Julia Hackober
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Weißt du, was deine Kolleg*innen verdienen? Und kannst du einschätzen, ob du fair bezahlt wirst? Dann bist du im Vorteil – und zwar nicht nur in Gehaltsverhandlungen. Deinen Marktwert zu kennen, kann ein echter Game Changer für deine Karriere sein. Aber mit wem darf man überhaupt offen über sein Gehalt sprechen? Und was hat es mit dem Auskunftsanspruch auf sich? Ilka Schmalenberg, Fachanwältin für Arbeitsrecht, klärt auf.
Selbst mit den Lieblingskolleg*innen spricht man oft nicht unbefangen übers Gehalt. Das hat meist kulturelle - Gründe allen voran in Deutschland wird ohnehin nicht gern offen über Geld gesprochen, andere nach dem Gehalt zu fragen, gilt als Tabu. Kein Wunder also, dass es unter Teammitgliedern schnell heikel wird, wenn die Sprache aufs Gehalt kommt („Was, SO VIEL verdient die in DEM Job?“).
Dabei ist die Rechtslage eindeutig:
- Ilka Schmalenberg, Fachanwältin für ArbeitsrechtMit Arbeitskolleg*innen oder Vorgesetzten darf man grundsätzlich immer über Gehalt sprechen.
Die Berechtigung schließt auch Familienangehörige ein – das heißt, der oder die Ehepartner*in darf erfahren, was man verdient. Gegenüber Behörden ist man teilweise sogar zur Auskunft verpflichtet, zum Beispiel bei der Sozialversicherung.
Zusammengefasst bedeutet das, dass du mit folgenden Personen bzw. Institutionen über dein Gehalt sprechen darfst:
Wer außerhalb des Unternehmens in Plauderlaune gerät, sollte einige Regeln beachten:
- Ilka Schmalenberg, Fachanwältin für ArbeitsrechtArbeitnehmer*innen müssen vorsichtig sein. Auch wenn es keine Verschwiegenheitsverpflichtung durch Erklärung oder Vertrag gibt, so ergibt sich eine Verschwiegenheitspflicht aus dem Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb (UWG).
Konkret heißt das: Gegenüber Personen, die nicht deinem Betrieb angehören, kann dein Gehalt unter Umständen ein Geschäftsgeheimnis darstellen – insbesondere dann, wenn Konkurrenzunternehmen davon Wind bekommen und durch die Kenntnis des Gehalts einen Vorteil erlangen können.
Noch sensibler verhält es sich, wenn nicht um dein Gehalt, sondern um das Gehalt anderer Personen geht. Denn grundsätzlich gilt: Die Weitergabe von Gehaltsinformationen Dritter ist ohne deren Zustimmung nicht erlaubt. Dies regelt die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) in den Artikeln 4 und 6.
Ilka Schmalenberg ist Fachanwältin für Arbeits- und Sozialrecht in Nürnberg. Sie vertritt mit ihrer Kanzlei aus Überzeugung nur Arbeitnehmer*innen und setzt sich dafür ein, dass diese ihre Rechte kennen, wenn es um Mobbing, Abmahnungen oder Kündigungen am Arbeitsplatz geht. Weitere Informationen gibt es auf Ilka Schmalenbergs Blog sos-arbeitsrecht.de.
Doch gerade wegen der oben genannten erlaubten Fälle versuchen Unternehmen manchmal, ihre Mitarbeitenden innerhalb des Betriebs zum Stillschweigen über ihr Gehalt zu verdonnern und setzen dafür entsprechende Klauseln in Arbeitsverträge. Diese Klauseln sind allerdings in den allermeisten Fällen unwirksam. Ilka Schmalenberg erklärt: „Das Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern hat schon 2009 entschieden, dass Informationen über Lohn und Gehalt keine Geschäftsgeheimnisse sind, wenn sie innerhalb des Betriebes offengelegt werden.“ Es kann dir also niemand verbieten, intern über Gehalt zu reden:
- Ilka Schmalenberg, Fachanwältin für ArbeitsrechtNach Ansicht der deutschen Gerichte ergibt sich bereits aus dem Grundsatz der Gleichbehandlung ein Recht, über sein Gehalt sprechen zu dürfen.
Schließlich können Arbeitnehmende nur so feststellen, ob sie den gleichen bzw. einen angemessenen Lohn für die gleiche Arbeit wie Kolleg*innen erhalten. Hier kommt das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) ins Spiel, das Ungleichbehandlungen und Diskriminierungen auch im Berufsleben vorbeugen und bekämpfen soll. „Eine Verschwiegenheitsklausel im Arbeitsvertrag würde diesem Gesetz entgegenstehen und Arbeitnehmer*innen unangemessen benachteiligen“, so Anwältin Schmalenberg. Mit Kolleg*innen der gleichen Firma übers Gehalt zu sprechen, das darf dein Arbeitgeber nicht verbieten und es ist erst recht kein Kündigungsgrund – auch, wenn dieses Gerücht häufig kursiert.
Betriebsintern kannst du, je nach Vertrauensverhältnis, einfach nachfragen: Hey, was verdienst du eigentlich? „Allerdings ist man als Arbeitnehmer*in nicht zur Auskunft über Kolleg*innen verpflichtet“, sagt Ilka Schmalenberg. Es ist also erlaubt, dass ihr über eure Gehälter redet, es muss aber niemand Infos darüber teilen, wie viel er oder sie verdient.
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Wer trotzdem herausfinden will, was Kolleg*innen in ähnlicher Position verdienen, kann unter Umständen den sogenannten Auskunftsanspruch geltend machen. Dieser ergibt sich aus dem Entgelttransparenzgesetz, das 2017 in Deutschland verabschiedet wurde. Ziel des Gesetzes ist es, dafür zu sorgen, dass Arbeitnehmende nicht auf Grund ihres Geschlechts oder anderen Merkmalen beim Gehalt diskriminiert werden, Frauen zum Beispiel bei gleicher Arbeit weniger verdienen.
Für den Arbeitsalltag heißt das: Du kannst bei deinem Arbeitgeber eine Auskunft über das Gehalt anderer Mitarbeiter*innen in ähnlicher Position verlangen.
Das kann dir dabei helfen, einzuschätzen, ob dein Nettogehalt gut ist oder nicht.
Wenn du mit deinen Kolleg*innen über Gehalt sprichst, wirst du vielleicht feststellen, dass diese deutlich mehr verdienen als du oder sich aktuell über eine Gehaltserhöhung freuen, während du leer ausgehst. In deinen Augen ungerechtfertigt, schließlich arbeitet ihr im selben Team und erledigt vergleichbare Aufgaben. Das sind Fälle, in denen du den Auskunftsanspruch aus dem Entgelttransparenzgesetz geltend machen kannst.
„Sollte ein Betriebsrat eingesetzt sein, so wäre dieser die erste Anlaufstelle für den Verdacht, anders vergütet zu werden“, sagt Ilka Schmalenberg. „Der Betriebsrat hat Kenntnis über den Durchschnittsverdienst vergleichbarer Mitarbeiter*innen“. Wer den Verdacht hat, diskriminiert zu werden, sollte sich zudem anwaltlich beraten lassen: „Bei der Geltendmachung von Ansprüchen gelten oft recht kurze Ausschlussfristen“, so Schmalenberg.
In solchen Fällen fällt gerne der Begriff Gehaltsdiskriminierung. Doch bevor du diesen verwendest, möglicherweise sogar als Diskussionsgrundlage mit deinem Vorgesetzten, solltest du dir über die Definition im Klaren sein.
Lassen sich jedoch keine solchen Gründe finden, greift das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG):
Ziel des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) ist es, Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität zu verhindern oder zu beseitigen.
Das AGG bietet beispielsweise ein rechtliches Fundament, wenn eine Frau bei gleicher Tätigkeit und Qualifikation weniger als ihr männlicher Kollege verdient. Auch Gehaltsdifferenzen alleine aufgrund von Alter oder Migrationshintergrund sind nicht zulässig – und dann handelt es sich (möglicherweise) um Gehaltsdiskriminierung.
Als vereinfachte Definition kannst du dir daher merken:
Gehaltsdiskriminierung liegt vor, wenn zwei Personen für die gleiche oder gleichwertige Arbeit unterschiedlich bezahlt werden – ohne sachlichen Grund, sondern aufgrund eines diskriminierenden Merkmals.
Dann gilt wie bereits erwähnt: Es steht der Gang zu Betriebsrat oder Anwalt zeigt an, um deine rechtlichen Wege auszuloten.
Wer sein Gehalt verschweigt, schadet sich am Ende oft selbst. Denn: Transparenz schafft Vergleichbarkeit – und Vergleichbarkeit ist die Basis für faire Bezahlung. Rechtlich spricht kaum etwas dagegen, mit Kolleg*innen offen über das Gehalt zu sprechen – ganz im Gegenteil. Wer den eigenen Marktwert kennt und weiß, wie viel andere in vergleichbarer Position verdienen, ist nicht nur selbstbewusster in Gehaltsverhandlungen, sondern kann sich im Zweifelsfall auch gegen Gehaltsdiskriminierung wehren. Die Voraussetzung: Wissen, mit wem du reden darfst (und sollst) – und mit wem nicht.
Innerhalb deines Betriebs darfst du mit Kolleg*innen und Vorgesetzten über dein Gehalt sprechen. Auch deine Familienmitglieder dürfen wissen, was du verdienst.
Nein. Innerhalb des Betriebs ist das Gehalt kein Geschäftsgeheimnis. Gegenüber Personen, die nicht dem eigenen Betrieb angehören, kann das Gehalt aber ein Geschäftsgeheimnis darstellen. Aus dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb ergibt sich dann eine Verschwiegenheitspflicht.
Nein. Wer mit Kolleg*innen über sein Gehalt redet, kann nicht abgemahnt oder gekündigt werden. Über das Gehalt dritter sollte man aus Datenschutzgründen allerdings nicht sprechen; für einige Berufsgruppen, zum Beispiel Personaler*innen, gelten hier besonders strenge Vertraulichkeitsregeln.
Jein. Deine Kolleg*innen sind nicht verpflichtet, dir gegenüber offenzulegen, was sie verdienen. Allerdings kannst du unter bestimmten Voraussetzungen einen Auskunftsanspruch beim Arbeitgeber geltend machen (ab 200 Mitarbeitenden): Der Arbeitgeber muss dir dann Auskunft über die Gehaltsstruktur im Unternehmen geben und den Medianwert offenlegen, der angibt, was Mitarbeitende vergleichbarer Tätigkeit im Unternehmen verdienen.
Nein. Das Entgelttransparenzgesetz stärkt dein Recht, über dein Gehalt zu sprechen – insbesondere im Hinblick auf Gleichbehandlung und Fairness.
Sprich offen, aber respektvoll über das Thema – zum Beispiel im Rahmen eines Feedbackgesprächs oder mit Unterstützung des Betriebsrats. Ziel ist es nicht, zu vergleichen, sondern faire Strukturen anzustoßen.
Ja, möglicherweise. Denn wenn klar ist, wer wie viel verdient, lassen sich Unterschiede besser erkennen – und korrigieren. Mehr Transparenz fördert die Gleichstellung am Arbeitsplatz.
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