leuchtende Beispiele von Frauen, die Stolpersteine überwinden konnten und eine spannende Karriere hingelegt haben. Was machen sie anders? Was können wir uns von ihnen abschauen? Diese Fragen haben wir drei weiblichen Führungskräften gestellt. Tatsächlich entdecken wir einige Gemeinsamkeiten, die wir in den wichtigsten Tipps zusammengestellt haben.
Die hohe Teilzeitquote bei Müttern (65,5 % der Mütter; 7,1 % der Väter 2020) ist ein echter Pain Point auf dem Karriereweg von Frauen. Umso wichtiger ist es, dass Eltern ihre Arbeitszeit gerechter untereinander aufteilen, zum Beispiel beide in Teilzeit gehen. „Wir brauchen die Männer, um unsere eigene Karriere voranzutreiben. Das klingt nicht sehr emanzipiert. Aber es ist emanzipiert, die Realität zu sehen,“ bringt es Milena Glimbovski, Unternehmerin und Klimaaktivistin, auf den Punkt.
Arbeitgeber können mit flexiblen Arbeitszeitmodellen dazu beitragen. Konzepte wie das Top-Sharing, bei dem sich zwei Teilzeitkräfte eine Führungsposition teilen, kann eine gute Möglichkeit für beide Elternteile sein. „Das Ziel sollte sein, mehr Ausgleich und Flexibilität bei den Arbeitszeiten zu schaffen“, sagt Rebecca Zöller, Top-Sharerin und Journalistin beim Bayerischen Rundfunk. Sie hat zwei Kinder und teilt sich mit einer anderen Mutter eine Teamlead-Stelle im Bereich „Spielfilm Serie Digital.“
Ursprünglich war die Vollzeit-Stelle nur auf eine Person ausgerichtet – für Rebecca undenkbar. Doch dann kam ihre Idee des Job-Tandems ins Rollen. „Wenn du das zu zweit machst, kannst du eine verantwortungsvolle Position ausfüllen und sogar wichtige Projekte parallel übernehmen“, erklärt die Journalistin. Außerdem hat das Team immer eine Ansprechpartnerin, egal ob das Kind krank ist, eine Urlaub hat etc. Und natürlich gibt’s die doppelte Brainpower, die in der kreativen Branche immens wichtig ist.
Um dieses Modell erfolgreich in einem Unternehmen durchsetzen zu können, müssen sich auch die Frauen selbst von alten Denkmustern verabschieden. Nach der Elternzeit sollten Frauen mit Kindern in einem Unternehmen genauso fordern und mitgestalten und ihre Arbeitszeit so planen, dass sie happy sind damit. „Man sollte sein Leben nicht dem Job anpassen, sondern mehr den Job seinem Leben“, ist Rebeccas Devise.
Selbstsichere Kommunikation und ein fester Glaube an die eigenen Fähigkeiten spielen für Frauen auf dem Weg in eine Führungsposition eine große Rolle. Diese Tipps helfen dir, selbstbewusst aufzutreten und entschlossen zu kommunizieren:
Frauen brauchen den Erfahrungsaustausch untereinander. Den Rat einer Frau anzunehmen, die eine ähnliche Berufsbiografie hat oder dieselbe familiäre Situation durchlebt, ist sehr viel leichter. Manchmal braucht es auch einen liebevollen Schubser von einer Gleichgesinnten, um einen Schritt vorwärtszugehen.
Deshalb: Bau dir ein strategisches Netzwerk auf oder such dir Unterstützung durch einen Mentorin. Besonders in männerdominierten Branchen solltest du nützliche Kontakte zu anderen Fachfrauen knüpfen. Nicole Dreyer-Langlet kommt aus einem solchen Bereich. Als Vizepräsidentin Forschung & Technologie bei Airbus berät sie viele Frauen im Unternehmen und hatte selbst eine Mentorin. „Das Motto meiner Mentorin ist: einer Frau pro Tag zu helfen. Das habe ich mir auch angewöhnt. Dabei muss es gar nicht immer Karriereförderung sein, auch ein paar aufmunternde Worte und positive Energie mitzugeben können etwas verändern. Frauen, mit denen ich spreche, nehmen sich das mittlerweile auch vor. Und so kommen wir irgendwann zu einem schönen Schneeballsystem.“
Und genau so funktionieren auch Netzwerke: Sie reproduzieren sich. Umso wichtiger ist es, dass sich Frauen untereinander connecten, um in diesen Kreislauf zu kommen.
Die vielen berufsbezogenen Netzwerke für Frauen bieten hierfür eine Plattform. Du findest dort Angebote für berufliche Weiterbildung, Workshops, Messen und Fachtagungen sowie die Möglichkeit, fachliche und persönliche Erfahrungen auszutauschen.
Auch im privaten Umfeld kann ein Netzwerk – besonders für Mütter – sehr unterstützend sein. Milena Glimbovski ist von Berlin in einen kleinen Ort auf dem Land gezogen. Dort hat sie sich eine Community mit anderen Familien, Frauen und Nachbar*innen aufgebaut. „Dieses Netzwerk hat unglaubliche Auswirkungen auf meine Arbeit. Sich bewusst Strukturen zu schaffen, füreinander da zu sein in Krisensituationen ist wichtig für die Karriere, wichtig in Zeiten der Klimakrise und -anpassung, und vor allem für Frauen.“ Denn die Mehrheit der Mütter übernimmt immer noch die Care-Arbeit, wenn es mal Ausfälle gibt, z. B. wenn die Kitas schließen während einer Hitzewelle. Mit einem gut funktionierenden Netzwerk besteht die Chance, solche Mehrbelastungen in Zukunft gemeinsam zu meistern.
Aus seiner Komfortzone herauszugehen und ungewohnte Situationen zu meistern, ist ein wichtiger Skill, um beruflich voranzukommen. Milena Glimbovski begegnet Herausforderung erst einmal positiv. Sie sieht sie nicht als Bedrohung, sondern als Chance. Bei ihren zwei Unternehmensgründungen stand sie vor vielen neuen Problemen und Situationen. „Ich habe eine Empfehlung für andere und mich selbst: Erst mal „ja“ sagen zu Sachen, vor denen ich Angst habe.“ Das klingt ziemlich mutig. Ist es auch. Sie sagt, sie habe noch Zeit und Möglichkeiten, um herauszufinden, wie sie die Aufgabe gut meistern kann.
Tipp: Versuche, Lösungen zu entwickeln und dir Unterstützung zu holen. Du kannst z. B. ein gutes Briefing mit deinem Gegenüber erarbeiten, damit du weißt, was dich erwartet oder eine*n Trainer*in engagieren usw. Das Schlimmste, was passieren kann, ist: Du merkst während der Arbeit, dass du es nicht schaffen wirst. Für den Fall gibt es immer noch die Option, offen zu kommunizieren und einen Schritt zurückzumachen. „Aber dann hat man es wenigstens probiert,“ meint Milena Glimbovski. Hab also keine Angst vorm Scheitern. Jede Erfahrung macht dich reicher.
Nicole Dreyer-Langlet sieht die Herausforderung als persönliche Challenge. Sie „findet nichts spannender, als sich permanent in ganz neue Herausforderungen reinzuschmeißen“. Sie sagt auch von sich, dass sie wahnsinnig gerne dazulernt und über die Jahre eine sehr geringe Hemmschwelle gegenüber Neuem entwickelt hat.
Rebecca Zöller hatte den Mut, ein Arbeitsmodell auszuprobieren, das noch in den Anfängen steckte. Damit hat sie nicht nur sich selbst, sondern auch ein Zeichen in ihrem Unternehmen gesetzt.
Gute Vorbilder sind das A und O. Von ihnen kannst du dir Verhaltensmuster abgucken, die kein Führungskräftetraining der Welt vermitteln kann. „Die Art und Weise, wie jemand führt, sich ein Thema erarbeitet oder in eine Verhandlung reingeht, konnte ich von verschiedenen Chefs und Chefinnen lernen. Eine gute Mentorin ermutigt auch und schubst einen regelmäßig ins kalte Wasser,“ erzählt Nicole Dreyer-Langlet aus ihrem Berufsleben. Meistens waren es männliche Chefs, unter denen sie arbeitete, in den letzten Jahren sind immer mehr Frauen dazugekommen.
Tipp: Stell dir immer die Frage, was du von deinem Vorgesetzen lernen kannst. Hast du ein Jobangebot, kann das auch ein wichtiges Kriterium sein.
Top-Sharer Rebecca Zöller ist selbst zu einem Vorbild geworden. „Bei uns im Unternehmen hatten wir anfangs noch Exotenstatus. Mittlerweile ist das Modell aber angekommen und es tröpfeln so langsam ein paar mehr Job-Tandems hinterher.“
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