Stress lass nach: Zu viel Arbeit, ein wachsender Termindruck und eine anhaltende, innere Anspannung. Burnout und Erschöpfung sind heute trauriger Bestandteil des Arbeitsalltags. Mehr als 40 Prozent der Bevölkerung fühlen sich durch die Arbeit erschöpft. Mehr als ein Viertel kann nach Feierabend und am Wochenende nicht mehr richtig abschalten. Wie kannst du auf deine eigene mentale Gesundheit achten und was sollten Unternehmen tun, um Achtsamkeit zur Priorität zu machen? Zu diesen Fragen haben wir Désirée Pascual, Chief People Officer, von Headspace Health gesprochen.

Désirée Pascual ist Chief People Officer des Mental Health Unternehmens Headspace Health. In ihrer Position nutzt sie die Prinzipien des ‘Human Centered Design’ und datengetriebene Analysen, um eine positive Arbeitskultur für alle Mitarbeiter*innen zu schaffen. Désirée ist in Europa geboren und aufgewachsen. Sie spricht drei Sprachen fließend und nutzt ihren multikulturellen Hintergrund, um Vielfalt, Inklusion und Gleichberechtigung in Unternehmen voranzutreiben. Sie hat eine Ausbildung in Wirtschaft und Recht, einen Bachelor-Abschluss in Geisteswissenschaften und einen Master in Klinischer Psychologie vom California Institute of Integral Studies in San Francisco. Ihr Arbeitgeber Headspace Health bietet Achtsamkeitstools für den Alltag, darunter Meditationen, Sleepcasts für besseren und gesunden Schlaf, Anleitung zu achtsamer Bewegung und Übungen zur Verbesserung von Konzentration und Fokus. Bis heute hat Headspace fast 100 Millionen Menschen in mehr als 190 Ländern weltweit erreicht, sowohl im Direktvertrieb als auch durch mehr als 3.700 Partnerschaften mit Unternehmen auf der ganzen Welt.
Désirée, in deiner Rolle als Chief People Officer bei Headspace Health sind Stress und viel Arbeit sicherlich keine Seltenheit – wie schaltest du ab?
Ich mache regelmäßig und mit ganzem Herzen Pausen. Dabei hilft mir auch eine Struktur, die wir bei Headspace Health für alle Mitarbeitenden eingeführt haben: Der Mind Day. An jedem zweiten Freitag ist ein unternehmensweiter freier Tag, den jede Person nach Lust und Laune verbringen kann. Ich liebe es, diese Zeit für mich und meine Selfcare-Routinen zu nutzen. Dazu gehört ein ausgiebiger Spaziergang genauso wie ein Gespräch mit einer guten Freundin. Außerdem lasse ich mich an diesen Freitagen wieder neu inspirieren, indem ich sorgfältig ausgewählte Artikel und Bücher lese. Gerade vor allem aus den Bereichen Neurowissenschaften, New Work und Design Thinking. Das ist für mich eine wunderbare Form, freundlich zu meinem Geist zu sein.
Meditation, Sleepcast, Achtsamkeitsübungen – für skeptische Menschen mag sich das erstmal nach Esoterik und Pseudo-Wissenschaft anhören. Warum sollten sich Menschen dennoch mit ihrer mentalen Gesundheit befassen?
Klar, das kann ich verstehen. Lange Zeit dachten Menschen bei Meditation auch sofort an Esoterik, Räucherstäbchen und Schneidersitz. Das ist aber einfach nur ein möglicher Kontext, in dem Achtsamkeit stattfinden kann und keine Voraussetzung. Als Neuling ist es am besten, sich mit einer neugierigen Haltung auf eine Achtsamkeitsübung einzulassen, beispielsweise auf den Bodyscan. Dabei spüren wir in unseren ganzen Körper hinein, vom Kopf bis zu den Füßen, und nehmen einfach nur wahr. Indem wir Kontakt mit uns aufnehmen und einfach mal fühlen, wie es uns jetzt gerade in diesem Moment geht, werden wir entspannter. Das funktioniert übrigens genauso mit ein paar bewussten und tiefen Atemzügen, auch eine Achtsamkeitstechnik.
Für alle, die jetzt noch zweifeln, habe ich außerdem ein paar harte Fakten: Es ist wissenschaftlich belegt, dass sich eine regelmäßige Meditationspraxis von nur ein paar Minuten täglich positiv auf die Gesundheit auswirkt. Stress kann nach nur zehn Tagen um 11 Prozent reduziert werden und Reizbarkeit im gleichen Zeitraum sogar um 27 Prozent sinken.
Wie kann Achtsamkeit im Arbeitsleben zur Verbesserung der mentalen Gesundheit beitragen?
Ist Achtsamkeit in den Arbeitsalltag integriert, fühlen sich Menschen viel sicherer, sie selbst sein zu dürfen. Das entlastet, entspannt und führt zu einer Aufwärtsspirale: Mit einer entspannten Geisteshaltung können Mitarbeitende sich besser konzentrieren, effizienter arbeiten und sie haben bessere Ideen. Das messbare Ergebnis einer achtsamen Arbeitsumgebung: Die Krankheitstage im Unternehmen gehen zurück, während die Produktivität gesteigert werden kann. Everybody wins!
Wie können Arbeitgeber und Arbeitnehmer gemeinsam daran arbeiten, eine achtsame Arbeitsumgebung zu schaffen?
Der für mich wichtigste Ansatz steckt bereits in der Frage. Ich finde es entscheidend, das eben gemeinsam zu erarbeiten und sich mit Neugier auf einen iterativen Prozess einzulassen. Dafür eignen sich die Prinzipien des Design Thinkings hervorragend: Hier wird demokratisch und ergebnisoffen nach cleveren Lösungen für ein Problem gesucht. In diesem Fall Ideen für eine achtsame Arbeitsumgebung. Das bedeutet natürlich für jeden Einzelnen, jedes Team und jedes Unternehmen etwas ganz anderes. Es geht darum, hier sinnvolle Ansätze und Schnittmengen zu finden. Bei Headspace sind das die tägliche Meditation, der zweiwöchentliche Mind Day und regelmäßige Gespräche, in denen Mitarbeitende offen darüber reden können, wie es ihnen gerade wirklich geht. Das passt am besten zu uns. Für andere Unternehmen mag das anders aussehen. Wichtig ist es, einfach mal anzufangen.
Wie kann eine achtsame Arbeitskultur dazu beitragen, Burnout bei Mitarbeitern zu verhindern?
Der Schlüssel für mich ist die Entstigmatisierung. Wenn ich mich als Mitarbeiter und Mitarbeiterin eingeladen fühle, in meinem One-on-One offen über hohen Druck und über Angstzustände zu sprechen, dann können gemeinsam individuelle Lösungen gefunden werden, die einen Burnout verhindern. Eine starke Signalfunktion hat hier das Top Level-Management. Wenn Führungskräfte über ihre psychische Gesundheit und Bewältigungsstrategien sprechen, fällt es vielen leichter, sich ebenfalls zu trauen.
Kannst du einige konkrete Beispiele dafür nennen, wie Achtsamkeitstechniken im Arbeitsalltag angewendet werden können?
Natürlich. Das können ganz kleine Dinge sein, wie sich beispielsweise im Laufe eines Tages daran zu erinnern, immer wieder bewusst tief zu atmen. Das geht in jeder Situation und hilft uns dabei zu entspannen, wenn es gerade hektisch wird. Ein zweites Beispiel, das mir am Herzen liegt, auch wenn es vielleicht klassischerweise nicht unter eine Achtsamkeitstechnik fällt, ist die gute Planung von Meetings. Ich gehe sehr achtsam mit der Zeit meiner Kollegen und Kolleginnen um, genauso wie mit meiner eigenen. Außerdem empfehle ich noch, sich jeden Tag eine wichtige Sache vorzunehmen, mit der man persönlich weiterkommen möchte und sich wirklich darauf zu konzentrieren. Damit das gelingt, am besten mal das Mail-Programm zu machen, Slack schließen, das Handy weglegen und in einen konzentrierten Tunnel abtauchen.
Wie können Unternehmen sicherstellen, dass Achtsamkeit nicht als oberflächliche Modeerscheinung betrachtet wird, sondern als wichtiger Bestandteil einer ganzheitlichen Gesundheits- und Wellness-Strategie?
Ich würde sogar sagen, es ist wichtig, Achtsamkeit als Bestandteil der Unternehmensstrategie zu betrachten. So können die Maßnahmen ihre volle Wirkung entfalten, weil sie operationalisiert und messbar gemacht werden.
Welche Auswirkungen hat Achtsamkeit auf die Produktivität und Effektivität von Mitarbeitern und Unternehmen insgesamt?
Achtsamkeit wirkt sich extrem positiv auf die Produktivität von Mitarbeitenden aus. Das beweisen zum Beispiel die ersten Versuche mit der Vier-Tage-Woche. Das Unternehmen sendet mit so einer Entscheidung ein ganz klares Signal: Eure Gesundheit und euer privater Ausgleich ist uns wichtig. Das kommt natürlich gut an, schafft Vertrauen und motiviert Mitarbeitende dazu, ausgeruht ihr Bestes zu geben.
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